Uta Köbernick Foto: Patrick Labitzke

Kann man Zeit überhaupt verschwenden? Die Liedermacherin und Kabarettistin Uta Köbernick stellt viele Fragen. Einige davon sind, teilweise sogar mit Antworten, an diesem Mittwoch in der Stuttgarter Rosenau zu erleben. Dort stellt Köbernick ihr neues Programm „Ich bin noch nicht fertig“ vor.

Stuttgart - Uta Köbernick heißt sie, geboren wurde sie in Berlin-Köpenick. Dass ihre Agentin auch noch Köwenig heißt, das kann doch kein Zufall sein, oder? „Doch! Alles Zufall!“, sagt die Liedermacherin und Kabarettistin. Hin und wieder sei angenommen worden, es handele sich um einen an ihren Geburtsort angelehnten Künstlernamen. Aber: „Ganz im Ernst – wenn ich mir einen Künstlernamen ausgesucht hätte, dann doch keinen so komplizierten, den man sich nicht merken kann.“

An diesem Mittwoch tritt Uta Köbernick mit ihrem neuen Programm „Ich bin noch nicht fertig“ in der Rosenau auf. Aus Köpenick hat sich Köbernick aber längst verabschiedet. Seit fast 20 Jahren lebt sie mit kleineren Unterbrechungen in Zürich, wo sie 2004 ihr Schauspieldiplom abgeschlossen hat. Zwischendurch war sie am Berliner Ensemble engagiert. Die Ensemblearbeit habe ihr durchaus zugesagt. Jedoch: „Meine eigenen Theaterprojekte und Soloprogramme hätte ich während der Festanstellung in Berlin nicht realisieren können. Im Theater sagt man eben Dinge, die man nicht selbst geschrieben hat, sondern macht sich Texte von anderen zu eigen.“

Die eigenen Gedanken notiert Uta Köbernick, seit sie 15 ist, in Liedform. Ihre poetischen, wortspielreichen und oft subtil komischen Texte begleitet sie live meist auf der Gitarre. Schon als Sechsjährige erhielt sie Geigenunterricht, mit acht sang sie im Rundfunk-Kinderchor Berlin, dessen Konzerttourneen sie unter anderem nach Georgien und Japan führten. Sie kam also schon viel früh herum. Dagegen ist die Schweiz ja bloß ein Katzensprung.

Doch auch von dort aus hat Köbernick die gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland im Blick. In der Bundesrepublik interessiert man sich vielleicht nicht allzu sehr für die Eidgenossen, umgekehrt ist das aber durchaus der Fall. Es lässt sich da auch nicht vermeiden, Vergleiche zu ziehen. Den Schienenverkehr beispielsweise beäugt die 43-Jährige genau: „Die Schweizer sind ja stolz auf ihre pünktlichen Züge und das gute Streckennetz. Aber auch da kommt es allmählich zu nicht unbedingt positiven Veränderungen, weil man sich manches von Deutschland abschaut. Der Chef der Schweizer Bundesbahnen ist gewissermaßen ein Ziehkind Hartmut Mehdorns. Damit beschäftige ich mich auch in meinem Programm.“

Mit der Bahn hat sie’s. Vor einigen Jahren beteiligte sie sich auch am Protest gegen Stuttgart 21. „Der Schienenverkehr betrifft mich immer persönlich, weil ich keinen Führerschein habe. Für mich ist ein Bahnhof, was für andere ein Parkplatz ist“, so Köbernick: „Da möchte ich hingehen, einsteigen oder mich umentscheiden. Ich möchte nicht wie beim Fliegen drei Wochen im Voraus nach der günstigsten Verbindung schauen müssen, sondern spontan reisen und den nächsten oder übernächsten Zug nehmen können. Das Thema betrifft meine Unabhängigkeit. Und da reagiere ich empfindlich.“

Als Protestliedermacherin will sie sich aber nicht verstanden wissen. Eines ihrer vielen Wortspiele, die sie gern trocken und mit angedeutetem Grinsen auf der Bühne von sich gibt, lautet: „Ich singe Widerständchen.“ Im Interview befindet sie: „Meine Lieder sind immer nur ein Vorschlag, ein Angebot, die Sache anders zu denken.“ Anfangs sei sie auch noch gar nicht der festen Überzeugung gewesen, dass das Tieferlegen des Bahnhofs eine schlechte Idee sei. Sie fand einfach interessant, dass es in Deutschland zu einer Volksabstimmung kam: „Hier in der Schweiz empfindet man es ja als normal, dass ständig abgestimmt wird. Aber in Deutschland? Das wollte ich mir ansehen.“

Dass S21 allerdings ein zumindest fragwürdiges Unterfangen war und ist, wurde ihr dann aber bald klar. Die Zeit gab den Kritikern Recht: Sprach man 2009 noch von Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro, geht man heute von gut zehn Milliarden aus. „Alles, wovor man damals gewarnt hat, ist genau so eingetreten. Jedes Mal, wenn wieder etwas wie Brandschutz oder Gleisneigung ans Licht kommt, ist das für mich und viele andere ein alter Hut. Aber es hat nie Konsequenzen. Das macht es so schmerzhaft.“

Der Programmtitel „Ich bin noch nicht fertig“ hat mit dem wohl bis mindestens 2025 ebenfalls unfertigen Bahnhof indes nichts zu tun. Womit genau sie noch nicht fertig ist, wird sie endgültig erst in der Rosenau verraten. Das übergeordnete Sujet des Abends sei aber die Zeit: „Es geht darum, wie wir Zeit empfinden, wie wir sie vollstopfen, wie wir sie verschwenden. Und um die Frage: Kann man Zeit überhaupt verschwenden?“ Die Antwort darauf hängt freilich auch vom Raum ab – schließlich sind Zeit und Raum nach Einstein ja untrennbar miteinander verknüpft. Ein Besuch der Rosenau an diesem Mittwoch dürfte jedenfalls keine Zeitverschwendung sein.