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New York ist die Stadt, in der alles möglich ist: Auf den Spuren deutscher Auswanderer zwischen der Upper East Side und dem West Village.

New York City - Wenn Sigrid Swaney Heimweh bekommt, geht sie einkaufen. Zum Beispiel bei Schaller & Weber. Wenn sie der Bagels, Pastrami-Sandwiches und Cheesecakes überdrüssig ist, für die New York City berühmt ist, stöbert sie in den Regalen der Metzgerei an der Upper East Side. Hier findet sie zwischen Maggi-Suppen, Hengstenberg-Sauerkraut und Bechtle-Spätzle auch Pumpernickel. „Der ist in Manhattan so schwer zu bekommen“, klagt sie. Sigrid Swaney ist 73, kommt aus Erfurt, lebt seit 52 Jahren in den USA und kauft sich gerne mal in der deutschen Traditionsmetzgerei an der 2nd Avenue ein Stück alte Heimat.

Die Produktpalette hat sich seit 1937 kaum verändert

Die Deutschen sind überall, auch wenn sie New York City nicht so offensichtlich ihren Stempel aufgedrückt haben wie die Holländer oder Iren. In Manhattan gibt es zwar Chinatown, Koreatown oder Little Italy, aber kein deutsches Viertel. Zumindest nicht mehr. Und das, obwohl dort derzeit rund eine halbe Million Deutschstämmige leben. Einer von ihnen ist Ralph Schaller: „Das hier war früher mal eine rein deutsche Nachbarschaft“, sagt der 61-Jährige, der heute bei Schaller & Weber hinter der Theke steht. Die 86th Street, an der sich die Metzgerei befindet, wurde früher einmal Sauerkraut Boulevard genannt. Hier gab es deutsche Restaurants, Biergärten, Bäckereien, Turnvereine. Ralph Schallers Vater eröffnete dort 1937 die Metzgerei. Bevor Ferdinand Schaller als Küchenjunge auf einem Schiff nach Amerika gekommen war, hatte er 1918 in Stuttgart eine Metzgerlehre gemacht. Und die Produktpalette hat sich seit 1937 kaum verändert. Ralph Schallers Verkaufsschlager sind Bratwurst, Landjäger, Leberkäs und „besonders unser Schwarzwälder Schinken - den lieben die Leute hier“. Vom Sauerkraut Boulevard ist außer Schaller & Weber aber nicht viel übrig geblieben.

Nur gleich nebenan das Restaurant Heidelberg, das es seit 1936 gibt. Während dort im Fernseher ein Footballspiel der New York Giants läuft, kann man mit Hofbräu und Franziskaner, Obstler und Underberg anstoßen. Aber nur einmal im Jahr lässt ein Festzug entlang der 5th Avenue deutsche Traditionen wirklich aufleben. Die Steuben-Parade, die in diesem Jahr am 21. September stattfinden wird, ist ein folkloristisch-farbenfrohes Spektakel mit Blasmusik und Trachten. „Da treffen sich aber vor allem die Älteren“, sagt Sigrid Swaney, die schon als Sportlehrerin, Polizistin und Rechtsbeistand gearbeitet hat und nun Reiseführerin ist: „Die Jüngeren finden es meistens ziemlich albern, so in Sepplhosen rumzulaufen“, glaubt sie.

Seit 1990 ist Ellis Island ein Museum

Die Parade verdankt ihren Namen dem Freiherrn Friedrich Wilhelm von Steuben (1730-1794) - einem Offizier aus Magdeburg, der George Washingtons Truppen preußische Disziplin beibrachte und zum Held des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs wurde. Wie Steuben zog es seit Ende des 17. Jahrhunderts zahllose Deutsche nach Nordamerika. Schon 1890 waren es über eine Million. Und die große Einwanderungswelle hatte da gerade erst begonnen. 1892 wurde auf Ellis Island, einer Insel im Hudson River vor New York in Sichtweite der Freiheitsstatue, eine zentrale Einwanderungsstelle eingerichtet. Bis 1954 standen dort insgesamt rund zwölf Millionen Menschen für den amerikanischen Traum an. Seit 1990 ist Ellis Island ein Museum, das die Einwandererschicksale erlebbar macht. Damals fanden die deutschen Einwanderer meistens zunächst in der Lower East Side entlang der Avenue B ein Zuhause - in einer Gegend, die Little Germany, Kleindeutschland, oder wegen der vielen schwäbischen Einwanderer auch Deutschländle genannt wurde. Geblieben sind Backsteingebäude mit deutschen Schriftzügen wie „Freie Bibliothek & Lesehalle“ oder die Church of the Most Holy Redeemer, in der die katholischen Gottesdienste im 19. Jahrhundert auf Deutsch gehalten wurden.

