Ein selbst ernannter Lebensberater ist vom Landgericht Mosbach zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. (Symbolbild) Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Erst der Notruf eines Opfers setzte seinem Treiben ein Ende: Ein selbst ernannter Lebensberater hatte junge Frauen in seinem Haus in Walldürn im Norden Baden-Württembergs gequält und missbraucht.

Der Richter sprach von „schwersten Verletzungen“ bei den Opfern: Einblutungen im Schädel, großflächige Hämatome, teilweise ausgeschlagene Zähne. Ein selbst ernannter Lebensberater hat nach Überzeugung des Landgerichts Mosbach in der Zeit von 2019 bis 2022 in seinem Haus in Walldürn im Norden Baden-​Württembergs sieben Frauen misshandelt und missbraucht. Ein Mann gehörte ebenfalls zu den Opfern.

Das Gericht verurteilte den 38-jährigen Deutschen wegen Geiselnahme, gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung zu elf Jahren und sechs Monaten Haft. Für seine brutalsten Übergriffe wurde er laut Gericht allerdings nicht zur Verantwortung gezogen, weil er wegen massiven Drogenkonsums als nicht schuldfähig eingestuft wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Coaching-Angebote genutzt, um Frauen gezielt zu verunsichern

Nach Angaben des Vorsitzenden Richters, Michael Haas, bot der Angeklagte als „Life Coach“ Online-Seminare und „Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung“ in seinem Haus an. „Er hatte keine Ausbildung dafür, aber war durchaus erfolgreich“, sagte der Richter. Der Angeklagte habe eine „frauenverachtende Einstellung“, einen „manipulativen Charakter“. Bei ihm habe die Devise gegolten: „Der Mann führt, die Frau muss das machen, was der Mann sagt.“

Von 2019 an nutzte der Deutsche demnach die Coaching-Angebote in seinem Haus in Walldürn dazu, Frauen gezielt zu verunsichern. Er habe mit seiner Ehefrau vereinbart, weitere Frauen neben ihr haben zu dürfen, sagte Haas. Mehrere Frauen seien bei ihm eingezogen, man habe auch „wie in einer Kommune gemeinsam gelebt“. Er habe Sex gegen Coaching verlangt - und auch bekommen.

Angeklagter konsumierte immer härtere Drogen

Der Angeklagte sei mit der Zeit immer gewalttätiger geworden. Ab 2020 habe er Drogen konsumiert, zunächst Marihuana, später auch LSD und Kokain. Der 25-jährige Bruder soll ihn demnach bei seinen Taten unterstützt haben - er soll aber auch selbst Frauen vergewaltigt haben. Er - ebenfalls deutscher Staatsbürger - wurde wegen Beihilfe zur Geiselnahme und wegen Vergewaltigung zu drei Jahren Haft verurteilt.

Im Oktober 2022 gelang es einem Opfer, einen Notruf abzusetzen. In der folgenden Nacht durchsuchten Einsatzkräfte das Haus und nahmen die Angeklagten fest. Der Hauptangeklagte kam vorübergehend in eine psychiatrische Einrichtung, sitzt aber seit Mai 2023 in Untersuchungshaft.

Hohe Nachfrage nach Coachs - aber keine geschützte Berufsbezeichnung

Coach ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. Am Kultusministerium in Stuttgart sitzt eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema Sekten und Psychogruppen. Diese verweist darauf, dass es für Coachs keine Prüfung oder berufliche Qualifikation gebe. Jeder könne sich Coach nennen. „Der Erfolg des Coachs hängt daher vor allem auch mit seiner Persönlichkeit und seinem Auftreten zusammen“, sagt Mirijam Wiedemann von der Arbeitsgruppe. „Insbesondere seit der Pandemie beobachten wir eine hohe Nachfrage im Bereich des Persönlichkeits- oder Lifecoachings. Menschen suchen durch Coaching-Angebote vor allem Halt und Führung auf ihrem Weg zu einem erfolgreichen, glücklichen Leben.“

Professionelles Coaching finde in der Regel auf Augenhöhe statt, sagte Wiedemann. „Dubiose Life-Coachs etablieren jedoch nicht selten eine „Meister-Schüler“-Beziehung. Dabei werden Universalansprüche und Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen, die auch mit einer Isolierung vom bisherigen sozialen Umfeld einhergehen können.“

Alexander Brungs, Vorstandsmitglied des Deutschen Coachingverbandes, schreibt in einem Artikel für das Wirtschaftsmagazin „Business Punk“, dass von aktuell weit über 50.000 Coachs in Deutschland wohl nur rund ein Viertel eine anerkannte Qualifikation besitze. „Die Restlichen sind nicht selten Blender“, heißt es da. Um sich als Kunde abzusichern, empfiehlt Brungs, darauf zu achten, ob ein Coach etwa über eine Mitgliedschaft in einem Berufsverband verfüge. Dies garantiere „ein bestimmtes Qualitätsniveau“.