Schon sehr fortschrittlich: Eine junge Mennonitin in Pennsylvania auf Inlineskates. Foto: Peter Frischmuth

Amische leben auch heute noch in einer abgeschiedenen Welt. Besuche sind problemlos möglich und gewähren Einblicke in ihr Leben.

Holmes County - Amische sind in die Schlagzeilen geraten. Ein Überfall von Mitgliedern einer ultraorthodoxen Gemeinde aus Bergholz/Ohio auf weniger fanatische Gläubige, denen die Bärte abrasiert wurden, ahndete ein US-Gericht Anfang dieses Jahres als „Hassverbrechen“ mit langjährigen Haftstrafen. Ein Blick in eine Welt, die mitunter schwer zu verstehen ist: Graue oder schwarze Pferdekutschen auf den Landstraßen, die Männer im dunklen Anzug, mit Strohhut und Backenbart, die Frauen in gedeckter Kleidung, mit Schürze und Haube für die Haare. Nur eineinhalb Autostunden südlich der Metropole Cleveland am Ufer des Eriesees erstreckt sich das beschauliche Holmes County mit Feldern, Wiesen, Dörfern und eingestreuten Bauernhöfen.

Flucht vor religiöser Unterdrückung

Hier leben einige Zehntausend Amische und Mennoniten unterschiedlicher Glaubensausrichtung. Ihre Vorfahren, die ihre Wurzeln in der reformatorischen Täuferbewegung hatten, sind vor gut 250 Jahren aus den Rheinlanden auf der Flucht vor religiöser Unterdrückung in die USA ausgewandert. Sie sprechen untereinander noch heute in einem Dialekt, der dem Pfälzischen ähnelt. Sie werden nach ihrer ersten Siedlungsregion in den USA meist „Pennsylvania German“ genannt, und ihre Familien heißen Wurthmann, Schrock oder Lehman. Die meisten lernen auch in der achten Auswanderergeneration in der Familie zunächst Deutsch. Englisch wird erst an der Dorfschule als Fremdsprache unterrichtet.

An ihrer Lebensweise hat sich seit dem 18. Jahrhundert nur wenig geändert. Viele lehnen nach wie vor Maschinen, Elektrizität oder Fernsehen ab. Sie bewirtschaften ihr Land mit Pferden, zahlen keine Steuern, gehen nicht zu Wahlen und auch nicht zum Militär. Fremde werden misstrauisch beäugt. Doch wer ihr Vertrauen erlangt und ihre Regeln nicht missachtet, erfährt viel über ihr Leben und darf daran teilhaben. Bei den rigiden „Old Order“-Amischen sind sogar Knöpfe an der Kleidung verpönt, sie schließen Jacken und Hemden mit Nadeln oder Spangen. Elektrizität ist für sie Teufelszeug. Gas oder Kerosin wird zum Heizen, Kühlen oder Beleuchten verwandt. Ihre pechschwarzen Pferdekutschen haben nirgends Fenster, weil dies zu ungebührlicher Neugier herausfordern würde. Andere, wie die moderaten Beachy Amisch, nutzen Trecker für die Feldarbeit oder sogar Autos als Fortbewegungsmittel.

Nach der Heirat rasieren sich die Männer nicht mehr

Wichtig ist bei allen die Gemeinschaft, der die jugendlichen „Rumspringa“ erst nach ihrer Taufe mit etwa 15 Jahren als volle Mitglieder beitreten. Junge Paare heiraten zwischen September und dem Ende des Jahres. Danach besuchen sie für einige Zeit Verwandte auf deren Höfen und erhalten dort ihre Hochzeitsgeschenke. Im Frühling kommen alle zusammen und bauen der neu gegründeten Familie ein Haus mit Scheune und Ställen. Nach der Heirat rasieren sich die Männer nicht mehr und lassen ihre Bärte wachsen. Ein Abschneiden wird als tiefe Erniedrigung empfunden. Die Amischen und Mennoniten gehören zu den stabilsten Religionsgemeinschaften in den USA, auf eine Familie kommen im Durchschnitt sechs bis sieben Kinder.

Beim Bäcker, im Restaurant oder auf dem Kirchgang ist der Anblick junger Frauen von nicht einmal 25 Jahren mit drei oder vier kleinen Kindern keine Seltenheit. In Holmes County/Ohio leben etwa 40 000 strenggläubige Amische und Mennoniten, in Lancaster County nicht weit von Philadelphia noch einmal so viele. Inzwischen gibt es in anderen Regionen von Ohio und Pennsylvania, aber auch in New York, in Iowa und in Wisconsin mehrere Gemeinden mit 300 bis 1000 Mitgliedern. Das Leben der Amischen und ihr Verzicht auf die meisten modernen Errungenschaften erscheinen in der heutigen Zeit wie ein Anachronismus. Ihr Gemeinschaftsgedanke erscheint vielen in einer immer mehr auf individueller Konkurrenz gegründeten Gesellschaft als besonders attraktiv. Kein Wunder, dass Bus- und Besichtigungstouren durch das „Amish County“ von Ohio so beliebt sind.

Infos zu Ohio

Anreise
Nach Cleveland und Columbus in Ohio oder Pittsburgh in Pennsylvania, z. B. mit Lufthansa, www.lufthansa.com , dann ca. zweistündige Fahrt mit dem Mietwagen. Flüge ab Deutschland, Österreich und der Schweiz ab ca. 780 Euro, Mietwagen für eine Woche inkl. Steuern und Gebühren ab 150 Euro.

Unterkunft
White Oak Inn, 29683 Walhonding Road, Danville, www.whiteoakinn.com .

Bed-&-Breakfast-Herberge in großem Garten. Ü/F im DZ ab 110 Euro. Barn Inn, 6838 County Road 203, Millersburg, www.thebarninn.com .

Gemütliches B&B im Herzen des Amish Country. Ü/F im DZ ab 90 Euro. Berlin Village Inn, 5135 State Route 39, Berlin, www.berlinvillageinn.com .

Ordentliches Motel, DZ ab 40 Euro.

Essen und Trinken
Boyd & Wurthmann Restaurant, 4819 East Main Street, Berlin. Schmackhafte Hausmannskost, herzhafte Desserts.

Der Dutchman Restaurant, 4967 Walnut Street, Walnut Creek. Großes Restaurant mit ebenso großen Portionen.

Allgemeine Informationen
Holmes County Tourist Board, www.visitamishcountry.com .

Amish Heartland Tours, Berlin, Holmes County, www.amishheartlandtours.com .