Die US-Regierung steigt aus dem INF-Vertrag mit Russland aus. Foto: AP

Seit Monaten steht die Drohung im Raum. Seit Anfang Dezember lief ein Ultimatum. Nun machen die Amerikaner ernst und ziehen sich aus einem der wichtigsten nuklearen Abrüstungsabkommen mit Russland zurück. Aber eine letzte Chance bleibt noch, das Abkommen zu retten.

Washington - Die US-Regierung steigt aus dem INF-Vertrag mit Russland zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen aus. Das kündigten das Weiße Haus und US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag in Washington an. Demnach fühlen sich die USA ab diesem Samstag nicht mehr an die Vertragsbedingungen gebunden. Sie verwiesen aber darauf, dass der Vertrag erst in sechs Monaten endgültig auslaufe. Bis dahin habe Russland weiter die Möglichkeit, zu den Bedingungen des Abkommens zurückzukehren.

Die Mitteilung der Amerikaner kam einen Tag vor dem Ablauf der gesetzten 60-Tages-Frist in dem Streit. Die USA werfen Russland seit langem vor, Vereinbarungen in dem Vertrag zu brechen. Sie hatten der Regierung in Moskau Anfang Dezember ein Ultimatum bis zu diesem Samstag gesetzt, um sich wieder an die Vertragsbedingungen zu halten. Die Frist ist nach Ansicht der USA aber ergebnislos verstrichen.

Hochgefährlicher Rüstungswettlauf befürchtet

Offiziell aufgelöst wird das INF-Abkommen laut Vertragstext erst sechs Monate nach der Aufkündigung. Damit bleibt noch etwas Verhandlungsspielraum, um den Vertrag womöglich noch zu retten. Allerdings blieben alle bisherigen Versuche dazu ohne Erfolg. Bei einem endgültigen Aus des Vertrags befürchten Experten einen neuen und hochgefährlichen Rüstungswettlauf.

Der INF-Vertrag verbietet Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Zugleich untersagt er auch die Produktion und Tests solcher Systeme. Die Abkürzung INF steht für „Intermediate Range Nuclear Forces“, auf Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme. Die USA und die damalige Sowjetunion hatten den Vertrag 1987 geschlossen.

Die Amerikaner und die Nato werfen den Russen vor, mit ihren Raketen vom Typ 9M729 (Nato-Code: SSC-8) gegen das mehr als 30 Jahre alte Verbot bodengestützter atomarer Mittelstreckenwaffen zu verstoßen. Die Raketen sollen nach Angaben aus den USA mindestens 2600 Kilometer weit fliegen können und wären damit in der Lage, nahezu alle Hauptstädte in Europa zu treffen. Die russische Regierung weist die Vorwürfe zurück und versichert, die Reichweite der 9M729 liege knapp unter 500 Kilometern, was vertragskonform wäre.

Für Europa ist die Aufkündigung hochbrisant

Russland hatte in den vergangenen Wochen mehrfach deutlich gemacht, dass es die US-Vorwürfe als haltlos erachtet und nicht daran denkt, seine Marschflugkörper zu vernichten. Dass Russland in der Auseinandersetzung noch einlenkt, gilt daher als äußerst unwahrscheinlich.

Zudem wird auch den USA von Kritikern unterstellt, kein besonders großes Interesse an dem INF-Vertrag in seiner derzeitigen Form zu haben. Das liegt vor allem daran, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter das Abkommen fallen würden.

Für Europa ist die Aufkündigung des Vertrags hochbrisant, weil diese aller Voraussicht nach eine Diskussion über atomare Aufrüstung in Europa nach sich ziehen wird. Nach Auffassung von Militärs ließen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern.