Donald Trump versucht, Stärke zu demonstrieren – vornehmlich mit seinem Smartphone. Foto: AFP

Nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz im syrischen Duma kündigt US-Präsident Trump eine Vergeltung mit Raketen an. „Mach Dich bereit Russland“, twitterte er. Moskau will in diesem Fall die Abschussvorrichtungen attackieren.

Washington - Die Analyse war vernichtend: „Für alle die Verrückten, die Syrien angreifen wollen: Die USA haben das unverzichtbare Überraschungsmoment verloren. Das ist so dumm. Es könnte im Desaster enden“, attackierte Donald Trump in einem Tweet die Debatten unter der damaligen Obama-Regierung. Das war vor viereinhalb Jahren.

Nun tat er am Mittwoch als Präsident genau dasselbe: „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschießen, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen“, kündigte Trump über Twitter an.   Die Androhung eines Militärschlags über den Kurznachrichtendienst ist höchst ungewöhnlich – überraschend kam sie nicht. Bereits kurz nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma hatte er erklärt: „Wir dürfen so etwas nicht durchgehen lassen.“

Die Antwort Moskaus folgte prompt: „Die Raketen sollten in Richtung der Terroristen fliegen und nicht in die der legitimen Regierung“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Facebook. Schon zuvor hatte Moskau angekündigt, es würde die Abschussvorrichtungen angreifen, von denen aus die Raketen abgefeuert würden.

Die militärische Führung um sich versammelt

Am Montag versammelte der US-Präsident die militärische Führung im Weißen Haus, um über Reaktionen zu beraten. Später sagte er eine für dieses Wochenende geplante Lateinamerika-Reise ab. Alle Optionen lägen auf dem Tisch, erklärte seine Sprecherin. Nach Trumps Twitter-Drohung blieb aber unklar, wie die militärische US-Reaktion aussehen könnte. Nach einem Giftgaseinsatz 2017 hatten die USA einen Militärflugplatz in Syrien mit 59 Marschflugkörpern beschossen. Doch die Aktion verfehlte die gewünschte Wirkung. Schon am nächsten Tag hoben dort wieder erste Maschinen ab. Nach amerikanischen Medienberichten herrscht im Weißen Haus die Sorge, dass ein erneuter punktueller Schlag ähnlich verpuffen könnte.   Die „New York Times“ berichtet, ein neuer Militärschlag solle deshalb umfangreicher sein. Denkbar sei, dass über mehrere Tage hinweg mehr als ein Ziel angegriffen werde.

In den vergangenen Tagen hat sich Trump telefonisch mehrfach mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron beraten. Auch Großbritannien, Saudi-Arabien und Katar hatten eine starke Reaktion gefordert. Allerdings verweisen Experten im Pentagon darauf, dass Syrien anders als die Taliban in Afghanistan oder die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) über eine wirksame Luftabwehr verfügt. Sollten die USA oder Frankreich also Bomber- oder Kampfflugzeuge schicken, um strategisch wichtige Ziele in Syrien zu zerstören, könnten die Maschinen abgeschossen werden und die Piloten ums Leben kommen, was den Konflikt dramatisch ausweiten würde.

Erkennbar keine Strategie

Ohnehin ist die Gefahr einer Eskalation groß, da Russland und der Iran den syrischen Machthaber Baschar al-Assad unterstützen.   Doch Trump fehlt nicht nur ein Plan für einen wirksamen Vergeltungsschlag, der nach Meinung der oppositionellen Demokraten vom Kongress gebilligt werden muss.  Er hat offenbar auch keine Strategie – und steht dazu innenpolitisch unter Druck. Nach dem Raketenangriff im vergangenen April hatte er monatelang das Interesse an Syrien verloren, das in seiner Politik keine Rolle mehr spielte. Im Gegenteil: Erst in der vergangenen Woche kündigte der Präsident überraschend an, er wolle die dort für den Kampf gegen den IS stationierten 2000 Soldaten bald abziehen.  

Davon ist nun keine Rede mehr. Seit dem Wochenende erregt sich Trump über das „Tier“ Assad, „das sein Volk tötet und das genießt“. Er droht mit Konsequenzen und geht dabei auch den Assad- Verbündeten Russland hart an. Er kritisierte dessen Präsident Wladimir Putin erstmals auf Twitter. „Unsere Beziehung zu Russland ist schlechter, als sie es je war“, twitterte er. „Es gibt die Theorie, das Unberechenbarkeit ein hilfreiches diplomatisches Werkzeug sein kann“, ätzte die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright daraufhin: „Aber permanente unberechenbare Unberechenbarkeit macht es für andere schwierig, unserer Politik zu folgen.“  

Tweets gegen die Lügenpresse

Vor seiner Breitseite gegen Russland hatte der US-Präsident im Morgengrauen schon mehrere Tweets gegen die angebliche Lügenpresse und die Russland-Ermittlungen abgefeuert. „Es gibt keine Zusammenarbeit (mit Russland, d. Red.) oder Behinderung (der Justiz, d. Red.), außer dass ich mich wehre“, wetterte er: „Und nun machen sie das Undenkbare und durchsuchen das Büro eines Anwalts nach Informationen. Schlimm!“ Nach amerikanischen Medienberichten ist Trump tatsächlich deutlich mehr über die Razzia wegen dubioser Schweigegeldzahlungen an seine Ex-Affäre Stormy Daniels aufgebracht als über den mutmaßlichen syrischen Giftgaseinsatz. Der Präsident soll am Dienstag hinter verschlossenen Türen stundenlang geschäumt haben. Die „New York Times“ zitiert zwei Augenzeugen, die von einer „Kernschmelze“ sprechen.

Langjährige politische Beobachter in den USA sind hoch besorgt, dass ein emotional aufgewühlter und politisch angeschlagener Präsident seine Temperamentsschwankungen nun außenpolitisch ausleben könnte. Tatsächlich schlug Trump am Mittwoch einen wirren Bogen vom Konflikt mit Russland in Syrien bis zur Arbeit des Sonderermittlers Robert Mueller. „Viel böses Blut mit Russland ist durch die falsche und korrupte Russland-Ermittlung entstanden. (...) Mueller hat größte Interessenkonflikte“, twitterte Trump kurz nach der Ankündigung des Militärschlags.