„Es entspricht nicht der deutschen Mentalität, sich in Vierteln zusammenzutun“, sagt Sigrid Swaney, die, wenn sie Besuchergruppen durch New York führt, gerne mal die Touristenattraktionen auslässt und stattdessen Harlem durchquert. „Die Läden sind hier so viel bunter als die in den anderen Stadtteilen“, schwärmt sie von dem Stadtviertel, das schon lange kein Ghetto mehr ist. „In Harlem kann man viel über das Miteinander der Kulturen lernen“, sagt Swaney, der wie den meisten Einwanderern Nationalstolz eher fernliegt. „Wir Deutsche in Amerika haben uns immer mehr als andere bemüht, uns anzupassen und nicht aufzufallen“, bestätigt Volker Hege, der ebenfalls Reiseführer ist. „Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg war es ja auch nicht mehr cool, Deutscher zu sein.“

Bestseller in Heges Angebot ist die „Sex and the City“-Tour

Hege kam vor 18 Jahren nach New York. Eigentlich bloß für ein Praktikum. Doch wie viele ist er geblieben. Jetzt ist er 44 und Chef von InsightSeeing Inc., einem Unternehmen, das sich auf individuelle Stadtspaziergänge durch die New Yorker Stadtbezirke spezialisiert hat. Und überall findet er deutsche Spuren. In der Hipster-Metropole Williamsburg in Brooklyn, in der Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend Deutsche lebten, ebenso wie beim Spaziergang über die Brooklyn Bridge. Die zwischen 1869 und 1883 erbaute Hängebrücke, ein Wahrzeichen der Stadt, wurde von dem Ingenieur John August Roebling geplant, der aus Thüringen stammte. Bestseller in Volker Heges Angebot ist aber die „Sex and the City“-Tour, bei der man auf den Spuren von Carrie Bradshaw Bars, Boutiquen und andere Schauplätze aus der Fernsehserie abklappert. Darunter auch Carries Apartment im Gebäude 66 Perry Street in der trendigsten Ecke des West Village. Dort, gleich ums Eck, versuchen gerade weitere deutsche Einwanderer ihr Glück.

David Rothe (32) betreibt mit Volker Hermann an der 7th Avenue seit zwei Jahren Landbrot Bakery & Bar - einen Laden, in dem man Laugenweckle zum Frühstück und die besten Brezeln von New York City bekommt. Die beiden kommen aus Albstadt, haben früher als Vertriebler für Kabel BW gearbeitet. Nun lassen sie in dem ehemaligen Transvestitenclub nach schwäbischen Rezepten und mit aus Deutschland importierten Zutaten morgens Brot und Brötchen backen und haben mittags Kartoffelsalat oder Maultaschen auf der Speisekarte. Das hat nichts mit Deutschtümelei, sondern mit schwäbischem Geschäftssinn zu tun: „Mit diesem Lederhosen- und Blasmusikzeug haben wir nichts zu schaffen“, sagt Rothe, „wir glauben nur, eine Marktlücke entdeckt zu haben. Wir wollen den Amerikanern zeigen, dass Deutsche nicht nur gute Autos bauen, sondern auch toll backen können.“ Das freut Alec Baldwin und Martha Stewart, die hier schon eingekauft haben. Und das freut Sigrid Swaney, die die Bäckerei bisher noch nicht kannte: „Aber so ist New York“, sagt sie, „jeden Tag gibt’s was Neues.“

Infos zu New York City

Anreise
Effektiv: Singapore Airlines ( www.singaporeair.com ) fliegt ab Frankfurt direkt nach New York (ab 499 Euro). Beim Hinflug ist man schon um 11.10 Uhr Ortszeit da, zurück geht es erst um 20.10 Uhr, und man kann sogar zwei Gepäckstücke bis zu je 23 Kilo aufgeben.

Unkompliziert: United Airlines ( www.united.com ) bietet als einzige Fluglinie Direktflüge von Stuttgart nach New York an (ab 476 Euro).

Unterkunft
Das Beacon Hotel befindet sich an der Upper West Side in unmittelbarer Nähe des Central Park. Doppelzimmer ohne Frühstück ab 200 Euro, Suite ab 250 Euro (2130 Broadway, Telefon +1 / 212 / 7 87 11 00, www.beaconhotel.com ).

Für alle, die lieber am turbulenten Times Square wohnen möchten, empfiehlt sich das renovierte Milford Plaza. Doppelzimmer ohne Frühstück ab 160 Euro (700 8th Avenue, Telefon +1 / 888 / 3 52 36 50, www.milfordplaza.com ).

Pauschalangebote können sich lohnen: Thomas Cook ( www.thomascook.de ) bietet New York mit Flug und vier Übernachtungen im Hotel King & Grove ab 654 Euro an, FTI ( www.fti.de ) Flug und drei Übernachtungen im Holiday Inn Midtown ab 979 Euro.

Sehenswürdigkeiten/Ausflüge
Vom Rockefeller Center ( www.topoftherocknyc.com ) bietet sich ein schönerer Überblick über die Stadt als vom Empire State Building. Die Fähre nach Staten Island ( www.siferry.com ) gewährt tolle Ansichten auf die Manhattan-Skyline - und ist gratis.

Wer New York abseits der Touristenpfade entdecken will, sollte unbedingt Spaziergänge durch die Lower East Side, Harlem oder Brooklyn unternehmen. Ausflüge sind etwa über www.thomascook.de oder unter www.insightseeing.com buchbar.

Mit der Boardkarte von Singapore Airlines bekommt man Vergünstigungen. Wer Heimweh bekommt, geht zur Metzgerei Schaller & Weber (1654 2nd Avenue #1, www.schallerweber.com ) oder zu Landbrot (137 7th Avenue South, www.landbrotbakery.com ).

Was Sie tun und lassen sollten
Museumsbesuche, Schaufensterbummel und Shoppingtouren in Manhattan sind Pflicht. Wer aber am Times Square essen geht oder Souvenirs kauft, hat zu viel Geld, wer an einem Straßenstand Hotdogs isst, sollte sich nicht über Bauchweh beschweren.

Allgemeine Informationen
New York Information Center Midtown Manhattan, 7th Avenue, 52/53 Street www.nycgo.com