Die tatsächlichen Mietkosten liegen für Empfänger von Sozialleistungen oft höher als die Zuschüsse des Jobcenters – nicht nur in Heilbronn ist das so. Foto: dpa

Zwei Empfängerinnen von Hartz-IV-Leistungen erhalten vor dem Sozialgericht Recht: Ihnen steht mehr Miete zu. Das kann große Folgen, denn vermutlich können jetzt viele Personen höhere Ansprüche anmelden.

Heilbronn - Das Jobcenter der Stadt Heilbronn bezahlt Empfängern von Sozialleistungen unangemessen niedrige Mietzuschüsse – das hat das Sozialgericht Heilbronn entschieden. Zunächst betrifft das Urteil nur eine Mutter und ihre Tochter, die geklagt hatten. Da das Sozialgericht aber selbst von einem Musterprozess spricht, könnte der Fall Auswirkungen auf viele der rund 9000 Personen haben, die in Heilbronn Grundsicherung erhalten. Allerdings ist der endgültige Ausgang offen: Agnes Christner, Sozialbürgermeisterin der Stadt Heilbronn, hat schon mitgeteilt, dass das Jobcenter in Berufung gehen werde.

Konkret bezahlen die 45-jährige Mutter und ihre 23-jährige Tochter monatlich 587 Euro an Kaltmiete für ihre 67 Quadratmeter große Wohnung; darin sind 50 Euro für die Nutzung der Einbauküche enthalten. Das Jobcenter Heilbronn erkannte nur 470 Euro an. Jeden Monat mussten die beiden Frauen also aus ihrer Grundsicherung von zusammen 763 Euro einen nicht unerheblichen Betrag selbst tragen. Die Stadt beruft sich auf ein „schlüssiges Konzept“, das eine Firma in ihrem Auftrag erstellt hatte: Auf der Grundlage tatsächlicher Vermietungen wurde die „abstrakt angemessene“ Miete errechnet.

Doch diese Kalkulation sei „in wesentlichen Teilen nicht valide“, sagt das Gericht. So seien in dem Konzept nur 65 Mietangebote für einen Zeitraum von sechs Monaten zugrunde gelegt worden, und davon entfielen nur zehn auf Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften – in der gleichen Zeit hätten aber 300 Hartz-IV-Haushalte mit zwei Personen real eine Wohnung gesucht. Es liege auf der Hand, betonte das Gericht, dass es damit in der Realität nahezu ausgeschlossen sei, zu der von der Stadt angesetzten Miete eine Wohnung zu erhalten. Künftig müssten die höheren Beträge der Wohngeldtabelle angesetzt werden. Das wären im vorliegenden Fall laut dem Wohngeldrechner des Bauministeriums 500 Euro.

Laut dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung in Koblenz beträgt die Lücke zwischen anerkannten und tatsächlichen Mietkosten deutschlandweit pro Monat 50,7 Millionen Euro; das sind 16,54 Euro pro Haushalt und Monat. Ein Forschungsbericht des Bundessozialministeriums von 2016 zeigt, dass in schätzungsweise drei Vierteln der Kommunen ein „schlüssiges Konzept“ wie in Heilbronn zur Ermittlung der Obergrenzen verwendet wird. Viele Sozialverbände kritisieren seit Langem die ihrer Meinung nach zu niedrigen Mietansätze in vielen Städten und Gemeinden (AZ: S 7 AS 1912/17).