Kanzler Scholz (l.) beim Staatsbesuch in Washington. Er bezeichnet US-Präsident Biden als „Freund“. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach dem Rückzug von Joe Biden als Präsidentschaftsbewerber der Demokraten blickt auch die deutsche Politik gespannt in die USA. Bidens mögliche Nachfolgerin Kamala Harris ist in Berlin keine Unbekannte.

Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA hat noch nicht einmal die heiße Phase erreicht – und ist schon jetzt historisch. Nachdem der republikanische Bewerber Donald Trump von einem Attentäter angeschossen wurde, gab es eine weitere brisante Wendung: Der amtierende Präsident Joe Biden bewirbt sich nicht um eine zweite Amtszeit. Bei den Demokraten läuft es auf eine Kandidatur der derzeitigen Vizepräsidentin Kamala Harris hinaus. Die deutsche Politik verfolgt die Lage in den USA genau.

Kanzler Olaf Scholz hatte kurz nach Bekanntwerden der Nachricht auf der Plattform „X“ geäußert. Scholz bezeichnete Biden als „Freund“ und sagte: „Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die NATO stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für uns.“ Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdiene Anerkennung.

Lob gab es auch von Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne). Er sagte: „US-Präsident Joe Biden hat sich und seine ganze Kraft in den Dienst der demokratischen Institutionen gestellt und für sie gekämpft.“ Seine Entscheidung sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen, erfülle ihn mit tiefer Hochachtung. Der CDU-Vorsitzender Friedrich Merz sagte: „Joe Biden hat mehr als fünf Jahrzehnte lang dem amerikanischen Volk gedient. Seine heutige Entscheidung verdient größten Respekt.“

Neben den vielen wohlwollenden Worten für Biden schlug lediglich die AfD einen anderen Ton an. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch schrieb bei X: „Ich bedaure den Verzicht von Biden auf die Präsidentschaftskandidatur. Er war der beste Wahlkämpfer, den Trump hatte.“

Die grundsätzliche Lage ändert sich für Deutschland nach dem Wechsel der Kandidatur bei den US-Demokraten nicht. Ein Wahlsieg von Trump käme der Bundesregierung nach wie vor deutlich ungelegener. Immer wieder stellt er die Unterstützung für die Ukraine in Frage. In seinem Wahlprogramm fordert er sogar, die Europäer sollten die von den USA geleistete Unterstützung an die Ukraine zurückzahlen. Dabei stellt er die Summe von 200 Milliarden Dollar in den Raum. Außerdem behauptete Trump, er könne den Krieg zwischen Russland und der Ukraine „innerhalb von 24 Stunden“ beenden. Russische Stellen haben dieser Einschätzung bereits widersprochen. Doch man fürchtet in Europa, dass Trump als US-Präsident die Ukraine zu weitreichenden Zugeständnissen an Russland zwingen könnte.

Die Sorge davor, dass die Hilfe der Amerikaner für die Ukraine bei einem Sieg Trumps schnell versiegen könnte, hat der 78-Jährige mit seiner Nominierung für den Posten des Vizepräsidenten verstärkt. J.D. Vance, Senator aus dem US-Bundesstaat Ohio, tritt dafür ein, dass sich die Vereinigten Staaten stärker auf Asien und den Konflikt mit China konzentrieren sollten – und Europa sich selbst überlassen werden sollte.

Auf der Seite der Demokraten deutet nach Bidens Rückzug vieles darauf hin, dass Vizepräsidentin Kamala Harris gegen Trump antreten wird. Biden selbst und wichtige Vertreter der demokratischen Partei haben ihr bereits die Unterstützung ausgesprochen. Unter einer Präsidentin Kamala Harris dürfte sich die amerikanische Außenpolitik wohl höchstens in einigen Akzentuierungen verändern, der grundsätzliche Kurs würde beibehalten. Das bedeutet auch weitere Waffenhilfe für die Ukraine.

In Berlin ist Harris keine Unbekannte: Scholz hat die US-Vizepräsidentin mehrfach getroffen, zuletzt bei der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz. „Der Bundeskanzler hat die Vizepräsidentin als erfahrene und kompetente Politikerin kennengelernt“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) traf sich mit Harris im Februar im Rahmen der Münchener Sicherheitskonferenz.

Auch wenn es klar sein dürfte, dass man in der Bundesregierung den Demokraten im Wahlkampf die Daumen drückt, wahrt man offiziell Neutralität. In der Regierungspressekonferenz am Montag betonte die stellvertretende Regierungssprecherin, man äußere sich nicht öffentlich zu Wahlkämpfen anderer Staaten. Mit Blick auf die USA betonte sie: „Wir bereiten uns auf alle denkbaren Möglichkeiten vor.“