Ein Beschäftigter der Firma Fried bei der Montage des Freee-Elektrorollstuhls Foto: Gottfried Stoppel

Das Elektrogefährt Freee hat optisch wenig mit einem klassischen Rollstuhl zu tun – und es ist doch für die gleiche Zielgruppe gedacht. In Urbach ist der Umbau des Segways konstruiert worden – in einer Firma, eigentlich die auf das Gießen von Kunststoffteilen spezialisiert ist.

Urbach - Auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein – das klingt sehr nach Grenzen, Verzicht und wenig Sportlichkeit. Das familiengeführte Urbacher Unternehmen Fried ist dieses Manko konstruktiv angegangen. Seit gut zwei Jahren stellt ein Tochterunternehmen Elektrorollstühle namens Freee her, auf denen man unkonventionell unterwegs sein kann. Die Grundplattform des Gefährtes ein zweirädriger Segway-Roller, die Fortbewegung hat dank seines Elektroantriebs wenig mit dem beschwerlichen Rollstuhlfahren zu tun. „Wir könnten es als Sportwagen unter den Rollstühlen bezeichnen“, sagt Gerhard Fried, einer der Geschäftsführer.

Gut zwei Jahres Entwicklungszeit stecken in dem zweirädrigen Fahrzeug, das vom Stand- auf Sitzbetrieb umgerüstet worden ist. Der Handgriff mit der Steuerungskomponente des Segways liegt nun viel tiefer, wo man für gewöhnlich steht, ist ein Sitzpolster installiert. Ein Fußbrett mit Begrenzungen hilft, die Beine auch bei Erschütterungen stabil zu halten. Neben den Rädern sind zwei kleine Stützen eingebaut, wodurch der Segwayfahrer sein Gefährt überall parken und darauf sitzen bleiben kann. Die Art der Steuerung ist indes dem Segway sehr ähnlich. Kurven fahren, beschleunigen und bremsen können die Fahrer durch entsprechendes Neigen des Oberkörpers. Ein gewisses Maß an Beweglichkeit ist daher erforderlich, das Freee im Griff zu behalten.

Der Zugang zu dem Thema war ein sehr persönlicher. Ein Bruder des technischen Geschäftsführers Andreas Fried ist aufgrund einer Viruserkrankung seit vielen Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Aus diesem Grunde kennen die Firmenchefs die Situation Mobilitätseingeschränkter gut. Viele seien Männer im mittleren Alter, die durch Unfälle von heute auf morgen auf Rollgefährte angewiesen seien. Mit diesem Einschnitt ändere sich das Leben grundlegend. „Vieles wird zum Kampf“, sagt Andreas Fried. Die jüngeren Betroffenen versuchten, der Einschränkung mit Sportlichkeit zu begegnen. Sie kauften sich dafür so genannte Handbikes, bei denen man mit den Armen eine Tretbewegung ausführt und damit ansehnliche Geschwindigkeiten erreichen kann.

Ursprünglich, so sagt Andreas Fried, habe man diese jüngeren Rollstuhlfahrer als Zielgruppe im Blick gehabt, nun orientiere man sich eher an den älteren Kunden. Dank dem Freee gelinge es, mehr Freizeitaktivitäten nachzugehen – etwa im hügeligen Terrain oder, mit einer schnelleren Variante des Rollstuhls, auf gemeinsamen Radeltouren. Auch zur Fortbewegung in der Innenstadt eigne sich das elektrische Vehikel gut, sagt Andreas Fried. Die Räder meisterten jedes Kopfsteinpflaster, der Einkauf finde in einem Einkaufskorb Platz.

Als anspruchsvoll erwies sich hingegen die Frage der Zulassung. Für Segways existiert seit dem Jahr 2009 zwar eine spezielle Verordnung, für den Freee hat diese aber keine Gültigkeit, weil der Umbau für Sitzende ausgelegt ist. Momentan behilft man sich daher mit Sondergenehmigungen. Dass die Frieds Gespräche mit Politikern und Ministerien geführt haben, könnte sich jedoch bald auszahlen. Im Laufe dieses Jahres soll eine spezielle Verordnung für das Freee geschaffen werden. Offiziell fahren dürfte man dann auf Wegen, die für Mofas oder Fahrräder freigegeben sind: sogenannte Fahr- und Gehwege sowie kleinere Straßen „dritter Ordnung“.

Eine bedeutende finanzielle Investition bleibt der Freee dennoch: Die Variante, die nicht schneller als zehn Stundenkilometer fahren kann, kostet rund 17 000 Euro, wegen des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Rollstühle. Für schnellere Varianten gilt dieser nicht mehr, sie kosten rund 19 000 Euro. Ein Betrag, der bisher nicht von den Krankenkassen übernommen wird. „Wir streben nicht die Zulassung als medizinisches Hilfsmittel an“, sagt Gerhard Fried. Seitens der Berufsgenossenschaften, die den Freee für die Wiedereingliederung nutzen könnten, gebe es hingegen vielversprechende Signale.

Zurzeit wird der Freee von einem einzelnen Mitarbeiter im Urbacher Standort montiert. Rund 50 Stück sind bereits verkauft worden. „Noch ist es ein Baby“, sagt Gerhard Fried. Man hoffe, das Gerät bald bekannter zu machen – und mit wachsender Nachfrage an Größe zuzulegen.