Wie ein "Easy Rider" durch die Landschaft. Foto: Juhran

Mit der Harley von Los Angeles nach Las Vegas – davon träumt jeder "Easy Rider"-Fan. Eine Tour.

Die Zauberformel ist banal: "Hi, you guys, where you're from?" Hey, Jungs, wo seid ihr her? Sie garantiert jedoch Kontakt zu jedem amerikanischen Motorradfahrer, die man Biker nennt. Hier im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das uns der Kultfilm "Easy Rider" nahebrachte.

Steppenwolf sang dazu "Born to Be Wild", es waren die wilden 60er Jahre, und die kunterbunte Flower-Power-Bewegung hatte sich auf die Straße verlagert – die Route 66, Traumstraße bis heute. Hier begegne ich Jack, auf einer Landstraße im Südosten Kaliforniens. Ich nenne ihn so, seinen richtigen Namen will er nicht veröffentlicht wissen. Er kommt den Berg hochgerumpelt und parkt seine Harley neben meiner Maschine auf dem Parkplatz beim Restaurant Lookout Road House, von wo man einen schönen Blick auf den Lake Elsinore genießt, die letzte offene Wasserfläche vor der Wüste.

Jack sieht so aus, wie ein Biker aussehen muss: großflächig tätowierte Arme, Totenkopf-T-Shirt, Kopfschutz in Form eines Stahlhelms. Er wirkt zum Fürchten – aber nur auf den ersten Blick. Wir reden über Routen, Reifen, Motels und Motoren. Uns vereint das Gefühl des Harley-Davidson-Fahrens. Sechs Tage lang bin auch ich zum ersten Mal Fahrer einer solchen Maschine. Modell Fat Boy. Jack hat ein 80000-Dollar-Bike. Spezialanfertigung, sagt er. Er nennt ein paar technische Details. Ich fühle mich leicht überfordert als Biker, der seinen alten Honda-Chopper wegen jeder Kleinigkeit in die Werkstatt bringt. Aber ich staune. Zum Beispiel über die gigantisch breite Walze, die ich als Hinterrad identifizieren kann. Weit nach oben ragt der Lenker an der endlos langen Teleskopgabel. Dazwischen liegen ein schlanker Tank und der chromblitzende Motorblock.

Auf meinem Motorrad sitze ich wie auf Abrahams Sitzbank, der Harley-Schoß ist breit und bequem, dabei in einer Höhe, die auch einem etwas kurz geratenen Fahrer festen Boden unter den Füßen garantiert. Schwer sind die Maschinen – mit 330 Kilogramm gehört meine noch zu den leichten. Aber beim Fahren merkt man das nicht. Man fährt entspannt, die Füße auf den Trittbrettern, wie auf einem Sofa. Abends bin ich staubig und verschwitzt, aber keineswegs kaputt.

Zwischenfälle gibt es höchstens beim Absteigen auf unebenem Gelände. Dann heißt es Bein hoch und aus der Gefahrenzone bringen, die Maschine fallen lassen. Zu Bruch geht dank der Sturzbügel nichts. Mitfahrer helfen, das Bike wieder aufzurichten. Ich bin einer von 13 Bikern, die von Los Angeles nach Las Vegas 1400 Meilen (etwa 2200 Kilometer) über die Route 66 und durch die Nationalparks von Kalifornien, Arizona, Utah und Nevada cruisen. Ich gebe mich dem amerikanischen Traum der grenzenlosen Weite hin, genieße Sonne und die archaische Felslandschaft. Und ich lasse hin und wieder jeden wissen, wie viele Dezibel mein Motor zu bieten hat. "Easy Rider" lässt grüßen. Dauernd begegnen mir andere Biker. Paare, Grüppchen, Pulks von 20, 30 Motorrädern. Alle recken die linke Hand lässig bis maximal auf Tankhöhe zum Gruß.

Die gut gepflegten Maschinen stammen aus dem Stall von Bike-Verleiher Eagle Rider. Um Route, Tank- und Imbissrast, Technik-Check und Gepäcktransport kümmern sich drei Profis: Laura mit dem blonden Zopf, Mike mit der rotblonden Mähne und der deutschstämmige Peter mit dem Frank-Zappa-Bärtchen. Ich konzentriere mich ganz aufs Gasgeben und Gucken. Damit die Gruppe wie am Schnürchen durch die Landschaften rollen kann, haben wir Hand- und Fußzeichen vereinbart, die wie eine La Ola von vorn nach hinten wandern. So wird signalisiert: rechts/links abbiegen. Vorsicht, Hindernis! Achtung, Cops!

Bei all der Harley-Seligkeit behalte ich die grandiose Natur im Blick. Die Wüste ist heiß und kahl, in ihrem Minimalismus berückend schön. Am Abend sind wir in Palm Springs, das Winterwohnquartier der Hollywood-Größen. Noch vor dem Einchecken im Motel gibt es ein Parkplatzbier: die erste Dose nach einem staubigen Tag. Jetzt bleiben die Maschinen stehen, da ist Alkohol erlaubt. Auch das ist Biker-Tradition.

