US-Banner am Kasernenzaun, der sich dann doch weit öffnete Foto: Eibner/Memmler

Die US-Kasernen in der Region vollführen die sicherheitspolitische Rolle rückwärts: Erst gilt die zweithöchste Terrorwarnstufe, dann wird fröhlich gefeiert, analysiert unser Redakteur.

Die Blechschlange am Montag reichte von der Böblinger Panzerkaserne bis auf die Autobahn. Über Nacht hatten die US-Streitkräfte in Europa die Sicherheitsstufe „Charlie“ verhängt, die zweithöchste Warnstufe der Militärs im Schema des Nato-Alphabets mit A wie Alpha, B wie Bravo und D wie Delta. Letztere greift wohl nur bei konkreten Bedrohungslagen, und normalerweise gilt an den Standorten in Deutschland die Stufe B. Bei C wie Charlie durfte kein Fahrzeug ohne gründliche Kontrolle die Zugänge zu den Kasernen passieren – entsprechend dauerte die Abfertigung am sogenannten Main Gate in Böblingen erheblich länger als sonst.

 

All das wurde indes erst bekannt, als die Kontrollen bereits verschärft und Tausende Pendler in einem schier unüberwindbaren Stau standen. Damit wiederholt sich ein Szenario, das schon des Öfteren auf deutscher Seite für Kopfzerbrechen sorgte: Was hinter den Kasernenmauern oder im Pentagon entschieden wird, wird eben dort entschieden. Die Auswirkungen an den Standorten sind den Verantwortlichen entweder nicht bewusst oder sie werden billigend in Kauf genommen. Bedauerlich.

Denn eigentlich schien man im Dialog mit den Amerikanern große Fortschritte gemacht zu haben. Nach ewigem Ringen um einen besseren Lärmschutz gelang es etwa, die Schießstände auf dem Kasernengelände besser einzuhausen. Es bedurfte aber der jahrelangen Überzeugungsarbeit der deutschen Politiker auf den unterschiedlichsten Ebenen: Der Böblinger Oberbürgermeister Stefan Belz und Landrat Roland Bernhard standen den Bundestagsabgeordneten auf den Füßen, die Abgeordneten dem Innenministerium und das Innenministerium den Amerikanern. Letztlich mit Erfolg.

Klagen über Schießlärm wurden leiser

Seit rund zwei Jahren sind neue Schallschutzwände installiert. Die Klagen der Anwohner über den Schießlärm sind leiser geworden, wenngleich die Situation noch nicht gänzlich entschärft scheint. Es mag an dieser langen Hängepartie gelegen haben, dass die Amerikaner ihr Verhalten gegenüber der heimischen Bevölkerung überdacht – und sich geöffnet haben. Der Vorgänger des jetzigen Standortkommandanten, Matthew Ziglar, war es, der die Arme in Richtung der deutschen Bevölkerung ab 2021 ausbreitete.

Zunächst durften Gruppen nur nach Voranmeldung auf ein schwäbisch-amerikanisches Bierfest in der Panzerkaserne, dann öffneten der Kommandant zu Feier des Unabhängigkeitstags am 4. Juli 2023 die Tore ganz. Er präsentierte außerdem stolz die Feuerwehr im „Old Firehouse“, dem ehemaligen Offizierscasino in der Waldburgstraße. Alles Schritte in Richtung Offenheit und Freundschaft, die an Zeiten weit vor dem 11. September 2001 erinnern, als die einheimische und die amerikanische Bevölkerung sich in Clubs organisierten und überhaupt beste Freunde waren.

Erst strenge Kontrollen, dann Party

Umso weniger verständlich ist dabei, dass Anfang der Woche wie erwähnt strenge Kontrollen herrschten, diese Anordnung dann aber kurz vor den Feierlichkeiten zum 4. Juli auf einmal wieder zurückgenommen wurde. Als wolle man die Sause dann doch nicht sausen lassen. Die einheimische Bevölkerung blieb zunächst ratlos: Feiern trotz Terrorwarnung? Sie strömte dann aber doch in Scharen auf das sonst hermetisch abgeschirmte Gelände zum Bullenreiten, Seilklettern und Apfelkuchen-Wettessen.

Doch ein Nachgeschmack bleibt. Eine terroristische Bedrohung ist zweifelsohne ernst zu nehmen. Aber eine passende Kommunikation mit den deutschen Behörden ist wünschenswert, nein: unabdingbar. Offenbar wusste die zuständigen Polizeipräsidien nicht mal von der Sicherheitsstufe, als sie bereits in Kraft war. Die gute Nachbarschaft – sie sollte auch für die Behörden gelten.