Auch in Uhldingen werden nun solche Schilder wie hier in Freiburg aufgestellt. Foto: pmb/Michael Bamberger

Baden-Württemberg hat vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Streit um die Umsetzung von kommunalen Lärmaktionsplänen den Kürzeren gezogen. Tempo 30 auf innerörtlichen Landesstraßen muss das Land auch dann zulassen, wenn die Lärmpegel niedriger sind als die vorgeschriebenen Grenzwerte.

Stuttgart - Die kleine Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen hat sich durchgesetzt gegen die baden-württembergischen Landesbehörden. In den Ortsteilen Oberuhldingen und Mühlhofen gilt künftig in der Zeit von 22 bis 6 Uhr Tempo 30 auf der Durchgangsstraße, die dem Land gehört, trotzdem die gesetzlichen Grenzwerte knapp verfehlt werden. Als Richtschnur gelten bei den Straßenverkehrsbehörden tagsüber ein Lärmpegel von 70 Dezibel und nachts 60 Dezibel.

Nach Angaben des Bürgermeisters Edgar Lamm (CDU) liegt man entlang der Ortsdurchfahrten der L 201 in Oberuhldingen und Mühlhofen zwei Dezibel unter der nächtlichen Marke. In Oberuhldingen wird die L 201 auch noch von der ebenfalls stark befahrenen B 31 gekreuzt. Auf den zwei Straßen sind jährlich mehr als drei Millionen Fahrzeuge unterwegs, darunter immer mehr Schwerlastverkehr, der ein prosperierendes Gewerbegebiet im nahen Salem anfährt oder verlässt.

Die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) befand nun, das Land müsse das nächtliche Tempolimit entlang der belasteten Ortsdurchfahrt umsetzen, obwohl die Grenzwerte nicht erreicht werden. Dabei verweist der zehnte Senat auf das grundgesetzlich geschützte Gut der kommunalen Selbstverwaltung. Der Landkreis als zuständige Straßenverkehrsbehörde könne nicht das Planungsermessen der Gemeinde durch sein eigenes ersetzen, so die VGH-Richter.

„Ich bin wirklich stolz, dass wir geklagt haben“, sagt der Uhldinger Bürgermeister unserer Zeitung. Der Gemeinderat und er hätten lange überlegt. „Man hat uns immer signalisiert, wir hätten ohnehin keine Chance mit einer Klage“, so Lamm. Die Uhldinger waren aber stets der Auffassung, „das Land und das Landratsamt hätten ihre Ermessensspielräume besser ausschöpfen sollen“. Mit dem grundlegenden VGH-Richterwort habe man nicht nur viel für die eigene Gemeinde, sondern auch für die anderen Kommunen in Baden-Württemberg erreicht.

Das Land will seine Richtlinien überarbeiten

Das Land akzeptiert das Urteil und geht nicht in Revision. Der Richterspruch aus Mannheim „weitet deutlich die Handlungsspielräume von Städten und Gemeinden für den Lärmschutz aus“, erklärt der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die Lärmaktionsplanung der Kommunen werde gestärkt. Davon profitierten etwa 250 000 von Straßenlärm Betroffene im Land zusätzlich. Die Richtlinien, die im sogenannten Kooperationserlass Lärmaktionsplan festgeschrieben sind, würden entsprechend geändert, kündigt der Verkehrsminister an.

Auch Hermanns Kollege Thomas Marwein (Grüne), der Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, begrüßt das Urteil und kritisiert den Bund. Damit habe sich die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen auch bei niedrigeren Lärmpegeln möglich sind. „Der Bund hat hier die Latte viel zu hoch gelegt“, so Marwein, „jetzt können Kommunen dies im Interesse der Betroffenen ausgleichen.“ Beispielsweise hat die Stadt Stuttgart erst vorige Woche ein Gutachten in Auftrag gegeben, um prüfen zu lassen, ob eine nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 entlang der Hauptdurchgangsstraßen die Bürger besser vor Lärm schützt.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen urteilte noch anders

Der Uhldinger Gemeinderat hatte vor sieben Jahren einen Lärmaktionsplan aufgestellt und beschlossen, der die nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer entlang der mit mehr als drei Millionen Autos pro Jahr befahrenen Landesstraße festschreibt. Das Landratsamt des Bodenseekreises als zuständige Straßenverkehrsbehörde hatte sich aber mit Verweis auf die Richtwerte geweigert, dies umzusetzen: Das nächtliche Tempolimit sei nicht verhältnismäßig, schließlich profitierten davon nur etwa 40 Bürger. Dagegen hatte die gut 8000 Einwohner zählende Gemeinde schließlich geklagt und vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen noch verloren.