Sarasota von seiner besten Seite: Hinter dem Hafen mit dem türkisblauen Wasser erhebt sich die City - doch die Ausmaße der Stadt entsprechen europäischen Verhältnissen. Foto: SoAk

Das sonnige Sarasota an Floridas Golfküste war einst das Winterquartier für das berühmteste Zirkusunternehmen der Vereinigten Staaten.

Sarasota - Neugier, Sensationslust, eine Prise Gefahr - das lockte die Massen vor 100 Jahren. Der Zirkus befriedigte diese Lust am Staunen und Zittern, am Lachen und Weinen in riesigen Zelten. In der goldenen Ära von 1880 bis 1930 konnten sich die Direktoren eine goldene Nase mit Attraktionen verdienen; John Ringling war der erfolgreichste. Seine Eltern waren aus Hannover in die USA eingewandert, änderten den Namen von Rüngeling in Ringling - und John trat 1870 mit vier Jahren im Clownkostüm vor Freunden auf. Einen Cent verlangten er und seine Brüder. Einige Jahrzehnte später besaß der Mann das Zirkusunternehmen Ringling Brothers, Barnum and Bailey („The Greatest Show on Earth“) sowie einige Millionen Dollar. Ihm gehörte eine mondäne Villa mit riesigem Park sowie ein Museum, mit vielen Original-Gemälden.

John Ringling hatte Sarasota am Golf von Mexiko als Winterquartier gewählt. Dort konnte er die Seele baumeln lassen, nachdem er und sein Ensemble in der Zirkussaison an die 40 000 Kilometer zurückgelegt hatten, unterwegs von Stadt zu Stadt in einem Zug mit gut 100 Waggons. Sarasota bot ihm und Ehefrau Mabel alles, was sie brauchten. Ein angenehmes Klima, ein wohltemperiertes Meer, eine Stadt und naturbelassenes Land. Ringling ließ 1924 eine Villa am Ufer im italienischen Stil errichten, die er Ca’ d’Zan (Johns Haus) nannte; die aber eigentlich ein kleiner Palast war. Mabel beschaffte die exquisite Einrichtung und legte ein Rosenbeet an. Um die Sinne zu beglücken, ließ der Unternehmer nahe der Villa ein Museum bauen, in dem er seine Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Fotografien stetig aufstockte.

Die Wintergäste kommen aus dem Norden des Kontinents

Auf 10 000 Objekte ist das Inventar heute gewachsen, darunter Werke von Rubens. Im Innenhof befindet sich ein Skulpturengarten mit Springbrunnen, im Zentrum ragt eine Bronzekopie von Michelangelos David in den Himmel - und dahinter öffnet sich der Blick aufs Meer. Das Paradies des Zirkuskönigs. An Ringling nahmen sich viele ein Beispiel; nicht dass jeder eine mondäne Villa ans Ufer stellte, aber Sarasota County ist ein beliebtes Domizil für Leute, die Kälte so wenig schätzen wie eine Bilddarmentzündung an Heiligabend. Die Wintergäste kommen aus dem Norden des Kontinents, Talkmasterin Oprah Winfrey und Autor Stephen King sind solche Zugvögel. Auch unter den Dauerbewohnern sind Promis wie AC/DC-Röhre Brian Johnson und Ex-Tennisstar Monica Seles. „Ich bin aus St. Louis“, sagt Bob, „und lebe hier schon lange, ich liebe das Klima.“

Bob, Ende fünfzig, chauffiert Gäste auf einem sechssitzigen Golfmobil durch die Kleinstadt Venice. „Gründer John Nolen hat die Stadt 1926 nach Venedig benannt, weil ihm diese Stadt gefiel“, erzählt er auf der Elektrofahrt durch die breiten Straßen, an denen schicke Einfamilienhäuser hinter gepflegten Gärten stehen. Der Name Venice weckt Neugier und lockt Gäste an; Venice Beach in Florida klingt gut - dieser PR-Schachzug spukte Nolen einst aber nicht durch den Kopf. Venice hat mit der Lagunenstadt in Italien nur gemein, dass beide am Meer liegen und dass im US-Ableger einige historische Gebäude Venedig-Charme verströmen.

Wie die große Schwester Sarasota, so ist auch Venice eine Oase der Erholung - im 20. Jahrhundert besuchten Erfinder Thomas Alva Edison, Auto-Fabrikant Henry Ford oder Baseball-Star Babe Ruth ein Hotel, das schon 1927 ein Wellness-Spa anbot. Später kam auch die Kleinstadt zu Zirkusehren: Von 1960 bis 1992 ließ der Erbe John Ringling-North das Winterquartier von Ringling Bros. and Barnum & Bailey in Venice aufschlagen; Bis 1997 bildete der Zirkus hier im Clown-College seine Spaßmacher aus. Liegt ja nahe: Wer gute Laune verbreiten soll, muss sich wohlfühlen. Auch der deutschstämmige Gunther Gebel, der als Tierdompteur Weltruhm erlangte, lebte von 1969 bis zu seinem Tod 2001 in Venice. Heute ist die Bevölkerung jedoch ein wenig überaltert. „Der Altersdurchschnitt in Venice beträgt 67 Jahre“, sagt Bob.

