Der Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders könnte der einstigen First Lady Hillary Clinton gefährlich werden. Foto: AP

Hillary Clinton bekommt massiven Gegenwind aus dem eigenen Lager: Bernie Sanders könnte für viele Demokraten eine echte Alternative für die Präsidentschaftskandidatur sein.

Washington/Seattle - Eine andere Stadt, das gleiche Phänomen: Bernie Sanders spricht – und Tausende kommen, um zu hören, wie der 73-jährige Senator aus Vermont den Amerikanischen Traum für alle wieder erreichbar machen will. In der texanischen Ölmetropole Dallas waren es 8000 Zuhörer, in Madison, der Hauptstadt Wisconsins, 10 000, in Phoenix, Arizona, 11 000 und am vergangenen Wochenende in Seattle im Staat Washington 15 000. Ein Phänomen, das an die Anfänge der „Yes we can“-Kampagne des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2008 erinnert.

Somit könnte Sanders der Favoritin bei der Wahl zur demokratischen Präsidentschaftskandidatur, Hillary Clinton, tatsächlich gefährlich werden. Clintons Beliebtheitswerte gingen in den vergangenen Wochen ebenso zurück wie die Ansicht der Wähler hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit. Ihr Konkurrent Sanders zog dagegen mit seiner Botschaft einer liberalen Marktwirtschaft große Mengen an Unterstützern an – laut seinem Team ein Beweis für die Sehnsucht unter den Demokraten, dass es eine parteiinterne Alternative zu Clinton geben sollte.

Bernie rockt – auch bei den Wählern. Während die Sicherheitsbehörden Clintons privaten E-Mail-Server aus ihrer Zeit als Außenministerin durchleuchten, der wider ihre Beteuerungen als geheim eingestufte Informationen ungeschützt speicherte, rückt der Senator in aktuellen Umfragen in New Hampshire und Iowa auf Tuchfühlung an die Favoritin heran. Ein Wahlsieg des quirligen Eigenbrötlers aus Neuengland in den beiden ersten Vorwahlen scheint nicht mehr ausgeschlossen. Das könnte Sanders genügend Schwung verleihen, Clinton auch in anderen Bundesstaaten die Nominierung streitig zu machen.

Clinton hat ein Glaubwürdigkeits-Problem

Inhaltlich liegen Sanders und Clinton bei vielen Themen nicht so weit auseinander. Beide Kandidaten wollen mehr für die Arbeiter und Mittelklasse in den USA tun, die seit Jahren unter real zurückgehenden Löhnen, steigenden Gesundheits- und Ausbildungskosten leiden. Sie unterstützen das Atomabkommen mit dem Iran und setzen auf robuste Diplomatie. Sie verkaufen sich als Anwälte der Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten. Und beiden liegt der Kampf gegen den Klimawandel am Herzen.

Der wesentliche Unterschied besteht in der Glaubwürdigkeit der Kandidaten. Als Clinton im Kongress für den Militäreinsatz im Irak stimmte, mobilisierte Sanders gegen den Krieg. Er verlangt einen harten Kurs gegen das, was er als „obszöne Ungleichheit“ in den USA ausmacht, während Clinton millionenschwere Wahlkampfspenden von der Wall Street einsteckt.

Sanders’ stärkster Trumpf bleibt, dass die Wähler den ehemaligen Bürgermeister von Burlington in Vermont für unbestechlich halten. Für Clinton bleibt die eigene Glaubwürdigkeit wie schon 2008 die Achillesferse.

Zwei Millionen Für Clintons Fernsehspots

Jetzt kommen Clintons erste Wahlwerbespots ins Fernsehen. Zwei Millionen Dollar haben sie gekostet. Die Werbung läuft an diesem Dienstag in den US-Staaten Iowa und New Hampshire an und fokussiert sich darauf, Clintons Familienpolitik und ihre eigene Beziehung zu ihrer verstorbenen Mutter in den Vordergrund zu stellen. Einer der Filme konzentriert sich beinahe gänzlich auf die Lebensgeschichte von Dorothy Rodham, die eine düstere Kindheit voller Vernachlässigung und Armut überstanden habe.

Dennoch: Als hätte Hillary Clinton aus der Schlappe gegen Obama 2008 nichts gelernt, geben sich ihre Berater wie einst siegesgewiss. Statt die Herausforderung im eigenen Lager anzuerkennen, ergötzen sie sich an den Problemen, die „The Donald“ den Republikanern bereitet. Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hat mit abfälligen Äußerungen über eine TV-Moderatorin großen Wirbel erzeugt. Mitbewerber distanzierten sich, ein namhafter Konservativer lud ihn von einer wichtigen Wahlveranstaltung aus, und es kam zum Bruch mit seinem Wahlkampf-Topberater.

Bisher führt Trump das Bewerberfeld der Republikaner klar an. Die Ergebnisse neuer Umfragen, in denen sich die jüngste Kontroverse um den Milliardär widerspiegeln könnte, werden in dieser Woche erwartet. Doch wie die auch ausfallen: Bernie Sanders hat höhere Positiv-Werte als jeder der möglichen Kandidaten der Gegenseite.