Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Airbus A400M mit der Sonderfolierung zur Übung Air Defender 2023 kurz vor dem ersten Start auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf. Foto: Bundeswehr/dpa/Philipp Hiemer

Im Juni gehört der Himmel über Deutschland teilweise Kampfjets, Transport- und Tankflugzeugen. Piloten aus 24 Ländern trainieren für den Ernstfall. Das wird auch erhebliche Auswirkungen auf zivile Flüge haben.

Bei „Air Defender 2023“, der größten Verlegeübung von Kampfflugzeugen seit dem Bestehen der Nato im Juni, will die Bundesluftwaffe Einschränkungen im Luftraum über Deutschland „so gering wie möglich“ halten. Allerdings werde es in den drei militärisch genutzten Luftübungsräumen Nord, Süd und Ost täglich zeitversetzt für etwa zwei Stunden keinen zivilen Flugverkehr geben, teilt die Luftwaffe mit.

Damit der Luftraum dann tatsächlich frei ist, werden dort auch kurze Zeiträume vor und nach diesen zwei Stunden gesperrt werden“, heißt es weiter. Die Fluggesellschaften müssen diese Gebiete dann umfliegen.

Die United States Air National Guard verlegt 100 Luftfahrzeuge nach Europa. Dort üben bei „Air Defender 2023“ insgesamt 24 Nationen gemeinsame Luftoperationen in drei Lufträumen über Deutschland. Foto: B

Was geschieht vom 12. bis 23. Juni?

Der deutsche Luftraum wird vom 12. bis zum 23. Juni Schauplatz der größten Luftwaffenübung seit Ende des Kalten Kriegs. Mehr als 220 Flugzeuge und 20 Jet-Typen aus 24 Nationen nehmen laut Bundeswehr am Manöver „Air Defender 2023“ teil. Sechs davon entsenden Beobachter oder sind logistisch beteiligt. Geübt wird unter anderem die Verlegung von Truppen aus den USA nach Europa.

Deutschland plant und führt diese Nato-Übung und stellt den Luftraum bereit. Um für einen realen Krisenfall gerüstet zu sein, sollen Piloten und Besatzungen nach Angaben der Luftwaffe gemäß dem Prinzip „Train as you fight“ (englisch für: Trainiere so, wie du kämpfst) dort üben, wo sie im Ernstfall eingesetzt werden.

„Wir fliegen an zehn Tagen im gesamten Übungszeitraum. Zehn von 365 Tagen. Ich denke, das ist ein hinnehmbarer Anteil für die Verteidigung unserer aller Freiheit und Demokratie“, sagt der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz.

Wo befinden sich die Luftübungsräume?

Die teilnehmenden Nationen werden hauptsächlich Einsätze von den Standorten aus starten:

  • Jagel/Hohn (Schleswig-Holstein)
  • Wunstorf (Niedersachsen)
  • Lechfeld (Bayern)
  • Spangdahlem (Rheinland-Pfalz)
  • Volkel (Niederlanden)
  • Čáslav (Tschechische Republik)

Wann sind die Lufträume betroffen?

Die drei Hauptdrehkreuze , in denen die Übungen hauptsächlich durchgeführt werden, sind Jagel-Hohn, Wunstorf und Lechfeld. Nach aktuellen Planungen der Luftwaffe wird der . . .

  • Übungsraum Ost mit Teilen der Ostsee und der Küstenregion von Mecklenburg-Vorpommern zwischen 11 Uhr und 13 Uhr 
  • Übungsraum Süd – ein Korridor vom bayerischen Lechfeld zum Übungsplatz Baumholder (Rheinland-Pfalz) – zwischen 14 Uhr und 16 Uhr 
  • Übungsraum Nord – größtenteils über der Nordsee gelegen – zwischen 170 Uhr und 19 Uhr für die militärische Nutzung reserviert sein

Dazu kommen Zeiten vor und nach den Übungen. Am Wochenende finden demnach keine Übungsflüge statt. Die Übungsräume seien überdies weitgehend identisch mit den bereits permanent durch die Luftwaffe genutzten Flugkorridoren.

Inwieweit ist der zivile Luftverkehr beeinträchtigt?

