Das urbane Gartenprojekt Inselgrün auf dem Gelände Club Zollamt in Bad Cannstatt: Statt in Blumenkübeln gedeihen Pflanzen in Jeans, alten Turnschuhen und sogar Einkaufswagen. Foto: Sander Pitl

Städter wollen Wurzeln schlagen und sich erden. Am liebsten in Nachbarschaftsgärten mitten in der Großstadt. Davon entstehen derzeit viele – in solch vielen unterschiedlichen Arten, wie es Blumensorten gibt.

Stuttgart - Ein kleines Bömbchen aus Erde und Pflanzensamen kann zwar nicht die Welt retten, aber sie doch ein wenig schöner machen. Gedacht sind diese Samenbomben dafür, triste Innenstädte zu verschönern: Da blühen plötzlich Kornblumen, Ringelblumen, Tagetes, Sonnenhut und Malven auf dem schmalen Grünstreifen an der Bushaltestelle und im Straßengraben.

Das sind wohl die kleinsten grünen Oasen, die ein jeder in der Stadt schaffen kann. Urbaner Gartenbau hat aber viele Facetten: Inmitten der Stadt entstehen derzeit Gemeinschaftsgärten, Dachgärten, interkulturelle Gärten und Schrebergärten. Denn Urban Gardening liegt im Trend.

Warum? Irmgard Lochner-Aldinger, Ingenieurin und Professorin für Architektur an der Hochschule Biberach, gibt selbst ein gutes Beispiel dafür ab, warum Menschen wieder mehr Grün in der Stadt wollen: „Ich wohne mitten in Stuttgart und bin eine überzeugte Stadtbewohnerin – auch mit Kind. Das ist eine moderne Lebensform: Fünfzig Prozent aller Menschen wohnen in einem urbanen Umfeld, die Tendenz ist steigend. Gerade deshalb ist es wichtig, in der Stadt grüne Oasen zu schaffen.“

Seit einiger Zeit engagiert sich Lochner-Aldinger bei der Stiftung Geißstraße 7 für interkulturelles Gärtnern. „Ich möchte die Idee der Stiftung, die sich dafür einsetzt, die verschiedenen Kulturen in Stuttgart zusammenzubringen, mit der Idee des urbanen Gartenbaus verbinden“, sagt Lochner-Aldinger. Schließlich sei der Garten in allen Kulturen verankert, so dass dies ein Ort sein kann, um Nachbarn zusammenzubringen.

Am 26. Februar um 19 Uhr lädt Irmgard Lochner-Aldinger zu der Veranstaltung „Grüne Heimat – Urban Gardening in Stuttgart“ in die Geißstraße 7 (Anmeldung per Mail an stiftung@geissstrasse.de oder telefonisch unter 2 36 02 01). Lochner-Aldinger zeigt Fotomontagen, wie solch ein interkultureller Garten aussehen könnte. „Es gibt noch kein konkretes Projekt“, sagt sie – aber gemeinschaftlich könnte eines entstehen.

Zu der Veranstaltung kommen auch Stuttgarter, die bereits ein Gartenprojekt betreiben, um sich mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Ideen einzubringen – denn all diese Projekte haben zwar gemein, dass die Stadt durch sie grüner werden soll, sie unterscheiden sich aber stark voneinander. Wir stellen eine Auswahl vor.

Inselgrün

Inselgrün

Gemüse, das im Einkaufswagen wächst? Kräuter, die in alten Turnschuhen bestens gedeihen? Blumen, die aus Jeans sprießen? Das gibt es! Zu bewundern sind diese ausgefallenen Blumenkübel, die mit bester regionaler Erde gefüllt sind, in Bad Cannstatt. Dort betreut Birgit Haas seit Oktober 2012 ein kleines Stück Land auf dem Gelände Club Zollamt. Haas betreibt eine Handelsagentur in der Grünen Branche, einst studierte sie jedoch Kunst. „Ich habe mich aber in Galerien nie wohlgefühlt, die Natur bietet mir einen weniger elitären Ausstellungsraum“, sagt sie. Im April ist Inselgrün (www.urbanstuttgarten.de) auf der Gartenmesse eingeladen – dann werden die Einkaufswagen zu mobilen Gärten.

Stadtacker Wagenhallen

Stadtacker Wagenhallen

Schöner werden sollte Stuttgart – das war das Anliegen des Architekturfestivals „72 Hours Urban Action“, das 2012 stattfand. Das ist geglückt – auch, weil dabei der Stadtacker bei den Wagenhallen entstand. 15 Meter Boden wurden ausgehoben, und eine landwirtschaftliche Fläche wurde eingerichtet. Seitdem kann jeder, der Interesse hat, dort ein Beet bekommen, um dies nach eigenen Vorstellungen und mit eigenem Saatgut zu bepflanzen und zu pflegen. Die Stadt fand dieses Projekt übrigens so gut, dass es den Umweltpreis bekam.

Dein Beet

Dein Beet

„Wir lieben Gemüse und unseren Garten“, sagen Stefan und Eva Grubmiller. Und an diesem Glück möchten sie auch andere teilhaben lassen. Bereits 2012 pachteten sie direkt neben dem Calendula-Kräutergarten bei Stuttgart-Mühlhausen ein großes Stück Land, das sie nun parzellenweise an Städter weitervermieten. Wenn die Saison bei Dein Beet (www.deinbeet.de) Mitte April eröffnet wird, kann man bereits Radieschen und Ackersalat ernten. „Wir wollen unseren Gärtnern eine lange Saison bieten“, sagt Stefan Grubmiller, der als Gärtnermeister im Calendula-Kräutergarten arbeitet. Zudem ist dem Paar wichtig, den Menschen etwas über Pflanzen beizubringen . „Vor allem Kinder sollen erfahren, woher ihr Essen kommt“, sagt Stefan Grubmiller.

Garten Stöckach

Garten Stöckach

Brachliegende Flächen müssen nicht zu undurchdringlichen Urwäldern verkommen. Und nein, sie müssen auch nicht gleich bebaut werden. Es gibt eine viel schönere Nutzung: Der Nachbarschaftsgarten Stöckach e.V. kümmert sich seit über zwei Jahren um ein momentan ungenutztes Grundstück der Stadt Stuttgart oberhalb des Stöckachplatzes an der Landhausstraße. „Unser Ziel ist es, die freie Fläche gemeinschaftlich zu nutzen“, sagt Sonja Wieland, die Vorsitzende des Vereins. Das gelingt: Zwölf Familien fünf verschiedener Nationalitäten haben sich auf 200 Quadratmetern ein kleines Paradies geschaffen. Bis 2015 ist ihnen die Nutzung zugesichert, dann wird ein neuer Bebauungsplan zeigen, wie es im Osten weitergeht.

Meine Ernte

Meine Ernte

Natalie Kirchbaumer und Wanda Ganders bieten seit vergangenem Jahr unter dem Namen Meine Ernte (www.meine-ernte.de) Gartenfreunden einen Gemüsegarten an. Dafür pachten die beiden Unternehmerinnen in mehreren Städten Flächen – in Stuttgart auf dem Hof Sperling in Stuttgart-Mühlhausen und beim Bauer Klaus in Möhringen – und vermieten sie dann weiter. Rund 220 Familien können dann die zwanzig Sorten Gemüse ernten, mit denen jedes Feld bereits bepflanzt ist. Infoabende sind am 26. Februar um 19 Uhr in Mühlhausen, Hof Sperling, Hofsträßle 40, und am 27. Februar um 19 Uhr in Möhringen, Bauer Klaus, Lohäckerstraße 18.