„Blauer Enzian“ und „Kleine Kneipe“: Uwe Jens spielt und singt für Senioren in Böblingen. Beeindruckend ist dabei auch sein Alter.
Ein Mann, eine Gitarre, eine Stimme und viele nostalgische Hits aus den 1950er-Jahren. „Oldie-Singen hält jung!“ lautet das Motto des Auftritts von Uwe Jens – der selbst das beste Beispiel ist. Er ist fast 90 Jahre. Und sein Publikum an diesem Donnerstagnachmittag: Bewohner des Böblinger Seniorenheims Sonnenhalde.
Mitsingen ist ausdrücklich gewünscht, und das lässt sich das Publikum bei dieser „gemeinsamen Reise in die Erinnerungen“ an tolle Urlaube oder das erste Verliebtsein, bei denen auch die eine oder andere Träne verdrückt wurde, nicht zweimal sagen.
Umtriebig seit jeher
Dabei ist allein schon der Vorsänger ein Erlebnis, der mit zu den Ältesten im Saal gehört. Bis zu seinem Vorruhestand arbeitete Uwe Jens bei einem hiesigen Computerkonzern. Seit Anfang der 1950er, also auch schon mehr als 70 Jahre, musizierte er immer nebenher, meist in mehrköpfigen Ensembles.
„Über das Schlagzeug bin ich bei der Gitarre gelandet“, beschreibt der Senior seinen musikalischen Weg, den er unter der Überschrift „Begegnungen in Dur und Moll“ in seinen Erinnerungen als „musikalisches Stück seiner Lebensgeschichte“ zu Papier gebracht hat.
So garniert der welterfahrene Musikus, ursprünglich aus Elmshorn bei Hamburg stammend, seine internationalen Oldies – Lieder, bei denen alle mitsingen können und die Augen blitzen – immer wieder mit Anekdoten und ganz persönlichen Erinnerungen an die Lieder zwischen Nordsee und italienischem Dolce Vita. Vom „Blauen Enzian“ der Alpen geht es über die „Fischerin vom Bodensee“ aus dem Jahr 1956 zu den „Tulpen aus Amsterdam“ und mit „Buona Sera Signorina“ und den „Florentinischen Nächten“ von Rudi Schuricke in den warmen Süden. Nicht fehlen darf „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini“ von der erst kürzlich verstorbenen Caterina Valente. Aber auch der unvergessene Hans Albers mit mehr als einem Hauch von Hamburg und der weiten Welt ist dabei.
Das Tanzbein schwingt keiner
Außerdem schlüpft der Interpret mit einem vor genau 60 Jahren erworbenen Banjo kurzerhand in die Rolle des „Banjo Boy“, macht mit Peter Alexander einen Abstecher in „Die kleine Kneipe“ und endet mit dem Schlaflied „La Le Lu“, das er noch immer gerne auch zuhause mit seiner mittlerweile 17-jährigen Enkelin Johanna singt. Sie ist die bereits in die musikalischen Fußstapfen ihres Opa getreten.
Nur das Tanzbein, wie es Uwe Jens selbst bei seinen Auftritten im Heim Sonnenhalde schon erlebt hat, schwingt an diesem Nachmittag zwischen Rollatoren und Rollstühlen niemand im Saal. Was, wie der Applaus belegt, nicht an Uwe Jens’ Darbietung liegt.
Die Auftritte sind wahrscheinlich Geschichte
Seit 25 Jahren tritt Uwe Jens regelmäßig im Seniorenheim Sonnenhalde auf und bietet seinen Zuhörern mehr als unterhaltsame Stunden. Anfangs begleitete er mit seinem Nufringer Trio Garten- und andere Jahresfeste, später war Teil des Duos Olle Kamellen. Heute als Solist ist er von der Heimleitung immer wieder ein gern gesehener Gast.
Aber vermutlich kein häufig gesehener mehr. Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Auftritt an diesem Nachmittag sein letzter.