Ute Vogt ist in der SPD-Bundestagsfraktion in den Kreis der neun Vizevorsitzenden aufgestiegen – dort ist sie nun für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Ernährung und Landwirtschaft zuständig. Foto: Peter Petsch

Erst war sie für die SPD eine Lichtgestalt, dann die Wurzel allen Übels: Ute Vogt hat Höhen und Tiefen durchlebt. Zuletzt war es still geworden um die 49-Jährige. Doch in Berlin erlebt sie ein Comeback

Stuttgart - „Schlossstraße? Da sind Sie hier ganz falsch“, antwortet Ute Vogt einem hilfesuchenden Ausländer und weist ihm gestenreich den Weg. Erst mit der Stadtbahn zum Berliner Platz, dann links, rechts . . . Als der Mann weg ist, lacht sie: „Ich kenn’ mich hier aus. Bin ja hier daheim.“

Ausgerechnet Ute Vogt. Das sagt ausgerechnet jene Frau aus der Kurpfalz, die zwar die Villa Reitzenstein erstürmen wollte, aber Stuttgart dabei am liebsten nicht betreten hätte. Am Ende ihrer landespolitischen Karriere, das war so gegen 2008, brach sie fast fluchtartig ihre Zelte ab. Nur raus aus der Politik, weg vom Landtag, wo ihre Fraktion sie in die Wüste geschickt hatte. Und wo ihr Höhenflug, der 2001 so vielversprechend begonnen hatte, ein jähes Ende nahm.

In Berlin erlebt Vogt ihren zweiten Frühling

Doch dann ergab sich die „glückliche Fügung“, wie sie heute sagt, dass sie erneut für den Bundestag kandidieren durfte: justament in Stuttgart. In ihrem Wahlkreis reißt die frühere SPD-Landesvorsitzende zwar keine Bäume aus – zuletzt landete sie bei 16,6 Prozent Erststimmen. Doch mit der Stadt und der Politik ist sie längst versöhnt.

In Berlin erlebt die 49-Jährige derzeit sogar eine Art zweiten Frühling. Parteiintern angelte sie sich einen Platz im Präsidium, und in der SPD-Bundestagsfraktion stieg sie auf in den Kreis der neun Vizevorsitzenden. Dort ist sie nun für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Ernährung zuständig. „Und für Landwirtschaft“, ergänzt sie und schiebt eine ihrer typischen Lachsalven nach, als wolle sie andeuten, dass das Thema ihr noch etwas fremd ist.

Dann aber redet sie routiniert über grüne Gentechnik, über den Umwelthaushalt, über den Handel mit Wildtieren. Themen allesamt, die sie zwischen Fraktion und Regierung koordinieren muss. Einen „Traumjob“ nennt sie das, was wohl auch daran liegt, dass ihr Arbeitsfeld wenig ideologiebelastet ist: „Da hab’ ich Glück.“

Der Streit um die Lagerung von Atommüll

Nun ja, so ganz stimmt das nicht. Denn Vogt ist auch Mitglied in einem Gremium, das sich mit einem der größten Streitthemen der deutschen Nachkriegsgeschichte befasst: der Lagerung von Atommüll. Um endlich einen Standort für ein Endlager zu finden, haben Bundestag und Bundesrat kürzlich eine Kommission aus Wissenschaftlern, Politikern und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen eingesetzt.

Die Runde soll zwar lediglich Vorarbeiten leisten und sich darüber verständigen, auf welche Weise man das beste Endlager sucht. Doch allein das werde schwierig genug, sagt sie mit Blick auf die bunt gemischte Tischrunde: von der Atomlobby bis hin zu Umweltverbänden sind alle dabei. „Aber wir müssen uns einigen“, sagt die studierte Juristin, „denn der Atommüll liegt vor unseren Füßen.“

Dass der umstrittene Salzstock in Gorleben nicht schon vorab aussortiert wurde, hält sie zwar für politisch richtig. „Doch eigentlich hat Gorleben in dem Prozess nichts zu suchen“, meint Vogt.

Sie hätte Staatssekretärin werden können

Als Obfrau ihrer Fraktion im Gorleben-Untersuchungsausschuss kam sie jedenfalls zum Ergebnis, dass für den niedersächsischen Endlagerstandort schon früher nichts sprach – außer dem politischen Willen der damaligen CDU-FDP-Bundesregierung.

