Afrikaner zu Besuch in Stuttgart – beim Afrikanischen Kommando der USA. Sightseeing gehört dazu, inklusive des Karlsplatzes Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Eine Mediendelegation aus Afrika ist angereist, um sich über die Aktivitäten des US-Militärs auf ihrem Kontinent zu informieren. Dabei lernen sie auch die Landeshauptstadt ein wenig kennen.

Stuttgart - „Stuttgart liegt etwa eine Stunde nördlich vom Schwarzwald entfernt“, erzählt Ben Benson der kleinen Reisegruppe um ihn herum auf Englisch. Der schlaksige Mann mit der schwarz gerandeten Brille steht an diesem kalten grauen Tag vor dem Alten Schloss im Herzen der Stuttgarter Innenstadt und deutet nach oben Richtung Fernsehturm.

Der Pressesprecher des US-Afrikakommandos ist rührend darum bemüht, seinen Gästen etwas über Geschichte und Kultur ihrer schwäbischen Umgebung mitzugeben. Sie erfahren etwas über die Stuttgarter „Stäffele“, die Weinbautradition oder die lokale Industrie. Und das, obwohl seine acht frierenden Gäste, allesamt Journalisten aus Kenia, Äthiopien und Südafrika, auf Einladung der Amerikaner eigentlich nach Stuttgart gekommen sind, um sich über die Aktivitäten des US-Militärs auf Europas südlichem Nachbarkontinent zu informieren.

Diese werden seit 2007 von einem eigens für Afrika zuständigen militärischen Hauptquartier, dem US-Afrikakommando (Africom) mit seinen 1500 militärischen und zivilen Mitarbeitern unter der Führung eines Vier-Sterne-Generals in den Kelley Barracks geführt. Das erklärte Ziel: Partnerschaften zu den 54 Staaten im Zuständigkeitsbereich aufzubauen, um Sicherheit, Demokratie und Entwicklung zu fördern. Und dabei zu helfen, die Afrikaner in die Lage zu versetzen, sich bei Friedensoperationen, wie etwa derjenigen der Afrikanischen Union in Nigeria, selbst zu helfen.

„Anfangs gab es viele Befürchtungen, die Amerikaner wollten nicht nur ein Hauptquartier gründen, sondern ganz Afrika übernehmen“, berichtet Charles Onyango-Obbo. Der 55-Jährige ist Chefredakteur der neuen afrikaweiten Online-Zeitung „Mail & Guardian Africa“. Die erfolgreiche Piratenbekämpfung vor dem Horn von Afrika und die Bedrohung durch den islamistischen Terror hätten in Ostafrika aber die öffentliche Meinung zugunsten von Africom verändert, berichtet er.

Und warum steht das US-Hauptquartier nicht in Afrika? „Das würde die Dinge politisch viel komplizierter machen“, meint Onyango-Obbo mit Blick etwa auf das verbreitete Misstrauen zwischen dem französischsprachigen und dem englischsprachigen Teil Afrikas. Beim Deutsch-Amerikanischen Zentrum (DAZ) in Stuttgart, einem Kulturinstitut zur Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen, wollen die Afrikaner wissen, was die deutsche Öffentlichkeit in der Region über die amerikanische Militärpräsenz hierzulande – immerhin 25 000 US-Soldaten, Zivilangestellte und deren Familienangehörige – denkt.

Die Einstellung der meisten Deutschen sei von „wohlwollender Gleichgültigkeit“ geprägt, sagt Sean Schulze, der Chef des Verbindungsbüros der US-Streitkräfte in Baden-Württemberg. Es gebe gelegentlich Demonstrationen, etwa gegen Atomwaffen. Von einem gestiegenen Antiamerikanismus will er nicht sprechen. „Die Demonstrationen gegen S 21 fallen größer aus“, meint er zum weiter schwelenden Konflikt um die Bahnmodernisierung in Stuttgart.

Die DAZ-Direktorin Christiane Pyka spricht dagegen mit Blick auf die tödlichen Drohneneinsätze in Somalia und im Jemen oder auf den Abhörskandal um den US-Geheimdienst NSA vom „Auf und Ab der deutsch-amerikanischen Beziehungen“. Das deutsch-amerikanische Verhältnis habe sich auch in Stuttgart stark gewandelt. Zwar seien viele jüngere Deutsche immer noch „ziemlich amerikanisiert“. „Doch anders als früher würden sie nicht mehr sagen: ‚Wir sind dankbar.‘“

In zahllosen Powerpoint-Präsentationen erfahren die afrikanischen Journalisten in den Kelley Barracks, wie das US-Afrika-kommando aufgebaut ist und wie breit gefächert seine Aufgaben sind – von der Terrorabwehr über die Unterstützung von Friedensoperationen bis hin zum Kampf gegen Ebola, der gerade zurückgefahren wird.

„Das Konzept ist gut“, meint Jenine Coetzer, erfahrene Radiomacherin vom internationalen Dienst von Südafrikas Rundfunksender SABC. „Viele Leute kritisieren die USA für ihre Einmischung.“ Dabei übernähmen die Amerikaner nur eine Führungsrolle in Gebieten, wo niemand sonst aktiv werde. „Wir brauchen diese Unterstützung an den zahlreichen Krisenherden in Afrika.“ Aber es gibt auch Kritik: „Ich bin überrascht, dass wir nicht mehr über die Entwicklung von Demokratie und wirtschaftlichen Chancen erfahren“, meint Onyango-Obbo. Nur so könne man dem islamistischen Terror der Al-Shabaab in Kenia oder Somalia oder der Gewalt von Boko Haram in Nigeria langfristig das Wasser abgraben.

In einem Punkt aber waren sich die afrikanischen Gäste einig: Trotz Kälte ist Stuttgart „eine fantastische, schöne und saubere Stadt“, sagt Jenine Coetzer. Und Charles Onyango-Obbo, der in Nairobi in einem Mercedes-Kombi unterwegs ist, meint: „Gerne hätte ich hier mehr Zeit verbracht.“