Der Vorsitzende des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht, Andreas Voßkuhle, verkündet das Urteil zum Beamtenstreikrecht Foto: dpa

Ein Streikrecht für Lehrer und andere Beamte ohne hoheitliche Aufgaben wird es auch künftig in Deutschland nicht geben. Das Bundesverfassungsgericht überrascht mit sehr deutlichen Ansagen und spaltet die Gewerkschaften.

Karlsruhe - Als einen „guten Tag für den öffentlichen Dienst und für die Stabilität in Deutschland“, feiert der Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach das Urteil des Verfassungsgerichts zum weiteren Streikverbot für die Staatsdiener. „Der ideologisch begründete Versuch, Tarifrecht und Beamtenrecht miteinander zu verbinden, ist gescheitert“, sagte er unserer Zeitung. „Das Berufsbeamtentum wird anerkannt.“ Die Klarheit, mit der das Verfassungsgericht den Lehrerberuf unter den besonderen Schutz des Berufsbeamtentums gestellt und damit den Verfassungsrang hergestellt hat, habe ihn überrascht.

Zuvor hatte das Gericht das Streikverbot für Beamte für verfassungsgemäß erklärt und damit die Verfassungsbeschwerden von vier Klägern abgewiesen – vier beamteten Lehrern aus drei Bundesländern, die vom Gewerkschaftsbund unterstützt werden. Dem DGB muss die bevorstehende Niederlage signalisiert worden sein, denn die Führung des Dachverbands war entgegen ihren Ankündigungen in Karlsruhe praktisch nicht vertreten. So muss die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft (GEW), Marlis Tepe, den Kopf hinhalten: „Wir sind enttäuscht“, betont sie und spricht von einem „schwarzen Tag für die Weiterentwicklung von Demokratie und Beteiligungsrechten in Deutschland“. Ob die Kläger nun zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterziehen, werde erst geprüft.

Untrennbar mit der Treuepflicht verbunden

Das Streikverbot für Beamte sei ein „eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums mit Verfassungsrang“, hat der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, zu Beginn der Urteilsverkündung betont. Es sei untrennbar mit der beamtenrechtlichen Treuepflicht sowie dem Alimentationsprinzip verbunden. „Ein Streikrecht für Beamte löste eine Kettenreaktion in Bezug auf die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses aus und zöge fundamentale Grundsätze des Berufsbeamtentums in Mitleidenschaft“, so der Gerichtspräsident. Daher sei das Streikrecht auch nicht denjenigen Beamten zuzuerkennen, die keine hoheitlichen Aufgaben im engeren Sinne wahrnehmen. Die Kategorie „Beamte mit Streikrecht“ käme als dritte Säule hinzu und würde das klare Konzept des zweigeteilten öffentlichen Dienstrechts durchbrechen. Die trennscharfe Differenzierung, wann hoheitsrechtliche Befugnisse wahrgenommen werden, erweise sich als außerordentlich schwierig. Zudem „ließe sich bei länger andauernden Arbeitskämpfen von Lehrern ein funktionierendes Schulsystem nicht mehr durchgängig sicherstellen“.

Keine Ableitung aus europäischem Recht möglich

Karlsruhe stellt auch klar, dass sich ein Streikrecht für deutsche Beamte nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ableiten lasse – ein massiver Widerspruch zu einem Kernargument der Kläger.

Ebenso frustriert wie die GEW-Chefin konstatiert eine der Klägerinnen, Monika Dahl, ein „sehr klares Urteil“. „Wir hatten mehr Partizipation erhofft – da ist ein harter Riegel vorgeschoben worden“, sagt die frühere Lehrerin. Es gebe zwar kein ausdrückliches Streikverbot, aber althergebrachte Grundsätze. „Weil man das immer so gemacht hat, machen wir das weiter so“, zürnt sie über die Haltung des Gerichts. „Dieser Ansicht sind wir nicht.“

„Beamter light“ wird nicht akzeptiert

Zufriedenheit strahlt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, ob der Klarheit des Urteils „in allen Facetten“ aus. Das Gericht habe deutlich gemacht, „dass man hier keinen ‚Beamten light‘ akzeptiert“, sagt er. Und es habe unterstrichen, dass das Streikverbot im engen Zusammenhang mit der Schulpflicht und dem Bildungsauftrag des Staates stehe. Das Verhältnis zwischen angestellten und verbeamteten Lehrern werde sich dadurch nicht verändern. Er fühle sich aber darin bestärkt, „noch stärker einzufordern, dass Lehrer grundsätzlich zu verbeamten sind – in allen Ländern“, so Beckmann. Gerade junge Lehrer zeigten das Interesse, „ins Beamtenverhältnis zu kommen, weil sie dadurch Sicherheit im Berufsleben haben“.

In Stuttgart meldet sich derweil Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Wort: „Ich habe fest mit einem solchen Urteil gerechnet“, sagt er. „Wenn der Beamtenstatus mit dem Streikrecht ginge, könnten wir auch den Kreis quadrieren.“