Vogt hat sich mit ihrer Arbeit in diesem Ausschuss im vergangenen Jahr einige Meriten verdient. Das blieb auch dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nicht verborgen. Als er bei der Regierungsbildung eine Staatssekretärin für das Bundesumweltministerium suchte, fiel ihr Name. „Ich wurde gefragt“, sagt Vogt. Doch sie lehnte ab. Als Staatssekretärin könne man nicht mitgestalten, sagt sie mit leicht verächtlichem Unterton.

Sie weiß, wovon sie spricht. Fünf Jahre lang hat sie diesen Job im Bundesinnenministerium gemacht – und oft darunter gelitten. Das allerdings lag weniger an der Position als an ihrem Chef, Bundesinnenminister Otto Schily. Der führte die junge Kollegin am kurzen Zügel, kanzelte sie bisweilen ab und überließ ihr drittklassige Termine.

Der Männerclub Landesparlament

Ja, sie hat Lehrgeld gezahlt. Auch im Landtag, wo sie sich manch „Bösartigkeit“ gefallen lassen musste, wie sie sagt. Im Grunde hat sie das Stuttgarter Parlament als frauenfeindlich empfunden, vor allem die damaligen Regierungsfraktionen CDU und FDP. „Gruselig“ habe es auf sie gewirkt, wenn sie ans Rednerpult ging, und es hagelte bereits Zwischenrufe: „Dabei hatte ich doch noch kein Wort gesagt.“

Die Neigung zum Feixen führt sie auf den geringen Frauenanteil im Landesparlament zurück. „Das ist ein Männerclub“, regt sich Vogt auf, „die sind einfach nicht gewohnt, mit Frauen vernünftig umzugehen.“

Dabei verschweigt sie allerdings, dass die Heckenschützen nicht in der CDU, sondern in ihrer eigenen Fraktion saßen. Ja, auch sie habe Fehler gemacht, räumt sie ein. Sie sei zum Beispiel „zu friedfertig“ gewesen, habe alte Strukturen zu lange unangetastet gelassen und sich zu wenig in die Arbeit der Abgeordneten eingemischt.

Aber im Grund sei es für Bundespolitiker immer schwer, im Landtag Fuß zu fassen, tröstet sie sich. Der SPD-Nestor Erhard Eppler habe ihr damals schon gesagt, ihm sei es beim Wechsel von Bonn nach Stuttgart auch nicht anders ergangen. Über ihren damaligen Gegenspieler Stefan Mappus äußert sie sich übrigens auffallend wohlwollend. Frauenfeindlich? Nein, sagt Ute Vogt: „Der war allen gegenüber so nassforsch, auch zu Männern.“

Politik soll nicht an einer Person festgemacht werden, findet Vogt

Als der Regierungschef 2011 die Wahl verlor, habe sie zwar gedacht: „Und die Welt ist doch gerecht.“ Doch Genugtuung empfindet sie keine, dafür hat sie selbst schon zu viel Dreck gefressen. Eher Mitleid. Weil Mappus nicht loslassen könne, sagt sie mit Blick auf dessen Versuch, den EnBW-Aktienkauf doch noch ins günstige Licht zu rücken.

Mitleid? Falls dies überhaupt eine Regung ist, die für die Politik taugt, müsste Vogt sie auch für die eigene Partei empfinden. Ihrem Nachfolger Nils Schmid gelingt es jedenfalls nicht, die SPD aus ihrem Kellerverlies ins Licht der Wählergunst zu führen. Im Gegenteil: Sein Landtagswahlergebnis lag 2011 mit 23,1 Prozent noch unter dem von Vogt.

Ist er also der falsche Parteichef? „Das ist doch Banane, es an einer Person festzumachen“, sagt sie. Man schaue sich doch mal das Personalangebot der vergangenen Jahre an: Erhard Eppler, Ulrich Lang, Ulrich Maurer, Dieter Spöri etc. „Wir hatten doch alles, was man aufbieten kann.“ Nein, die Strukturen in Baden-Württemberg seien eben so. In der Regierungsbeteiligung der SPD sieht sie allerdings eine Chance, die CDU-Bastion dauerhaft zu knacken. Erfolg oder Misserfolg hängen für sie von der Bildungspolitik ab: „Ich glaube, das kann gelingen.“

Doch das alles ist nicht mehr ihr Bier. Vogt ist zwar Stuttgarterin – sie lebt in Botnang. Aber um Landespolitik und den Landtag macht sie einen weiten Bogen.