„Es gibt hier eine deutsche Community“

In Siesta Beach ist das anders, obwohl auch dieser Name lügt. Hier sagen sich nicht Pelikan und Delfin Good night, Siesta Beach ist ein Fleckchen, das auf Mallorca passen würde mit Restaurants, Imbissbuden, Souvenirshops - jedoch können mallorquinische Orte wie Cala Millor oder Cala Ratjada nicht mit einem Strand protzen, der zu 99,9 Prozent aus Quarz besteht. Weiß wie Schnee und fein wie Puderzucker, weshalb der Strand 2011 von Strandexperte Stephen Leatherman zur Nummer eins der USA erklärt wurde. Bettina Miller schaut Anglern und Möwen zu; sie hat Deutschland der Liebe wegen vor zwei Jahren verlassen. „Es gibt hier eine deutsche Community“, sagt die Mittvierzigerin, der das Wort Gemeinschaft nicht mehr so leicht über die Lippen geht, „Sarasota ist ein kulturelles Zentrum für Künstler und Schauspieler.“

Die Stadt besitzt mehrere Colleges, wie etwa für Mode und Design, sowie zwei Unis. Die Ansammlung an Schöngeistigem ist auch Kunstfreund Ringling zu verdanken. Nun siedeln sich auch Jüngere an der Westküste Floridas an, was Bettina schätzt: „Früher wurden abends die Gehwege hochgeklappt. Heute ist das anders.“ Im Oscar-Scherer-Park muss keiner Gehsteige hochklappen - es hat in dem 5,7 Quadratkilometer großen Schutzgebiet keine. Dafür Landschaft, Wasser, Vögel und Alligatoren. „Wenn sie größer als fünf Fuß sind“, sagt Aufseherin Ashley, „werden sie gefangen und woanders freigelassen.“ Fünf Fuß sind etwa 1,50 Meter; die Exemplare in den Everglades bringen es auf deutlich mehr. Der Park ist eine Art Everglades light, wo man gemütlich im Kanu paddelt. Selbst kentern ist ungefährlich.

„Stehen Sie hin, wenn das Kanu kippt“, sagt Ashley, „das Wasser ist nur hüfthoch.“ Seltene Tierarten leben in den Mangrovenwäldern und den Waldgebieten - genau das Richtige für Naturliebhaber, die nicht auf die angenehmen Seiten der Zivilisation verzichten wollen. Sarasota mit rund 50 000 Einwohnern ist nahe, mit schicken Geschäften, feinen Restaurants und Bars, mit Sportmöglichkeiten und vielen erstklassigen Hotels auf den der Küste vorgelagerten Sarasota Keys. Ein Paradies; nicht zufällig trägt die Stadt diesen Spitznamen. Es war nicht nur für John Ringling eines. Als er mit 70 starb, hatte er noch 300 Dollar. Die Wirtschaftskrise hatte ihm zugesetzt, er hatte sein Vermögen in Villa, Museum und Kunst gesteckt. Aber der Zirkuskönig gab Sarasota viel zurück: Er vermachte ihr Villa und Museum - heute ist Ca’ d’Zan eine Attraktion. Ganz ohne Manege.

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu Sarasota County

Anreise
Direktflüge von Deutschland nach Sarasota an Floridas Golfküste gibt es nicht, einmal umsteigen muss sein. Es gibt zahlreiche Verbindungen, etwa mit US Airways ( www.usairways.com ) oder Delta Airways ( www.de.delta.com ) ab Frankfurt ab 600 Euro.

Unterkunft
Auf den Sarasota Keys bietet das Resort at Longboat Key Club Komfort, Wellness und Sport. Die günstigsten Zimmer sind für etwa 200 Euro pro Nacht zu haben, www.longboatkeyclub.com

Das Sandpiper Inn ist klein und fein. Die Zimmerpreise beginnen bei 130 Euro, www.sandpiperinn.com

Sehenswürdigkeiten
The Ringling: Abwechslung mal drei am einstigen Wohnsitz von John Ringling: Im Museum ist alles rund um den Zirkus zu finden, die Villa Ca’ d’Zan verleitet zum Träumen, das Museum bietet Kunstgenuss. 20 Euro Eintritt, www.ringling.org

Selbys botanische Gärten: 39 000 Quadratmeter große Oase mit tropischen Pflanzen sowie über 6000 Orchideen und 3600 Bromelien. Der Eintritt kostet 14 Euro, www.selby.org

Mote Aquarium: Das Aquarium ist eine Forschungsstation für Seekühe und ein Delfin-Krankenhaus, natürlich kann man auch Haie und andere Meeresbewohner beobachten. 12 Euro Eintritt, www.mote.org

Oscar Scherer Park: Der 5,7 Quadratmeter große Naturpark beherbergt zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Auch Aktivitäten wie Radfahren, Fischen, Schnorcheln und Schwimmen sind möglich. Eintritt: 3 Euro, www.floridastateparks.org/oscarscherer

Allgemeine Informationen
www.visitsarasota.org

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