Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verspricht einen Wandel für Europa. Foto: dpa/Thierry Roge

Die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission steht kurz vor dem Start. Vorher muss Ursula von der Leyen nur noch eine entscheidende Hürde nehmen. Im EU-Parlament wirbt sie für ihr Team – und wird dabei sehr persönlich.

Straßburg - Klimaschutz, Digitalisierung und ein Neuanfang bei der Migration: Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einen umfassenden und für alle Bürger spürbaren Wandel in Europa versprochen. „Wir tun das, weil es das Richtige ist, nicht weil es einfach sein wird“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch vor der entscheidenden Abstimmung über ihre Kommission im Europaparlament in Straßburg.

Von der Leyen präsentierte den Abgeordneten ihr Team von 26 Kommissaren und warb um Zustimmung. Gewinnt die neue Kommission bei dem Votum gegen Mittag eine einfache Mehrheit, kann sie am Sonntag (1. Dezember) ihr Amt antreten und die Vorgänger unter dem Luxemburger Jean-Claude Juncker ablösen. „Meine Botschaft ist einfach: Lasst uns an die Arbeit gehen“, sagte von der Leyen.

Sie warb in ihrer Rede erneut für ihre wichtigsten Ziele, darunter eine neue, stärkere Rolle Europas in der Welt und ein ehrgeiziger Klimaschutz im Rahmen eines „Green Deal“, den sie quasi als erste Amtshandlung angehen will. Zudem betonte sie die Bedeutung der Digitalisierung der Wirtschaft. Europa wolle Regeln und Standards für einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten setzen, um Vertrauen in die vernetzte Wirtschaft zu schaffen.

Enge Partnerschaft mit Großbritannien

Sie bekräftigte ihre Ankündigung eines Konzepts für Asyl und Migration und erinnerte dabei an die 39 Toten, die kürzlich einem Kühllaster in Großbritannien entdeckt worden waren. „Wir sind uns alle einig, dass dies niemals geschehen darf“, sagte von der Leyen. Die Menschen erwarteten, dass Europa eine gemeinsame Lösung für die Herausforderungen der Migration finde. Großbritannien sagte sie trotz des für Ende Januar geplanten Brexits eine enge Partnerschaft zu.

Persönlich wurde von der Leyen in ihrer Kampfansage gegen den Krebs. „Als ich als Mädchen in Brüssel lebte, starb meine kleine Schwester im Alter von elf Jahren an Krebs“, sagte die 61-Jährige, die als Tochter des damaligen EU-Beamten Ernst Albrecht zeitweise in der belgischen Hauptstadt aufwuchs. „Ich erinnere mich an die enorme Hilflosigkeit meiner Eltern, aber auch der medizinischen Betreuer, die sich so liebevoll um sie kümmerten.“ Jeder kenne eine ähnliche Geschichte, sagte von der Leyen. „Europa wird im Kampf gegen Krebs die Führung übernehmen.“

Die drei größten Fraktionen im Parlament - die christdemokratische Europäische Volkspartei, die sozialdemokratische S+D und die liberale Renew - haben bereits ihre Unterstützung für von der Leyens Team angekündigt. Eine Mehrheit galt deshalb als sicher.

Für die EVP lobte Fraktionschef Manfred Weber die Prioritäten der neuen Kommissionschefin und würdigte die Tatsache, dass mehr Frauen denn je in dem Spitzengremium vertreten sein werden: „Eine Schlüsselerrungenschaft ist eine bessere Vertretung der Geschlechter.“

Die Linke will von der Leyen kritisch auf die Finger schauen

Die sozialdemokratische Fraktionschefin Iratxe García Pérez zeigte sich ebenfalls zufrieden. Für die neue Kommission habe der „Green Deal“ Priorität. Es sei aber mehr als eine grüne Agenda nötig. „Wir brauchen eine soziale Seele.“ Renew-Fraktionschef Dacian Ciolos sagte, Europa müsse sich für die großen Herausforderungen rüsten. „Ich fordere drei Dinge: Vision, Leidenschaft und Ehrgeiz.“

Grüne und Linke wollten hingegen nicht für die Kommission stimmen. Grünen-Fraktionschefin Ska Keller äußerte die Befürchtung, dass der Klimaschutz nur halbherzig verfolgt werde, weil kein Umbau der Landwirtschaft absehbar sei. Die Linke will von der Leyen und ihrem Team als kritische Opposition auf die Finger schauen, wie Fraktionschef Martin Schirdewan sagte.

Aufgabe der EU-Kommission ist es, Gesetze vorzuschlagen und die Einhaltung des gemeinsamen europäischen Rechts zu überwachen. Das Kollegium der Kommissare ist ähnlich organisiert wie eine Regierung mit unterschiedlichen Ressorts. Jedes EU-Land soll mit einem Kommissar vertreten sein. Wegen des bevorstehenden Brexits hat Großbritannien keinen Vertreter mehr nominiert und sich damit ein EU-Strafverfahren eingehandelt. Das soll von der Leyens Amtsantritt aber nicht aufhalten.

Die damalige Bundesverteidigungsministerin war im Juni von den EU-Staats- und Regierungschefs für den EU-Spitzenposten ausgesucht worden. Weil drei designierte Kommissare vom Parlament gestoppt wurden und ersetzt werden mussten, konnte sie den ursprünglichen Starttermin 1. November nicht halten.