Max Kruse schuf das Urmel und seine Freunde. Foto: dpa

Er schuf das Urmel, Wutz und Professor Habakuk Tibatong: Kinderbuchautor Max Kruse ist tot. Er starb am 4. September im Alter von 93 Jahren.

Penzberg/Stuttgart - Ein Eisberg wird eines schönen Tages an den Strand der tropischen Insel Titiwu geschwemmt. Darin verborgen ist ein Ei. Staunend blicken die Inselbewohner auf das Wesen, das sich langsam herausschält: Ein Urmel - einer der letzten Dinosaurier, mit Nilpferdschnauze, langem Schweif und kleinen Flügeln. Kinderbuchautor Max Kruse war der Schöpfer des grünen, lispelnden und überaus liebenswerten Urmel. Am vergangenen Freitag ist er im Alter von 93 Jahren gestorben, wie sein Stuttgarter Verlag Thienemann-Esslinger am Montag mitteilte. Kruse lebte zuletzt zurückgezogen im oberbayerischen Penzberg.

Die Geschichten von Urmel und seinen Freunden wurden weltweit mehr als 800.000 Mal verkauft. Insgesamt wurden seine Bücher in zahlreiche Sprachen übersetzt, ihre Gesamtauflage liegt bei über drei Millionen Exemplaren.

Bis ins hohe Alter hinein hatte Kruse sich über seinen Erfolg gewundert. Aber Schriftsteller wollte er schon als kleiner Junge werden. „Da es in meiner Kindheit weder Radio, noch gar Fernsehen und Internet gab, kannte ich nur Bücher, die ich verschlang“, zitierte sein Verlag den Autor zu dessen 90. Geburtstag vor fast vier Jahren.

Sein künstlerisches Elternhaus prägte den 1921 in Bad Kösen an der Saale geborenen Jungen: die Mutter war die Puppenmacherin Käthe Kruse, der Vater der Bildhauer Max Kruse. Für die Puppen und Stofftiere seiner Mutter schrieb er auch sein erstes, 1952 veröffentlichtes Kinderbuch: „Der Löwe ist los“ sollte ursprünglich mit Fotos der von seiner Mutter geschaffenen Figuren illustriert werden.

Kruse schrieb auch einen Fantasy-Roman

Mehr als 50 Kinder- und Jugendbücher hat Kruse geschrieben. Neben dem Urmel sind „Lord Schmetterhemd“ und „Don Blech“ weitere Kruse-Charaktere, die bei der Augsburger Puppenkiste ein Leben an Fäden führten. Aber auch Kurzgeschichten, Gedichte („Schafsgedanken“ oder die Liebesgedichte „Mein Herz beginnt zu schweben“ von 2013) und eine Autobiografie hat er verfasst. Kruses Geschichten wurden unter anderem ins Chinesische, Englische, Finnische, Russische, Koreanische und Dänische übersetzt.

Kruse selbst hielt seinen Fantasy-Roman „Der Schattenbruder“ für sein bestes Buch. Am berühmtesten und beliebtesten aber waren immer sein vorlautes Urmel und die anderen liebenswerten Inselbewohner: Der Waisenjunge Tim Tintenklecks und Professor Habakuk Tibatong, der den Tieren das Sprechen beigebracht hat - sieht man mal von einigen kleinen Sprachfehlern ab. Da ist Pinguin Ping, der dem Waran Wawa seine Riesen-Muschel („Mupfel“!) neidet. Die Schweinedame Wutz („Öff Öff“) kümmert sich um den Haushalt, während draußen auf einem Felsen vor der Küste der Seele-Fant seine „traurögen“ Lieder singt.

„„Ur“ - wie Ur-Zeit, das stand schnell fest, und eine Zärtlichkeits-, eine Verkleinerungsform musste dazu“, sagte der Schriftsteller einmal über die Namensfindung. „Ur-chen, das gefiel mir nicht, Urli auch nicht. Aber Urmel, das passte.“ Nachdem er als Kind oft krank war und in den Genesungszeiten seine Liebe zur Literatur entdeckte, studierte Kruse bis 1943 in Jena. Er arbeitete später als Kaufmann und baute 1945 die Werkstätten seiner Mutter in Bad Pyrmont neu auf. Der alte Betrieb in Bad Kösen war enteignet worden. Das Unternehmen übergab er 1958 an seine Schwester.

Das Urmel und die Evolution

Schon in ihrem Entstehungsjahr 1969 wurde die Geschichte des Urmel von der Augsburger Puppenkiste mit Marionetten nachgespielt und vom Hessischen Rundfunk verfilmt. Mitte der 90er Jahre folgte eine Zeichentrick-Adaption. 2006 und 2008 kamen die Kinofilme „Urmel aus dem Eis“ und „Urmel voll in Fahrt“. Es gibt ein Urmel-Musical, und in einer auf Sat.1 ausgestrahlten Theaterfassung wurde das Drachentier von dem 2012 gestorbenen Komiker Dirk Bach gespielt, der auch zahlreiche Urmel-Hörbücher aufgenommen hat.

45 Jahre nach dem ersten Band erschien 2013 „Urmel saust durch die Zeit“, in dem der Autor Kindern die Evolutionstheorie nahebringen wollte. „Das klingt konstruiert, funktioniert aber bestens“, lobte damals die „Stuttgarter Zeitung“ und sah den Autor „auf der Höhe der Zeit und seiner Kunst“.