Der neue in den Stuttgarter Patch Barracks: US-General Timothy Ray führt das Tagesgeschäft im Eucom-Hauptquartier. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Luftwaffengeneral Timothy Ray ist neuer stellvertretender Kommandeur des US-Europa-Kommandos in Stuttgart. Wegen der russischen Annexion der Krim und der Verunsicherung der Nato-Verbündeten in Osteuropa verlegt das US-Militär mehr Soldaten und Panzer.

Stuttgart - Timothy Ray ist alles andere als ein Haudegen. Der Händedruck zur Begrüßung im kleinen Offizierskasino des Stuttgarter US-Europa-Hauptquartiers (Eucom) fällt fest aus. Doch der drahtige schmale Mann mit dem akkurat gescheitelten Kurzhaarschnitt spricht leise und bedächtig. Er wirkt nachdenklich, hört lieber zu, als dass er selber spricht. Und macht nicht viel Aufhebens um seine Person. Dazu passt, dass auf der olivgrünen Fliegerkombination die drei Sterne auf den Schultern, die ihn als Generalleutnant ausweisen, kaum zu sehen sind.

Zum Ende des Kalten Krieges in den 80er Jahren bildete ihn die US-Luftwaffe zum Piloten des mit Atomsprengköpfen bestückten Langstreckenbombers B-52 aus. Für den heiklen Knochenjob in dem inzwischen 60 Jahre alten Boeing-Bomber – Spitzname „Buff“ (englisch abgekürzt für „großer, hässlicher, fetter Scheißer“) – werden ausgeglichene Menschen benötigt, mit viel Nervenstärke und Geduld. „Das ist laut, und die Luft ist sehr trocken. Unsere Einsätze dauerten 14 bis 17 Stunden“, beschreibt er den körperlich anstrengenden Teil dieser Fliegerei. Seit einem Monat ist Ray – mit dem uneitlen Flieger-Rufzeichen „T-Ray“ – neuer stellvertretender Befehlshaber der knapp 70 000 US-Soldaten in Europa. Da der Kommandeur, General Curtis Scaparrotti, auch als Nato-Oberbefehlshaber fungiert und im Hauptquartier der Allianz im belgischen Mons arbeitet, führt Ray in den Patch Barracks das Tagesgeschäft.

Nicht viel Zeit zum Einarbeiten

Weit umziehen musste der neue Eucom-Vize nicht. Zuletzt befehligte der Pilot ein Jahr lang die Dritte US-Luftwaffe für Europa und Afrika in Ramstein. Da konnte er sich bereits mit den Krisengebieten an Europas Rändern – im Osten die Ukraine und im Süden Afrika – vertraut machen. Viel Zeit zum Einarbeiten hat Ray nämlich nicht.

Die militärische Führung der US-Streitkräfte in Europa ist derzeit eine echte Herkulesaufgabe. Seit die Russen durch die Annexion der Krim 2014 und der andauernden Aggression in der Ostukraine Europas Sicherheit infrage gestellt haben, arbeiten die Eucom-Stäbe mit Hochdruck daran, wieder gefechtsbereit zu werden. Eine glaubhafte Abschreckung ist die beste Verteidigung, so die Überlegung der Militärs.

Zudem koordiniert Eucom gerade die Verlegung von mehr US-Soldaten, Panzern und Artillerie nach Europa. Präsident Barack Obama hat dies Anfang des Jahres verfügt, um die Nato-Verbündeten vor allem in Osteuropa zu beruhigen. Im Januar kommt das Material für eine ganze Panzerbrigade per Schiff aus den USA in Bremerhaven an und wird nach Polen verlegt. Außerdem fliegen rund 4000 US-Soldaten ein, um neun Monate lang überall in Osteuropa gemeinsam mit ihren Nato-Verbündeten in Dutzende Manöver zu ziehen.

Das größere Bild im Auge

Der 53-jährige Ray, der in dem Küstenstädtchen Gulfport im Südstaat Mississippi aufwuchs, begann seine Offizierslaufbahn 1985 als Absolvent der Luftwaffenakademie in Colorado Springs. „Seit ich sechs oder sieben Jahre alt war, war ich von Flugzeugen fasziniert“, erzählt er. Anfang der 2000er Jahre flog er Kampfeinsätze über Afghanistan und dem Irak. Auch im Cockpit des B-1-Bombers ist er gesessen und brachte es so auf mehr als 4000 Flugstunden. Zudem half er beim Aufbau der afghanischen Luftwaffe und kümmerte sich im Pentagon für die Air Force um die Beschaffung. Menschen, die mit ihm zu tun hatten, schildern ihn im Umgang als „äußerst freundlich“.

Und was braucht man, um ein erfolgreicher General zu sein?„Man muss ein strategischer Denker sein, das größere Bild im Auge haben und den kommenen Wandel vorwegnehmen können“, meint Ray. Allesamt Eigenschaften, die er bei seiner neuen Aufgabe in Stuttgart gut wird brauchen können.