Die 27-jährige Aktivistin Gina Martin startete eine Petition für ein Verbot von „Upskirting“. Mehr als 110 000 Unterschriften sammelte sie dafür. Nun steht das Vergehen in England unter Strafe. Foto: AFP

Wer in Großbritannien Frauen unter den Rock fotografiert, muss künftig mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen. Dank des unermüdlichen Kampfes einer jungen Frau hat das Parlament ein Gesetz beschlossen.

Stuttgart/ London - Das Oberhaus des britischen Parlaments hat ein Gesetz gegen das Fotografieren unter Frauenröcke verabschiedet. Dank der monatelangen Kampagne einer jungen Engländerin wird das so genannte „Upskirting“ künftig bestraft. Die 27-jährige Aktivistin Gina Martin feierte das am Dienstag beschlossene Verbot bei Twitter: „Ich bin erschöpft und so glücklich“, schrieb Martin.

Martin hatte den Kampf gegen das heimliche Fotografieren unter Röcke und Kleider nach eigener schlechter Erfahrung bei einem Musikfestival 2017 aufgenommen. Sie startete eine Petition für ein Verbot der unerlaubt gemachten Bilder. Mehr als 110 000 Unterschriften sammelte sie dafür. Zugleich habe sie Hassbotschaften in den sozialen Netzwerken einstecken müssen: „Ein Jahr lang erhielt ich Vergewaltigungsdrohungen. Tenor war, es sei meine eigene Schuld, weil ich einen Rock trug“.

In Deutschland gibt es keinen Paragrafen, der das „Upskirting“ verbietet

Mit der Entscheidung des Oberhauses ist „Upskirting“ in England und Wales künftig untersagt, Tätern droht eine Haftstrafe. Martin ist überzeugt, dass ihr auch die #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Übergriffe geholfen habe. „Sie wussten genau, dass sie zuhören mussten und dass diese internationale Debatte es ihnen nicht mehr ermöglichte, das einfach unter den Teppich zu kehren.“

In Deutschland gibt es keinen Paragrafen, der das „Upskirting“ verbietet. Laut Rechtsanwalt Christian Solmecke, Partner der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Wilde Beuger Solmecke hätten Gerichte in der Vergangenheit geurteilt, dass ein solches Verhalten keine Beleidigung darstellt. „Es gibt einen 2014 neu eingeführten Paragrafen, dieser beinhaltet, dass nur bestraft wird, wer entweder heimliche Aufnahmen in einer Wohnung oder intimen Räumen wie einer Toilette oder Umkleidekabine anfertigt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.“

Baden-Württembergs Justizminister sieht Handlungsbedarf

Fotos auf offener Straße fielen demnach nicht unter das Verbot. Und so lange die Frau nicht berührt werde, handle es sich laut Solmecke auch nicht um sexuelle Belästigung. Es sei hingegen strafbar, ein Foto, das dem Ansehen der abgebildeten, identifizierbaren Person erheblich schaden könnte, an Dritte weiter zu geben. Für die Veröffentlichung von „Upskirting“-Fotos im Internet könne man also belangt werden – für die Speicherung auf dem eigenen Smartphone aber nicht.

Der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) sieht hier Handlungsbedarf. „Es handelt sich um einen tief greifenden und verletzenden Eingriff in die Privatsphäre von Frauen und Mädchen. Wir werden daher prüfen, ob hier möglicherweise Strafbarkeitslücken bestehen, und gegebenenfalls über Sanktionsmaßnahmen nachdenken“, heißt es auf Nachfrage. Nötigenfalls müsse man „auch mit den Mitteln des Strafrechts klarmachen, dass wir Eingriffe in die Intimsphäre von Frauen und Mädchen nicht dulden“, so Wolf.

Ob sich der deutsche Gesetzgeber des Themas annimmt?

Rechtsanwalt Solmecke verweist noch auf einen anderen Zusammenhang. Zwar habe die neue Gesetzgebung in Großbritannien keine direkten rechtlichen Auswirkungen auf die Gesetzgebung in Deutschland. Auch sei die EU nicht befugt, das Strafrecht der Nationalstaaten zu regeln, sodass hier der deutsche Gesetzgeber agieren müsste. „Es ist aber in Zeiten von #metoo nicht unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber den britischen Fall zum Anlass nehmen könnte, um auch hierzulande ein solches Verhalten zu bestrafen“, sagt Solmecke. So ist etwa anlässlich der massenhaften Belästigung von Frauen zu Silvester 2015/2016 in Köln der neue Paragraf 184 i StGB geschaffen worden, der belästigende Berührungen erstmals unter Strafe gestellt hat.