Besucher im Open-Air-Bus beim Schlachtfeld von Gettysburg. Foto: DPA

Vor 150 Jahren tobte in den USA ein Bürgerkrieg: Nun erinnern Veranstaltungen an das Gemetzel.

Vicksburg unter Feuer. Wie 1863, als die Stadt im südlichen Mississippi mit der Schlacht von Vicksburg in die Geschichte einging. Diesmal wird die Innenstadt aber aus Lautsprechern beschallt. Sie hängen an Laternen und in Sträuchern, nicht allen gefällt das. Aber die Stadtverwaltung findet, sie beglücke ihre Bürger. Teilweise ist die Popmusik so laut, dass selbst der Zug mit 88 vollgeladenen Güterwaggons, der am Mississippi entlangrumpelt, sie nicht übertönt. "Manche ältere Leute gehen nur noch mit Ohropax in die City", witzelt Macy Withney. "Aber wir im Süden überstehen alles, Gelbfieber, Malaria, Tornados, Krieg und Wirtschaftseinbrüche. Mein Nachbar sagte vor Obamas Wahl: Eher fliegen Schweine durch die Luft, als dass ein Neger in Amerika Präsident wird. Er hat sich geirrt, die Welt dreht sich weiter."

Dann zeigt uns die Southern Grand Old Lady, groß gewachsen und blond, eine geborene Klein mit deutschen Vorfahren, die das Bankwesen in der Stadt im Mississippi-Delta in Gang brachten, ihr Antebellum-Elternhaus. Sie kann es nur halten, weil sie einige Zimmer als Bed & Breakfast vermietet, so großzügig haben einst die Baumwollkönige gewohnt. Schwere Teppiche, breite Sofas, Sessel wie für die Ewigkeit geschreinert. Überall Bilder aus den guten alten Zeiten, Landkarten, Urkunden. Wuchtige Schränke, Kommoden und Tische, Betten mit Baldachin und alles umgeben von einem Park, in dem man auch spazieren kann. Macy Withney inszeniert den Alten Süden als Wohlstand und Reichtum.

Wenn es um Fun geht, schrecken Amerikaner vor keiner Inszenierung zurück. In Montgomery in Alabama wird im April die Amtseinführung eines Präsidenten nachgestellt, der Jefferson Davis hieß. Nie vom Volk gewählt, ließ er sich dennoch vereidigen, auf Soldaten in amerikanischer Uniform schießen, das Sternenbanner von Masten reißen und kündigte an, die Yankee-Bande in Washington zu vernichten. Ein Drittel seiner Untertanen waren Sklaven, entrechtet, in Ketten, nach Belieben ausgepeitscht und verkauft. Der Politiker, der nun gefeiert wird, war vier Jahre Präsident der Konföderierten Staaten von Amerika, das Südstaatensystem wurde von keinem Land diplomatisch anerkannt.

Das 150. Jubiläum des Beginns des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865) spaltet das Land noch einmal. Auch touristisch, denn im Norden, in den Unionsstaaten, wird der Opfer des Civil War anders gedacht als in den Südstaaten. Die "re-enactments", das Nachstellen historischer Ereignisse mit Laienschauspielern und Geschichtsenthusiasten, könnte unterschiedlicher nicht ausfallen. Überall geht es um Militärstrategie, Feldherrnkunst, Generäle und Kanonen – aber völlig disparat. Der Norden verteidigte die Ideale des Gründungsjahres der Vereinigten Staaten 1776, "Life, Liberty and the Pursuit of Happiness", wie Thomas Jefferson verkündete. Der Süden kämpfte um Beibehaltung der Sklaverei, die Baumwolle sollte weiter billig, aber profitabel gepflückt werden. Aber zu welchem Blutzoll: 620000 Menschen verloren in vier Jahren ihr Leben, 237 Schlachten und Gefechte sind gelistet, zudem zehntausend militärische Rangeleien.

Amerikas Bürgerkrieg war das blutigste Gemetzel des 19. Jahrhunderts, weil Unionisten und Konföderierte nicht miteinander sprachen, nur aufeinander schossen. Der Norden gewann durch materielle Überlegenheit – 21Millionen Yankees standen fünf Millionen Südstaatlern gegenüber –, aber ohne Fortune. Im Süden war ein Viertel der kriegstauglichen Weißen tot, die Erde verbrannt, die Ehre dahin. Der Patriotismus lebt aber, im Norden wie im Süden. Der Bürgerkrieg ist eben nicht nur die entscheidende Wende der amerikanischen Geschichte, sondern auch ein Trauma. Die Vereinigten Staaten erbeben wieder beim Rückblick auf das monumentale Ereignis. Der US-Besucher, der in diesem Jahr nach Washington, Virginia oder Maryland reist, erlebt dort ein ganz anderes Gedenken an die größte nationale Katastrophe als der Tourist in Georgia, Mississippi und South Carolina. Hier die Darstellung grandioser Wiederherstellung der amerikanischen Union nach ihrem Zerfall, dort die Schande der verlorenen Abspaltung. Amerika, gespalten.

