Ungewöhnlicher Protest im US-Parlament: Abgeordnete der Demokraten sitzen im Repräsentantenhaus auf dem Fußboden. Foto: AFP/Rep. Elizabeth Esty

Etliche Demokraten im US-Kongress wollen eine Abstimmung über ein schärferes Waffenrecht erzwingen – und setzen sich deshalb auf den Hosenboden.

Washington - Sitzstreik von Abgeordneten im US-Kapitol, Demonstrationen vor dem Parlamentsgebäude in Washington: Nach dem Massaker an 49 Menschen in Orlando ist in der US-Hauptstadt der Streit um schärfere Waffengesetze eskaliert. Einige US-Demokraten träumen schon davon, dass sich die Zeiten der Bürgerrechtsbewegung vor 50 Jahren wiederholen.

Es begann am Mittwochmittag Ortszeit, als sich John Lewis im Repräsentantenhaus zu Wort meldete und forderte, dass endlich etwas geschehen müsse. „Wie viele Mütter, wie viele Väter werden noch Tränen der Trauen vergießen müssen, bevor wir etwas tun“, deklamierte der 76 Jahre alte Demokrat, der vielen in den USA als Held der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre gilt. Lewis, ein Afro-Amerikaner aus dem Bundesstaat Georgia, marschierte damals an der Seite von Martin Luther King von Selma nach Montgomery in Alabama und wurde von der Polizei verprügelt.

„Wir müssen die Waffengewalt endlich stoppen“

Nach dem leidenschaftlich vorgetragenen Aufruf von Lewis, die Waffengesetze zu verschärfen, kam es schließlich zu einem in den USA seltenen Bruch der parlamentarischen Regeln. Mehrere Dutzend Abgeordneten der Demokraten nahmen in der Mitte des Plenums einen Sitzstreik auf, zwischenzeitlich stieg ihre Zahl auf gut 100 an. Sie sangen „We shall overcome“, die Hymne der Bürgerrechtsbewegung. Sie hielten Fotos der Opfer des Todesschützen von Orlando in die Höhe und brachten Decken und Kissen mit, um sich für die Nacht einzurichten. Als die Republikaner, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellen, sowohl die Klimaanlage als auch das Parlamentsfernsehen C-Span abschalten ließen, sendeten die empörten Abgeordneten Live-Streams über ihre Handys. Bürgerrechtler John Lewis sprach vor dem Kapitol zu einigen hundert Demonstranten, die sich zu einer Solidaritätskundgebung versammelt hatten: „Wir müssen die Waffengewalt endlich stoppen.“

Nancy Pelosi, Fraktionschefin der Demokraten, erklärte: „Unsere Angeordneten haben sich auf den Boden gesetzt, um dagegen zu protestieren, dass wir nicht einmal eine Abstimmung abhalten können.“ Dabei ging es um die Frage, dass Menschen, deren Namen auf   Terror- oder Flugverbotslisten aufgeführt sind, künftig keine Waffen mehr kaufen dürfen. Ein entsprechendes Gesetz gilt den Waffengegnern in den USA als ein erster Schritt, die Waffengesetze zu verschärfen. Für die Waffenbefürworter in den USA ist das jedoch bereits ein Angriff auf die Verfassung, die Amerikanern das Recht auf Waffenbesitz einräumt.

Die republikanischen Abgeordneten sind längst weg

Darüber wird seit Jahren in Washington gestritten. Auch nach dem Massaker von Orlando kam Bewegung in die Debatte. Doch auf konkrete Verschärfungen der laxen Vorschriften konnten sich Demokraten und Republikaner nicht einigen. Erst vor wenigen Tagen scheiterten Gesetzesinitiativen im Senat, der zweiten Parlamentskammer.

Den erbittert geführten Parteienstreit um Schusswaffen dürfte auch der spektakuläre Sitzstreik nicht lösen, obwohl einige demokratische Angeordnete von einem „Selma-Moment“ sprachen. Die Märsche im Jahr 1965 gelten als politischer Höhepunkt der afro-amerikanischen Bürgerbewegung.

Die Blockade des Parlamentsbetriebs ging am Donnerstag weiter – obwohl es im Prinzip nichts mehr zu blockieren gab, weil die republikanischen Abgeordneten längst das Gebäude verlassen und sich in eine zehntägige Pause zur Feier des amerikanischen Unabhängigkeitstages am 4. Juli begeben hatten.