In einem Friseursalon in Pleidelsheim hat die 42-Jährige im Januar auf ihre Tochter und deren Freundin eingestochen. Foto: KS-Images.de

Neun Monate nach dem eine 42 Jahre alte Mutter auf ihre Tochter und deren Freundin mit einem Messer eingestochen hat, ist sie vor dem Landgericht Stuttgart zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Von dem ursprünglichen Verdacht eines versuchten Ehrenmords sind die Richter allerdings abgerückt.

Pleidelsheim - Es war keine einfache Aufgabe für die Richter. Die 42-jährige Frau auf der Anklagebank im Stuttgarter Landgericht hatte am 11. Januar ihre damals 18 Jahre alte Tochter und deren Freundin in einem Friseursalon in Pleidelsheim mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Der Staatsanwalt hatte neun Jahre Haft wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gefordert, die Verteidigerin dagegen hatte auf nur zwei Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung plädiert. Die Richter haben die Frau am Dienstag zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilten.

„Fest steht: Sie ist die Täterin“, sagte der Vorsitzende Richter. Er und seine beiden Kollegen befanden die Angeklagte des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung für schuldig. Je nach Blickwinkel hätte man sowohl dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen können als auch dem der Verteidigerin, räumte der Richter in der Urteilsbegründung ein. Beide Taten seien jedoch letztlich eine versuchte Tötung gewesen. Die Frau habe das Küchenmesser bewusst gegen Körperregionen eingesetzt, in denen es zu höchst gefährlichen Verletzungen kommen könne. Damit habe sie den Tod ihrer Tochter und deren Freundin billigend in Kauf genommen, so der Richter.

Selten so eine glaubhafte Zeugin erlebt

Die Angeklagte hatte vor Gericht ausgesagt, sich an die Tat nicht mehr genau zu erinnern, gestand sie jedoch ein. Das erste Opfer, die Freundin der Tochter, konnte sich jedoch um so besser an die Ereignisse jenen Abends erinnern. Die junge Frau habe die Tat objektiv geschildert und sich dabei in keinerlei Widersprüche verfangen, sagten die Richter. „Wir haben selten eine so glaubhafte Zeugin erlebt.“

Demnach soll die Tochter zum Tatzeitpunkt bereits seit mehreren Tagen keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern gehabt haben. Am Abend des 11. Januar sei die besorgte Mutter daher zur Ausbildungsstätte ihrer Tochter gefahren, einem Friseursalon in Pleidelsheim, um das Gespräch mit ihrer Tochter zu suchen. Vor dem Salon sei es dann gegen 19 Uhr zu einem Streit gekommen, bei dem die Mutter ihre Tochter dazu habe zwingen wollen, sich zwischen ihrer Familie und der Freundin zu entscheiden. Diese wählte ihre Bekannte. „Von der Antwort war die Mutter tief schockiert. Sie sah die Tochter verloren und keinen anderen Ausweg, als eine körperliche Auseinandersetzung“, urteilten die Richter.

Wohl kein religiöses Motiv

Im Personalraum des Salons ging die Mutter mit einem Messer auf die Freundin und Arbeitskollegin ihrer Tochter los und stach dieser zehn Zentimeter tief in die Bauchhöhle. Danach wandte sie sich ihrer Tochter zu und versetze dieser einen Stich in den rechten unteren Rücken. Die Mutter der Täterin, die zur Tatzeit wohl auch in der Nähe war, sowie ein zufälliger Zeuge hielten die Frau schließlich fest und hinderten sie daran, den beiden 18-Jährigen weitere Verletzungen zuzufügen.

Beide Opfer kamen in ein Krankenhaus. Die Freundin der Tochter musste notoperiert werden, das Messer hatte ihre Bauchwand durchtrennt. „Der Frau muss bewusst gewesen sein, dass sie damit die beiden hätte töten können“, sagte der Richter.

Wieso die Frau zur Tatzeit ein Küchenmesser bei sich trug, ließ sich im Verlauf der Verhandlung nicht klären. „Wir gehen davon aus, dass sie das Messer nicht gezielt mitgenommen hat. Was anderes ließ sich nicht nachweisen“, sagte der Richter. Religiöse Motive spielten in der Urteilsbegründung der Richter keine Rolle. Zu Beginn des Prozesses hatte eine solche Vermutung noch im Raum gestanden. Stattdessen gingen die Richter am Ende von einer Verzweiflungstat aus. Die Mutter habe aufgrund des destruktiven Lebenswandels der Tochter, die auch Drogen genommen haben soll, keinen anderen Ausweg gesehen. Ihre Wut habe in erster Linie der Freundin ihrer Tochter gegolten, die einen schlechten Einfluss auf diese gehabt haben soll. Die geschädigte Tochter lebt inzwischen wieder bei ihrer Familie. Sie hat vor Gericht nicht gegen ihre Mutter ausgesagt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die 42-Jährige hat die Möglichkeit, dagegen Revision einzulegen.