Zwölf und 13 Jahre Haft, danach Sicherungsverwahrung – so lautet das Urteil gegen die Täter von Lügde, Mario S. und Andreas W (v.l.). Foto: dpa

Die Behörden müssen endlich aus Missbrauchsfällen wie in Lügde oder Staufen lernen, kommentiert Willi Reiners.

Stuttgart - Die Täter von Lügde kommen auch nach verbüßter Strafhaft nicht frei. Sie bleiben für lange Zeit weggesperrt. Das ist eine gute Nachricht, zuerst für ihre Opfer. Dass sie wegen der Geständnisse ihrer Peiniger nicht vor Gericht erscheinen mussten, rechtfertigt den Strafrabatt. Gnade hätten die Täter, die so viele Kinder gnadenlos missbrauchten, nicht verdient.

Strafrechtlich mag der Fall aufgearbeitet sein, politisch ist er es noch nicht. Zum einen wurden frühe Hinweise auf die Täter ignoriert – von Polizisten, Staatsanwälten sowie Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe. Bereits 2002 wurde die Kreispolizeibehörde Lippe über den Verdacht informiert, dass der Hauptangeklagte sich an einer Achtjährigen vergangen haben sollte. Konsequent und behördenübergreifend wurde dem nicht nachgegangen; der in Verwahrlosung lebende Mann erhielt später sogar die Erlaubnis, ein Kind zu pflegen.

Aufgearbeitet gehört zum anderen, dass im Jugendamt möglicherweise Akten manipuliert wurden, in der Polizeibehörde Beweise verschwanden und ein örtlicher Amtsrichter der Polizei brieflich seine Solidarität versicherte. Das sind Skandale im Skandal. Gut, dass der Düsseldorfer Landtag all dies untersucht.

Bleibt die Frage, wann die Behörden Lehren ziehen aus Missetaten wie in Lügde oder Staufen. Es braucht eine Kultur des Hinschauens, flankiert von kriminologischer Expertise, die um die perfiden Täterstrategien weiß. Es kann gerade der kinderliebe Nachbar sein, der Stiefvater oder die eigene Mutter. Beamte müssen ihr Vorstellungsvermögen erweitern, misstrauischer werden. Gefordert sind aber auch Eltern – indem sie ihre Kinder ernst nehmen, ihnen zuhören, sie aufklären. Selbstbewusstsein kann schützen.

willi.reiners@stzn.de