In einer Bekanntmachung der Bundeswehr heißt es: „Für die militärische Übung ‚Air Defender 2023‘ werden in den Fluginformationsgebieten Langen, Bremen und München sowie den oberen Fluginformationsgebieten Hannover und Rhein vorübergehend Gebiete mit Flugbeschränkungen und Gefahrengebiete festgelegt.“

Für die Militär-Jets werden große Lufträume über Bayern (Flughafen München, MUC), Rheinland-Pfalz, Hessen (Flughafen Frankfurt am Main, FRA), Niedersachsen (Hannover Airport, HAI), Hamburg-Fuhlsbüttel (HAM) und Airport Berlin (BER) reserviert.

Beim Stuttgarter Flughafen (STR) rechnet man mit eher geringen Beeinträchtigungen, weil der Airport außerhalb der betroffenen Flugkorridore liegt.

Ist mit längeren Flug- und Wartezeiten zu rechnen?

Ja. Dem zivilen Flugverkehr wird weniger Luftraum zur Verfügung stehen. „Unsere zivilen Kunden müssen also mit verlängerten Flugwegen und voraussichtlich erheblichem Delay (englisch für: Verzögerung) rechnen“, erklärt die Deutsche Flugsicherung (DFS) mit Sitz in Langen (Kreis Offenbach).

Während der Operation werden die Militärflugzeuge nicht von der DFS überwacht. Allerdings müssen die Fluglotsen den gesamten militärischen und zivilen Luftverkehr koordinieren. Die Auswirkungen für Passagiermaschinen seien den Simulationen zufolge „erheblich“, betont eine DFS-Sprecherin.

Welche Folgen hat das für Flugpassagiere?

Die Luftwaffe verweist darauf, dass der unmittelbare Flugbetrieb zu den großen zivilen Flughäfen in Deutschland nicht gesperrt werde, es aber zu teilweise erheblichen zeitlichen Verschiebungen kommen könne. Wie groß diese Verzögerungen sein werden, darüber gibt es derzeit noch keine Informationen.

Die Detailplanung für Flugzeiten und -routen über Deutschland während der Übung sei noch nicht völlig abgeschlossen. Derzeit laufen demnach Simulationen der Deutschen Flugsicherung zusammen mit Eurocontrol. Die finale Planungskonferenz mit allen beteiligten Nationen findet Mitte April statt.

Info: „Air Defender 2023“

Was ist „Air Defender 2023“?
Es handelt sich dabei um ein multinationales Übungsszenario der Nato-Länder für Luftoperationen verbündeter Luftstreitkräfte. Ziel ist es, die Kooperation der teilnehmenden Nationen zu verbessern, auszuweiten und die Stärke des Bündnisses nach innen und außen zu demonstrieren. „Dabei handelt es sich um die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Gründung der Nato“,erklärt ein Sprecher der Luftwaffe. Demnach handele es sich bei dem Manöver um eine „rein defensiv ausgerichtete Übung, die bereits seit 2021 geplant und vorbereitet wird“. Die Dimension sei nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht ausgeweitet worden.

Was bezweckt „Air Defender 2023“?
Das Szenario ist einem Artikel-5-Beistandsszenario (sogenannter Bündnisfall) der Nato nachempfunden. Das bedeutet: Der Bündnisfall beschreibt eine strategische Lage, in der eine von einem der jetzt 31 Mitgliedstaaten aufgrund eines militärischen Beistandsvertrages eingegangene Verpflichtung wirksam wird. Diese besteht darin, in einen Krieg einzutreten, den der jeweilige Bündnispartner führt, bzw. einen Krieg zum Schutze dieses Partners zu beginnen. Eine solche Möglichkeit der sogenannten kollektiven Verteidigung (Recht auf Selbstverteidigung) wird in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen explizit vorgesehen, bis der UN-Sicherheitsrat angemessene Maßnahmen trifft.

Was wird bei „Air Defender 2023“ geübt?
Die an „Air Defender 2023“ teilnehmenden Streitkräfte üben die gemeinsame Reaktionsfähigkeit ihrer Luftstreitkräfte bei einer Krisensituation. Deutschland übernimmt die Rolle eines Verteidigungsknotenpunkts innerhalb Europas. Während der zwei Wochen dauernden Übung verlegt die US United States Air National Guard 100 Flugzeuge nach Europa.