Foto: Frank Kleinbach

Ute Meta Bauer bewies bei der siebten Veranstaltung der Gesprächsreihe "Über Kunst" unserer Zeitung, dass ihr Untertitel "Dialog als Arbeitsprinzip" gut gewählt war.

Stuttgart - Ein kräftiges Händeschütteln und ein warmes Lächeln hier, ein freudiges "Hey, hallo" da. Ute Meta Bauer bewies bereits vor Beginn der siebten Veranstaltung der Gesprächsreihe "Über Kunst" unserer Zeitung, dass ihr Untertitel "Dialog als Arbeitsprinzip" gut gewählt war.

Nicht jeder Kulturschaffende, der Stuttgart verlassen hat, wird bei seiner Stippvisite in der Heimatstadt so herzlich begrüßt. Die Galerie Klaus Gerrit Friese, nun bereits zum siebten Mal Bühne für die Veranstaltungsreihe "Über Kunst" unserer Zeitung, platzte aus allen Nähten. Mehr als 100 Besucher, darunter auffallend viele Galeristen, Institutionsleiter, Akademie-Professoren und Künstler, waren gekommen, um die gebürtige Stuttgarterin wiederzusehen - und vor allem: wiederzuhören.

Viele der Anwesenden haben Bauer als künstlerische Leiterin des Künstlerhauses Stuttgart in den Jahren 1990 bis 1994 noch in Erinnerung, andere kennen sie als Co-Kuratorin der Weltkunstausstellung Documenta XI, 2002 in Kassel. Dass Ute Meta Bauer gleich nach der Vorstellung durch Moderator Nikolai B. Forstbauer, Kulturressortleiter unserer Zeitung, ihre einstigen Miststreiterinnen und Mitstreiter der auch als Ausstellungsort, Verlag und Kunstschule bekanntgewordenen Wohngemeinschaft Neue Weinsteige 10 - wie Annette Gmeiner und Rudolf Bumiller - alle namentlich erwähnt, spricht für sich.

Ehre, wem Ehre gebührt. Stuttgart und seine Prägung durch Künstler, Philosophen und Verleger sei eine entscheidende Anregung zur Durchführung der Gesprächs- "Plattformen" im Vorfeld der Documenta XI gewesen. "Die reflexive Ebene ist für mich ganz selbstverständlich", sagt Bauer. Und dass gute Kunst immer auf die Veränderungen in der Gesellschaft reagiere.

Mit leuchtenden Augen erzählt sie dann von Otto Piene, in Düsseldorf Zero-Künstler der ersten Stunde und von 1974 an Direktor des Center for Advanced Visual Studies am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Ute Meta Bauer leitet seit 2005 das Visual Arts Program im Department of Architecture an ebendiesem Institut und ist seit 2009 Gründungsdirektorin von "ACT - Program in Art, Culture and Technology". Eine Schaltstellenposition, an und in der Bauer gleichwohl ihrem Prinzip der "offenen Akademie" treu bleibt, das sie bereits während des Studiums an der Hamburger Kunsthochschule begründete und später als Professorin in Wien bestätigte . Während ihre Kollegen lamentieren, dass freie Forschung heute kaum noch möglich sei, sieht sie es als ihre Aufgabe an, "Leute aus anderen Disziplinen mit reinzuholen" und weg vom rein zielorientierten Arbeiten zu kommen. So arbeitet Ute Meta Bauer am MIT bei aktuellen Projekten nicht nur mit Architekten, sondern auch mit Designern und Medizinern zusammen. Eine aktuelle Fragestellung liefert ein Beispiel: "Wie kann man für Autisten mit künstlerischen Mitteln eine Umgebung herstellen, in der sie sich wohlfühlen?" Die Lösung - Möbel, die den Körper enger umfassen - entsteht aus dem skulpturalen Denken. Dass Ute Meta Bauer das Bauhaus als Einfluss für die Arbeit am MIT wie auch für ihr Denken überhaupt erwähnt, verwundert kaum. "Es ist wichtig, den Kunstbegriff lebendig zu halten", sagt sie . Eine Unterscheidung zwischen der Arbeit von freien Künstlern, Designern und Videoclip-Regisseuren möchte sie hierbei nicht machen: "Wir brauchen in allen Bereichen eine kreative, kritische Auseinandersetzung." Dass momentan in vielen Städten Studenten auf die Straße gehen, um gegen Stellenstreichungen und Kürzungen im Bildungsbereich zu demonstrieren, beurteilt sie äußerst positiv: "Demokratie findet nur dann statt, wenn man ständig an ihr arbeitet. Streitkultur ist für mich ein kreativer Prozess - und der gehört an die Hochschule."

