Zum 100. Prozesstag vor dem Münchener Oberlandesgericht trägt die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe eine glitzernde Haarspange Foto: dpa

Thomas R. (39), Informant des Bundesamtes für Verfassungsschutz, soll überraschend an einer unentdeckten Diabetes gestorben sein.

Stuttgart - Der rechtsextreme V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV) mit dem Tarnnamen „Corelli“ ist tot. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Demnach sei Thomas R. Ende März leblos in seiner Wohnung in Schloss Holte-Stukenbrock bei Bielefeld aufgefunden worden. Darüber habe das BfV das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags vergangene Woche informiert. Der 39 Jahre alte Neonazi aus Sachsen-Anhalt sei an einer zuvor nicht erkannten Diabetes-Erkrankung verstorben. Es gebe bislang keine Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung.

Von 1994 bis zu seiner Enttarnung im November 2012 lieferte „Corelli“ dem Inlandsgeheimdienst Informationen für die rechtsextreme Szene in Deutschland. Deshalb wurde er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen, als die wahre Identität Thomas R.s im Zuge der Ermittlungen gegen den NSU bekannt wurde. Für Opferanwälte und Verteidiger galt der V-Mann als wichtiger Zeuge im Münchener Verfahren gegen Beate Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten: Er hatte engen Kontakt zum rechtsextremen Blood&Honour-Netzwerk, das die mutmaßlichen Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mit Waffen und Geld unterstützte. Uwe Mundlos hatte R.s Name auf eine Telefonliste seiner wichtigsten Kontaktpersonen geschrieben, die 1998 in der Jenaer Garage der drei Neonazis gefunden wurde.

In zwei Vernehmungen durch das Bundeskriminalamt (BKA) bestritt Thomas R., das Trio oder nur eines seiner Mitglieder gekannt zu haben. Hier log er offenbar: Der Sonderermittler des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, der frühere Richter Bernd von Heintschel-Heinegg, fand in Akten des Verfassungsschutzes Beweise dafür, dass „Corelli“, mindestens 1995 „unmittelbaren Kontakt zu Mundlos“ hatte.

Für die Ermittler des BKA gehörte Thomas R. zu den 100 relevanten Personen im „engeren und weiteren Umfeld“ des NSU. So engagierte sich R. bei dem rechten Szeneblatt „Der Weiße Wolf“, dem der NSU 2001/2002 eine Geldspende zukommen ließ. In Ausgabe 18 bedankten sich die Rechtsextremen: „Vielen Dank an den NSU“. Es ist die erste bekannte Erwähnung des NSU in der Öffentlichkeit, neun Jahre bevor die Gruppe im November 2011 aufgedeckt wird.

Für die Geheimdienstler war „Corelli“ einer der wichtigsten Informanten über militante, rechte Strukturen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. So trieb sich R. im rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) in Schwäbisch-Hall herum. Zu den Kapuzenmännern gehörten auch zwei Polizeibeamte der Böblinger Bereitschaftspolizei. In derselben Einheit arbeitete später auch die 2007 in Heilbronn mutmaßlich vom NSU erschossene Michèle Kiesewetter. In seinen Rapporten an das BfV berichtete R., mehr als nur zwei Polizisten seien Mitglieder des Klans gewesen.

Dessen früherer Anführer Achim Schmid – selbst Ex-Informant des baden-württembergischen Verfassungsschutzes – plauderte mit BKA-Ermittlern über die Rolle Thomas R.s im Klan: „Thomas R. hatte den Rang eines Kleagles, also eines Anwerbers“. V-Mann „Corelli“ spähte also nicht nur die rechte Szene aus, sondern rekrutierte aktiv Nachwuchs für den Geheimbund. In seiner Vernehmung am 13. März vergangenen Jahres berichtete er von drei Männern, die er in den KKK geholt hatte. „Corelli“ gehörte zu den wenigen Top-Spitzeln des BfV in der rechten Szene. Für seine Dienste kassierte er 180 000 Euro. Der Nachrichtendienst übernahm auch die Kosten samt Spesen für eine Reise Thomas R.s in die USA. Dort besuchte der Neonazi ein Treffen des KKK. Bislang ist nicht bekannt, dass ein Informant aus der rechten Szene mehr Geld von einem der Verfassungsschutzämter eingestrichen hat.