Nimwegen aus der Luft: keine Grachten, nirgends Foto: Holland Tourismus, Adobe Stock/Eric Isselée

Hier gibt es mehr als nur Fahrräder: zu Besuch im niederländischen Nimwegen, Europas Grüner Hauptstadt 2018.

Stuttgart - In dieser Stadt hat jeder Einwohner 1,4 Fahrräder und 65 Prozent aller Fahrten in die City und zur Universität werden mit dem Drahtesel zurückgelegt. Bis 2020 soll das Netz der Rad-Highways in der 175 000-Einwohner-Stadt 80 Kilometer lang sein. Kein Wunder, dass sich dort auch das nationale Fahrradmuseum Velorama angesiedelt hat.

Natürlich spielt diese Geschichte in den Niederlanden, und zwar in der ältesten Stadt des Landes. Nimwegen, acht Kilometer von der Grenze zum deutschen Niederrhein entfernt, kennen die meisten nur vom Vorbeifahren auf dem Weg zur Küste oder nach Amsterdam. In diesem Jahr lohnt der Besuch auch deshalb, weil die Stadt den Titel Grüne Hauptstadt Europas trägt und damit Nachfolgerin von Essen ist. Um diesen seit 2010 von der Europäischen Kommission und mehreren Umwelt-Institutionen verliehenen Titel zu bekommen, muss man deutlich mehr leisten, als häufig aufs Fahrrad zu steigen. Abfallmanagement, Energieeffizienz oder nachhaltige Entwicklungen in der Forschung sind aller Ehren wert, aber nicht unbedingt ein Reiseanlass.

Doch in Nimwegen hat man auch an Touristen gedacht. Am zentralen Platz vor dem Valkhof-Museum liegt der Besucherpavillon – natürlich aus Holz errichtet. Dort sind kostenlose Routenpläne erhältlich, die zu einer fünf Kilometer langen Wanderung oder einem 20-Kilometer-Radweg einladen. Die Stationen weisen auf bereits realisierte Projekte hin.

Wasser spielt eine Hauptrolle

an startet im erhöht liegenden Valkhof-Park, der einen Ausblick auf den Fluss Waal bietet. Da sich der Rhein gleich hinter der Grenze teilt, fließt er so-wohl unter diesem Namen als auch als Nederrijn in Richtung Nordsee. Von der Waalkade, der Promenade mit ihren Cafés und Restaurants, sind es nur wenige Schritte vorbei am Naturmuseum De Bastei und dem Velorama bis zu einer steilen Fußgängerbrücke. Hinter der erstreckt sich ein Naturraum, um den wohl die meisten Kommunen Nimwegen beneiden, ein Schutzgebiet mit wilden Eseln und Bisons in Sichtweite der City: der Ooijpolder. Spazieren erlaubt. Bei der Stadtentwicklung spielt auch in dieser niederländischen Kommune das Thema Wasser eine Hauptrolle. Die Natur des Ooijpolders profitiert von ihrer Lage am Ufer des Waal. Gegenüber sieht man eine Promenade. Und die Strände der neuen Insel Veur-Lent sind im Sommer beliebte Treffpunkte. Die Stadt als einen Erholungs- und Freizeitraum für ihre Bewohner zu entwickeln – das ist der nachhaltige Leitgedanke.

Auf Grachten-Romantik muss man allerdings in Nimwegen verzichten, ebenso auf monumentale Hinterlassenschaften der römischen Gründer – anders als beim deutschen Pendant Trier. Zeugnisse dieser Epoche findet man nur im Het Valkhof, einer frühen Arbeit des Architekten Ben van Berkel, der auch das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart gebaut hat. In diesem Museum gelingt der Sprung von der Römerzeit zur Moderne mühelos. Um die City Nimwegens zu erkunden, muss man Holland-untypisch tatsächlich ein paar Treppen steigen. Typisch ist dagegen der Mix aus alter und neuer Bausubstanz. Vom historischen Marktplatz mit dem 400 Jahre alten Gebäude der Stadtwaage sind es nur wenige Kopfsteinpflaster-Schritte bis zur gotischen St. Stevenskerk, die am höchsten Punkt der Stadt errichtet wurde. Um das Gotteshaus drängen sich Ein- und Mehrfamilienhausanlagen, die zeigen, wie man auf engstem Raum Wohnraum schaffen kann. In Deutschland redet man von Verdichtung, hier ist sie realisiert worden – allerdings leider ohne Grün.

Es wird Kaffee geröstet

Überrascht steht man plötzlich vor einem alten Gebäude, der Commanderie van Sint Jan, deren Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Heute wird hier Kaffee geröstet und Bier gebraut. Unterhalb der Stevenskerk verläuft die Hezelstraat mit individuellem Einzelhandel. Sie gilt als älteste Einkaufsstraße der Niederlande und mündet in den Kronenburgerpark, einer weiteren grünen Oase am Rande der Innenstadt.

Rund um den sogenannten Plein 1944, der an die versehentliche Bombardierung der Stadt durch US-Truppen erinnert, die glaubten, ihre Bomben über Deutschland abzuwerfen, wartet die moderne Einkaufsstadt. Auf dem Platz selbst erwehrt sich ein Antikriegsdenkmal der neuen, aufragenden Geschäftshausarchitektur. Hinter dem historischen Rathaus verläuft eine Fußgängerzone auf Kellerniveau, damit unter freiem Himmel auf zwei Etagen geshoppt werden kann. Im ehemaligen Waffendepot Arsenaal werden Speisen und Getränke serviert. Und in der gegenüberliegenden Marienburg-Kapelle informiert das Stadtmuseum über die lange Geschichte Nimwegens.

Alt und Neu finden in der früheren Hansestadt so zusammen, als wäre es das Normalste der Welt. Das muss man nicht immer schön finden, es fühlt sich aber sehr urban an.