Die EU-Kommission wollte bis zuletzt versuchen, Zölle für Stahl und Aluminium abzuwenden. Foto: dpa

Erneut läuft für die Europäer eine Frist aus, erneut drohen schmerzhafte Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium in die USA. Oder reißt Präsident Trump überraschend noch das Ruder herum?

Brüssel/ Washington - Banges Warten in Europa: Im Streit um die Einführung von US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU rückt das Ende der Schonfrist am 1. Mai näher. Die EU-Kommission wollte bis zuletzt versuchen, Zölle für die EU-Mitglieder abzuwenden. „Im Augenblick liegt unsere Priorität bei einem Dialog auf hoher Ebene“, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

In dem Streit geht es um Einfuhrzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte, die die US-Regierung im März erlassen hat. EU-Firmen wurden davon verschont, allerdings nur bis zum 1. Mai. Für eine unbefristete Ausnahme verlangt Washington nach Angaben aus EU-Kreisen Handelserleichterungen für US-Unternehmen oder Obergrenzen bei den Stahlexporten. Die EU will sich aber nicht erpressen lassen.

US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross deutete am Wochenende in einem Interview der Nachrichtenagentur Bloomberg an, dass es zu Ausnahmen kommen könne. Er machte jedoch keine Andeutungen, um welche Länder es sich handeln könnte und ob die USA dafür Bedingungen stellen. Sein Ministerium ließ eine entsprechende Anfrage der Deutschen Presse-Agentur unbeantwortet.

Merkel und Macron haben persönlich um Verlängerung geworben

Malmström kündigte Gegenmaßnahmen für den Fall an, dass die USA die Europäer nicht dauerhaft und bedingungslos von den Zöllen verschonen. Zuvor schon hatte die Kommission mitgeteilt, was darunter zu verstehen ist: Eine Beschwerde bei der WTO, Schutzmaßnahmen für die europäische Wirtschaft und Strafzölle auf US-Waren wie Whiskey, Motorräder oder Jeans.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premierministerin Theresa May forderten US-Präsident Donald Trump am Sonntag offiziell auf, von „handelspolitischen Maßnahmen gegen die Europäische Union“ abzusehen. Andernfalls sei die EU bereit, „im Rahmen der multilateralen Handelsordnung entschlossen ihre Interessen zu vertreten“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Merkel hatte zuvor mit Macron und May telefoniert.

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen hält Vergeltung für den falschen Weg. „Wir sollten uns den Ansatz von Donald Trump eben nicht zu eigen machen. Wir sollten keine Maßnahmen ergreifen, die Vergeltungscharakter haben, sondern wir sollten zu unserer Überzeugung und zu unserer Position stehen. Nämlich: Dass alle Fragen in einem umfassenden Handelsabkommen zu regeln sind“, sagte Röttgen im ARD-Fernsehen.

Merkel und Macron hatten in der vergangenen Woche persönlich in Washington um eine Verlängerung der Ausnahmeregelung für die EU geworben. Die Gespräche brachten jedoch keine nach außen erkennbaren Fortschritte. „Der Präsident muss jetzt entscheiden“, sagte Merkel im Anschluss an ihr Treffen mit Trump.

Trump erneuerte seine Kritik am Handelsdefizit

Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Peter Beyer, glaubt nicht an allzu große Schritte. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Drohung mit Strafzöllen gegen Europa wieder komplett aufgehoben wird. Es wäre schon ein Erfolg, wenn dies weiter ausgesetzt bliebe“, sagte Beyer der „Rhein-Neckar-Zeitung“.

Die Bundesregierung hatte zuletzt Gespräche über Industriezölle ins Gespräch gebracht. Dies würde insgesamt die Zollpraxis zwischen Europa und den USA neu regeln. Unternehmerverbände und Politiker kritisierten diesen Vorschlag als den Versuch eines „TTIP light“, also einer Art abgespeckten Freihandelsabkommen. „Ein Gartenzwerg- TTIP wegen Donald Trump ist wie den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben“, sagte der Linke-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi.

Auch BDI-Chef Dieter Kempf kritisierte: „Ein reines Zollabkommen ist für die deutsche Industrie zu kurz gegriffen.“ Er forderte, es müssten weiterhin „Voraussetzungen für gemeinsame Freihandelsverhandlungen zwischen der EU und den USA“ geprüft werden. Marktöffnung müsse auf Gegenseitigkeit beruhen.

Trump erklärte seinerseits, die USA bräuchten eine faire und wechselseitige Handelsbeziehung mit ihren Partnern und Verbündeten. „Wir haben ein Handelsdefizit mit der Europäischen Union bei Waren im Wert von - schwer zu glauben - 151 Milliarden Dollar“, sagte Trump. Darunter seien 50 Milliarden für Autos und Autoteile. Am Samstag erneuerte er bei einer Kundgebung in Michigan seine Kritik.

Kommt es zum Handelskrieg?

Der deutsche Außenhandel sieht nach den jüngsten Gesprächen noch eine kleine Chance, dass Trump die EU noch einmal verschont. „Das war sicher kein Durchbruch. Aber die Tür für eine Lösung im Streit um die US-Strafzölle bleibt einen Spalt weit offen“, sagte der Präsident des Branchenverbandes BGA, Holger Bingmann, der Deutschen Presse-Agentur.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), mahnte Geschlossenheit der Europäer im Handelsstreit an. Die USA müssten wissen, dass es Gegenmaßnahmen geben werde, wenn sie Strafzölle verhängen sollten, sagte Weber am Samstag im Deutschlandfunk. Grünen-Politiker Jürgen Trittin forderte im Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag): „Jetzt muss Europa endlich eine selbstbewusste Antwort finden.“

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach sich dafür aus, Washington ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten. Auch die EU müsse bereit sein, ein Angebot auf den Tisch zu legen, „worüber wir denn bereit sind zu verhandeln“, sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. „Ich bin der Auffassung, dass eigentlich weder die USA noch die Europäer einen Handelskrieg riskieren sollten.“