Zu politischen Fragen hatte sich Superstar Taylor Swift bislang nie geäußert. Trotzdem hielten die Republikaner sie bislang eher für eine der ihren. Nun staunen und wüten sie.
Nashville - „Speak Now“ heißt eines der erfolgreichen Alben von US-Popsängerin Taylor Swift. Das von Swift selbst geschriebene Titellied darf man mit „Mach jetzt den Mund auf“ eindeutschen, aber politisch war das noch nicht gemeint. Die heute 28-Jährige, die schon mit 14 Jahren ihre Karriere zunächst in der Country-Szene in Gang brachte, erzählt eine private Geschichte: die der jungen Frau, die bei einer fremden Hochzeit hofft, der Bräutigam werde vor dem Altar Nein sagen, zum Hinterausgang der Kirche kommen und mit ihr durchbrennen. Inzwischen geht es für Taylor Swift wieder ums Mundaufmachen und wieder um Hochzeiten, aber nicht um die Hetero-Ehe. Und die Aufregung nicht nur in der Fangemeinde des Superstars ist groß.
Taylor Swift hat sich erstmals offen politisch positioniert – und nicht, wie es die meisten Amerikaner wohl erhofft oder befürchtet hätten, zugunsten der Konservativen. Etliche persönliche und öffentliche Ereignisse in den letzten zwei Jahren hätten sie dazu getrieben, vor den Zwischenwahlen am 6. November ihre Stimme zu erheben, schrieb sie auf ihrer Instagram-Seite - und zwar gegen die republikanische Senatskandidatin Marsha Blackburn aus dem Bundesstaat Tennessee, in dem auch die Country-Metropole Nashville liegt.
Eine Frage der Werte
Blackburns politische Bilanz „erschreckt mich“, schreibt Swift: Blackburn, die bisher für die Republikaner im Repräsentantenhaus sitzt und nun für den Senat kandidiert, habe beispielsweise gegen die Schwulenehe gestimmt, gegen besseren Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt, Stalking und Vergewaltigung, gegen die gesetzliche Verpflichtung zur Lohngleichheit von Frauen und Männern. Swift werde also den demokratischen Senatskandidaten Phil Bredesen unterstützen – auch wenn sie eigentlich viel lieber einer Frau ihre Stimme gegeben hätte.
„Viele von uns werden nie einen Kandidaten oder eine Partei finden, mit denen sie bei einem Thema hundertprozentig übereinstimmen, aber es ist trotzdem wichtig, wählen zu gehen“, betont Swift. Dabei würden ihr wohl auch noch viele Trump-Anhänger zustimmen. Ansonsten aber reicht der erste Schock auf der Rechten tief, dass Swift sich in ihrer Wortmeldung unverblümt für die Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben und Transsexuellen einsetzt. Taylor Swift war bislang nicht nur eine der wenigen Umsatzbringerinnen alten Schlags für eine vom Strukturwandel gebeutelte Musikindustrie. Sie war auch der große Gegenentwurf zu Popstars wie Madonna, Lady Gaga oder gar Miley Cyrus. Swift galt als das Mädchen von nebenan, das trotz Starruhm und Glamourfaktor als Postergirl konservativer Lebensentwürfe dienen konnte.
Lob und Hohn
In den USA wird ihr Schritt deswegen als durchaus mutig kommentiert. Ohne viel Verwegenheit darf man vermuten, der größere Teil ihrer bislang treuesten Gefolgschaft aus Country-Tagen wähle eher konservativ. Von den Anhängern der Demokraten gibt es daher viel Zustimmung, die von freudiger Überraschung bis hin zu „Ich wusste es“-Postings reicht. Eben weil Swift bislang nicht als liberale Meinungsmacherin in Erscheinung trat, schlägt ihr die Hoffnung entgegen, sie möge sich nicht als weitere Linke aus der Showbiz-Schickeria zu Wort melden, sondern als Vertreterin einer bislang schweigenden Mehrheit. Vielleicht, so die spontane Interpretation, spreche Swift vielen aus dem Herzen, die selbst nach biederen Normen leben, aber weit toleranter sind als die lautstarken Trollhorden, die Trumps Politik im Internet preisen.
Kein Wunder, dass von einigen Anhängern der Republikaner nun Hohnkommentare und erboste Aufkündigungen der Gefolgschaft ins Netz schwirren. „Mieser Patzer“, twittert etwa „Enchanted April“: „Du hast gerade Deine Karriere ruiniert. Du hast Dich für die falsche Seite entschieden.“ Der Nutzer „Cliff 4 Trump“ zeigt beispielhaft die frustrierte, aggressive Bösartigkeit, die in der Ära Donald Trumps öffentliche Debatten vergiftet: „#taylorswift eine Stufe unter einer Prostituierten. Eine Prostituierte ist wenigstens ehrlich und weiß, wer sie ist. Ich würde mich lieber mit einer Prostituierten austauschen als mit TS.“ Wie die Sache ausgeht, ist unklar: Bislang stand Swift schon auf der Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt des Magazins „Time“ und auf der Forbes-Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt. Die Republikanerin Blackburn jedenfalls dürfte sich innig wünschen, Swift hätte den Mund nicht aufgetan. Statt sich an den Titel eines weiteren ihrer Alben aus dem Jahr 2008 zu halten: „Fearless“, furchtlos.