Vicksburg am südlichsten Ufer des Deltas war das Faustpfand des Südens, es hockt strategisch günstig auf einer Klippe oberhalb des Mississippi. Nordstaaten-General Ulysses S. Grant belagerte 1863 die Stadt 47 Tage, bis sie kapitulierte – ausgerechnet am 4. Juli, dem Nationalfeiertag –, und die Union hatte nun die Hoheit über Amerikas größten Fluss. Diese finale Schlacht haben viele Kinder in den USA mit Zinnsoldaten nachgespielt, deshalb erkennen sie die auf Tafeln demonstrierten Stellungen der Armeen, der Kanonen und der Schlüsselereignisse sofort wieder. Der Friedhof für die 17000 Unionstoten ist bewacht, man nimmt den Militärs heute noch übel, dass sie die Konföderierten-Toten auf dem Schlachtfeld liegen oder von deren Kameraden hastig verscharren ließen. Im Mai und August werden viele Male Schlachtszenen nachgestellt, mit Audioguides kann man auf einer Autotour die 25,5 Kilometer langen Markierungen abfahren und hört einiges über die Tapferkeit der Südstaatenleute. Das Sternenbanner flattert nirgendwo im Wind.

Macy Withney freut sich über Besucher, die Südstaaten-Geschichte interessiert. Sie lädt uns ein zum Frühstück, eine schwarze Bedienung gießt frisch gepressten Orangensaft in altmodische Gläser und trägt Eier Benedict auf. Wir reden über den Krieg, die marodierende Soldateska, die Verwüstungen. "Es war alles sinnlos", sagt Macy Withney. Es bleibt offen, was genau sie meint.

USA

Anreise
Mit Delta Airlines von Amsterdam nach Memphis, Tennessee. Es gibt gute Zubringerverbindungen mit KLM von allen deutschen Flughäfen. Die Ticketpreise beginnen bei 550 Euro, inklusive Zubringer. Von Memphis mit Mietwagen oder Zug nach Vicksburg, Mississippi, www.visitvicksburg.com.

Unterkunft
The Corner's Mansions Inn Bed & Breakfast, 601 Klein Street, Vicksburg, www.thecorners.com, Zimmer ab 125 Dollar (ca. 89 Euro).

150 Jahre Amerikanischer Bürgerkrieg
Alle Sehenswürdigkeiten, die mit dem Bürgerkrieg zusammenhängen, werden unter www.civilwartraveller.com aufgeführt, dazu gibt es Reisetipps. Unter anderem gibt es folgene Sehenswürdigkeiten:

Fort Sumter, Charleston, South Carolina: Am 12. April 1861 begann hier der Bürgerkrieg. Im Warren Lasch Convention Center in Charleston (www.hunley.org) werden Überreste des U-Bootes CSS Hunley ausgestellt, mit dem Konföderierte die Blockade der Union durchbrechen wollten.

Manassas National Battlefield, Virginia: "Bull Run", die erste Schlacht des Bürgerkriegs, fand an der Peripherie Washingtons statt. Die Unionisten verloren gegen die Rebellion der Konföderierten (www.nps.gov/mana). USS Monitor Center/Mariners Museum, Newport News, Virginia: Am 9. März 1862 leitete die Seeschlacht zweier Panzerschiffe ein neues Zeitalter in der Kriegsführung ein. Die Reste der USS Monitor wurden gehoben und ausgestellt (www.mariners-museum.org).

Richmond, Virginia: Die Stadt ist von mehreren Schlachtfeldern des Juni 1862 umgeben. Dargestellt im Museum and White House of the Confederacy (www.moc.org).

Antietam, Maryland: Der 17. September 1862 war der blutigste Tag der amerikanischen Geschichte. Der Vormarsch der Südstaatler auf das Territorium der Unionisten wurde mit brutaler Macht gestoppt (www.nps.gov/anti).

Gettysburg, Pennsylvania: Im Juli 1863 kam es hier zur entscheidenden Schlacht. Kurz darauf weihte Präsident Lincoln den Friedhof für Unionsgefallene ein (www.gettysburgcivilwar150.com).

Appomattox Court House National Historic Park, Virginia: Im Haus des Farmers Wilmer McLean unterschrieb Konföderierten-General Robert E. Lee 1865 die Kapitulation (www.nps.gov/apco).

Ford's Theatre, Washington, D.C.: Am 14. April 1865 wurde Präsident Abraham Lincoln im schönsten Theater der Hauptstadt vom Schauspieler John Wolkes Booth angeschossen, er starb am Tag darauf (www.fordstheatre.org).

Andersonville National Historic Site, Georgia: Riesiges Kriegsgefangenenlager, über 12000 Unionsgefangene starben an Unterernährung und Seuchen (www.nps.gov/ande).

National Civil War Medicine Museum, Frederick, Maryland: Ein Drittel der 620000 Toten starb an Ruhr, Typhus, Malaria und nicht versorgten Verwundungen, weil sie als Feinde gehasst wurden (www.civilwarmed.org).

Literatur
John Keegans "Der amerikanische Bürgerkrieg", Rowohlt, 512 Seiten, 26,95 Euro, ist das Standardwerk zum Thema.