Am nächsten Tag sind es um 12 Uhr mittags schon fast 40 Grad. Zwischen kahlen Hängen ragen Joshua-Palmlilien auf. Sie erheben ihre Äste wie um Wasser flehend zum Himmel. Trotz Hitze kraxle ich im Joshua-Tree-Nationalpark 30 Meter auf einen Granitbrocken und genieße die Fernsicht. Gegen die Hitze gibt es ein probates Mittel. Eiswasser aus der Kühlbox auf das T-Shirt schütten und die Motorradjacke drüberziehen. Die Verdunstungskälte bewahrt vor dem Hitzschlag und hält ein, zwei Stunden an. In Amboy treffen wir auf die Route66. Fürs Erinnerungsfoto lege ich mich mit den anderen jammernd, aber auch lachend auf den kochenden Asphalt. Schnell das Transparent mit dem Route-66-Logo entrollt und die Fotos gemacht, bevor wieder Biker herandonnern! Diese Straße ist eine Legende, ab 1926 war sie die erste durchgehende Ost-West-Verbindung der USA, der 4000 Kilometer lange Asphalt gewordene Traum von Weite und Freiheit. Heute rollen über weite Strecken nur noch Biker und Nostalgiker, die schnelle Verbindung liegt als begradigter Highway abseits. Aus prosperierenden Städten sind verlassene Nester geworden. Eine Tankstelle mit Bar und Souvenirladen im 60er-Jahre-Stil gibt es in Amboy noch.

Immer wieder gibt es Spaß auf der Strecke. Zum Beispiel im urigen Roadkill Cafe in Seligman. Roadkill meint jene Tiere, die unter die Räder geraten sind. Der nicht ganz ernst gemeinte Werbeslogan lautet "You kill it, we grill it". Die Gerichte im Café tragen so skurrile Namen wie "Das Huhn, das es fast über die Straße schaffte" oder "Die Kuh, die vom Kühlergrill fiel".

Vor dem Restaurant der Trading Post im Navajo-Reservat werde ich selbst zur Touristenattraktion: Eine französische Reisegruppe, Generation 60 plus, fotografiert die Motorradbande. Ein paar trauen sich und lassen sich fotografieren. Wir posieren mit kichernden älteren Damen. Diese Rocker waren wirklich nett, charmant, werden sie zu Hause erzählen. Wir lachen mit. Ganz still werden indes alle am Grand Canyon. Da stehen wir vor dem 1,6 Kilometer tiefen Abgrund, bewundern das Spiel des schräg einfallenden Abendlichts. Im Bryce Canyon weiter nördlich fließt kein Wasser, er ist mehr Felsen-Amphitheater denn Schlucht. Zwischen den Theatersitzen spitze Nadeln, massive Türme, wackelige Blöcke.

Der letzte Tag der Tour. Ich fröstle. Auf den gut 2500 Höhenmetern des Colorado-Plateaus ist das Thermometer auf fünf Grad gefallen. Doch das ändert sich schnell. Durch den Zion National Park und die Wüste Nevadas geht es zum Ziel des Trips, der Spielermetropole Las Vegas. Der Gegensatz zu der Felslandschaft könnte nicht größer sein: Häusermeer, Verkehrsgewusel, Leuchtreklame, flimmernd, bunt und laut. Nach 2200 Kilometern verabschiede ich mich von den anderen – mit viel Wehmut.


Anreise
Condor fliegt direkt von Frankfurt in die Spielerstadt Las Vegas und zurück, Tickets gibt es ab etwa 800 Euro, Delta bietet Flüge mit Umsteigen in New York für etwa 670 Euro an.

Preise
Der günstige Dollarkurs macht Reisen nach Amerika zurzeit sehr interessant.br> 1 Liter Benzinetwa 63 Eurocent
1 Glas Bier 2,80 Euro
1 Hauptgericht 8,40 Euro

Sicherheitshinweise
Auch wenn in einigen US-Staaten das Tragen eines Helms nicht vorgeschrieben ist, sollte man darauf nicht verzichten. Das Umkippen einer mehr als 350 Kilogramm schweren Maschine im lockeren Sand beim Abstellen stellt wegen der stabilen Seitenbügel kein Problem dar, ohne helfende Hand kann das Aufrichten aber zur Tortur werden.

Allgemeine Informationen
Auf der Route 66 sorgen Bikerstopps, wie das Roadkill Cafe in Seligman, für Abwechslung. Kurz vor Page, der Stadt am Glen-Canyon-Damm, lohnt ein Abstecher zum Horseshoe Bend. Die 15-minütige Wanderung wird mit einem grandiosen Panoramablick auf den Colorado belohnt, der hier eine Schleife in den Fels gegraben hat.

Arizona Office of Tourism, www.arizonaguide.com; Utah Office of Tourism, c/o Get It Across Marketing & PR, Telefon 0221/2336406; www.visitutah.eu, www.getitacross.de.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall rechtzeitig die elektronische Einreiseerlaubnis beantragen, im Internet unter https://esta.cbp.dhs.gov. Möglichst drei Monate vor Reiseantritt Maschine wählen, www.eaglerider.com.

Auf keinen Fall als ungeübter Fahrer ohne eine Probefahrt mit der ausgewählten Maschine starten. Wer Wert auf gute Betreuung legt, kann unter www.tui.com eine geführte Tour buchen.