Was das Publikum an diesem Abend sehr wohlwollend zur Kenntnis nimmt: Obwohl Ute Meta Bauer in den USA lebt und sehr oft für Vorträge und Recherchen die ganze Welt bereist, beobachtet sie die Geschehnisse in Stuttgart nach wie vor aufmerksam. Die hiesige "Artparade" gegen die geplanten Kürzungen im Stuttgarter Kulturhaushalt erwähnt sie ebenso anerkennend wie den Filmwinter und die mit Plattformen wie Hermes und der Pfau verbundenen Präsentationen aktueller künstlerischer Projekte in unabhängigen Räumen.

Es gibt aber auch ganz praktische Verbindungen: Über die Fragen zu Methoden des künstlerischen Archivierens hat Bauer den Kontakt zum Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) und zum Studiengang "Konservierung Neuer Medien und Digitaler Information" an der Stuttgarter Kunstakademie gesucht und gefunden. "Das ZKM ist mit der einzige Ort, an dem man derzeit Videobänder aufarbeiten kann", sagt sie - und verrät damit möglicherweise das Geheimnis ihres Erfolges und ihrer Beliebtheit. Ute Meta Bauer vermag es, trotz vieler kritischer Töne an den richtigen Stellen zu loben. Und Kontakte zu nutzen. Das für ihre Stuttgarter Jahre nach Eigenaussage geltende Motto "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" hat sie ins Hier und Jetzt hinübergerettet.

Nach dem Gespräch kommen zahlreiche Besucher auf die Kulturvermittlerin zugestürmt, überreichen Visitenkarten und kleine Geschenke. Der Dialog geht weiter.

Hintergrund: Ute Meta Bauer über die Arbeit am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge

Auf Einladung des Kunstbüros Baden-Württemberg in der Kunststiftung Baden-Württemberg sprach Ute Meta Bauer vor ihrem „Über Kunst“-Auftritt im Künstlerhaus Stuttgart über ihre aktuelle Arbeit am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. „Eigentlich“, sagte sie an ihrer alten Wirkungsstätte (Bauer war von 1990 bis 1994 für das Ausstellungs- und Projektprogramm im Künstlerhaus Stuttgart verantwortlich), „hat sich gar nicht so viel verändert.“ Die Fragen, so Bauer, seien weiter „Was ist künstlerische Forschung?“, „Ist Kunst nicht immer Forschung?“ und „Wo inspiriert Kunst die Wissenschaft?“.

Nicht zuletzt inspiriert von Laszlo Moholy-Nagy, der die Ideen des in Hitlerdeutschland diskreditierten Bauhauses in Chicago neu zu begründen suchte, hatte Gyorgy Kepes im Jahr 1861 gegründeten MIT das Center for Advanced Visual Studies (CAVS) begründet. Zum CAVS führen weitere Spuren aus Deutschland. Der heute 82-jährige Otto Piene, in Düsseldorf einst Mitbegründer der Künstlergruppe Zero, war von 1974 bis 1993 dessen Direktor. Dem CAVS war auch das seit 2005 von Bauer gelenkte Visual Arts Program zugeordnet. Seit 1. Juli 2009 sind dieses Programm und das CAVS unter Leitung von Ute Meta Bauer als Program in Art, Culture and Technology (ACT) an der School of Architecture and Planning im MIT zusammengefasst.

Ute Meta Bauer, 1958 in Stuttgart geboren und nach ihrer Arbeit als Co-Kuratorin der Weltkunstausstellung Documenta XI 2002 in Kassel im Team von Okwui Enwezor 2004 für die 3. Berlin Biennale verantwortlich und heute im Spektrum ihrer Kuratorentätigkeiten unter anderem Vorsitzende des Beirats für Bildende Kunst der Goethe-Institute, arbeitet seit 2005 als Direktorin des Visual Arts Programs im Department of Architecture am MIT.

„Wir arbeiten immer projektorientiert mit Studierenden aus unterschiedlichen Bereichen“, sagt Ute Meta Bauer über das MIT. Praktische Werkstättenarbeit ergänzt dabei die multimedialen Realitäten der studentischen Lebenswelten. „Frustration“, sagt Bauer mit Blick auf den Umgang mit Holz und anderen Materialien, „ist hier durchaus ein Lehrmeister.“ Zu wissen, was wirklich umsetzbar ist, beziehungsweise die Grenzen des Machbaren zu verschieben sei wichtig, wenn es etwa um Projekte zur Autismusforschung und zur Gehörlosenforschung gehe, aber auch, wenn Absolventen von Kunsthochschulen in Gestaltungsteams von Autounternehmen arbeiteten. Eine neue Herausforderung sieht Bauer zudem in der Auseinandersetzung mit den Folgen der Kriegserlebnisse „einer darauf nicht vorbereiteten Gesellschaft“.