Bei einem Blitzschlag durchzucken den Körper mehrere 10.000 Ampere. Foto: dpa

Die Wahrscheinlichkeit ist nicht allzu hoch, wenn es jemanden aber trifft, sind die Folgen oft verheerend. Was passiert mit einem Menschen, wenn er vom Blitz getroffen wird?

Stuttgart - Im Volksmund heißt es, die Wahrscheinlichkeit von einem Blitz getroffen zu werden ist höher, als die Wahrscheinlichkeit im Lotto zu gewinnen. Den Lottogewinn würde wohl jeder dankend annehmen, ganz im Gegensatz zu einem Blitzschlag. Im Jahr werden allein in Deutschland bis zu 100 Menschen direkt oder indirekt vom Blitz getroffen. Ungefähr zehn Prozent überleben das nicht. Die häufigste Todesursache ist dabei der Herzstillstand. Ein direkter Blitzeinschlag in den Körper führt umgehend zum Tode durch Herzversagen. Diese direkten Einschläge sind aber eher selten, häufiger sind Verletzungen durch einen Seitenschlag oder Bodenleitung.

Ein Blitz ist eine Gleichstromentladung und kann eine Stromstärke von bis zu 100.000 Ampere und eine Temperatur von etwa 30.000 Grad Celsius erreichen, was in etwa fünf Mal so heiß wie die Sonnenoberfläche ist. Wenn der Körper von einem Blitz getroffen wird, fließen Stromstärken von mehreren 10.000 Ampere. Dabei unterscheiden sich die Verletzungen aber von konventionellen Stromunfällen, wie beispielsweise Unfällen mit Starkstrom. Berührt der Betroffene zum Beispiel eine Oberleitung, führt das oft zu schwerwiegenderen Gewebeverletzungen als bei einem Blitzschlag.

Das Phänomen Blitzschlag ist in medizinischer Hinsicht noch nicht ausreichend erforscht und die Diagnose gestaltet sich mitunter schwierig. Kein Blitzschlag gleicht dem anderen und kein Blitzschlag-Opfer hat exakt dieselben Verletzungen wie ein vergleichbarer Fall. Die Universitätsklinik in Regensburg ist eine der wenigen Einrichtungen, welche explizit Forschung auf diesem Gebiet betreibt. Roland Backhaus, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg, ist einer der Experten für Blitzeinschläge bei Menschen.

Was passiert bei einem Blitzschlag?

Der Experte Backhaus erklärt: „Der Großteil der Ladung läuft über die Körperoberfläche zum Boden. Dabei verdampfen Flüssigkeiten wie Regenwasser und Schweiß und können hochgradige Verbrennungen verursachen und Kleidung zerfetzen. Es kann zu vorübergehenden oder bleibenden Hörschäden kommen (Knalltrauma) und zu vorübergehender Blendung (Reizung der Netzhäute). Neuerdings gibt es Vermutungen, dass Blitze dünne Nervenverästelungen zerstören, was oft zu bleibenden Schmerzen und Gefühlsstörungen führen kann.“ Zudem werden Menschen teilweise einige Meter durch die Luft geschleudert, wodurch traumatische Schäden entstehen können.

Obwohl die Folgen eines Blitzschlages meist unterschiedlich sind, haben die meisten Blitzgeschädigten einige Merkmale gemein, wie die kurzzeitige Bewusstlosigkeit und eine manchmal mehrere Stunden andauernde Blitzlähmung (Keraunoparalyse). Sehr oft kommt es auch zu Herzrhythmusstörungen oder zu einem kompletten Herzstillstand. „Der Blitz kann über Mund, Nase, Ohren, Augen in das Innere des Körpers gelangen und so regulative Mechanismen im Hirnstamm ausschalten. Man vermutet, dass das zum Herzstillstand führt. Eine andere Theorie suggeriert: Blitze wirken direkt auf das Herz und legen die Funktion lahm, ohne Schaden an den Zellen zu verursachen“, so Roland Backhaus.

Wichtig ist, dass mit dem Reanimationsmaßnahmen am besten sofort nach dem Blitzeinschlag begonnen wird. Dies führt zu einer deutlich erhöhten Chance des Überlebens. Der Mythos der „Restladung“ ist bei Blitzunfällen ist falsch und kann Leben kosten.

„Viele Menschen, die vom Blitz getroffen wurden berichten über Störungen der kognitiven Leistung, wie fehlende Konzentration oder Aufmerksamkeit. Dies kann so stark ausgeprägt sein, dass sie zur Berufsunfähigkeit führen“, erklärt der Experte. Auch Sensibilitätsstörungen sind nicht selten, sowie Schlafstörungen und deutlich verminderte Belastungsfähigkeit. Oft führen Blitzeinschläge außerdem zu Gedächtnisverlust, Schwerhörigkeit bis Taubheit und Sehproblemen.

Viele Opfer kämpfen mit Spätfolgen

Obwohl die Wahrscheinlichkeit von einem Blitzeinschlag getroffen zu werden nicht sehr hoch ist, können daraus erhebliche Verletzungen entstehen. Auch Spätfolgen sind nicht selten. Viele Blitzopfer haben psychiatrische, kognitive oder neurologische Probleme. Einige erkranken an Depressionen oder entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung. Ein Blitzschlag kann ein traumatisches Erlebnis sein.

Eine Studie der Neurologischen Universitätsklinik Regensburg hat die Spätfolgen bei Blitzopfern untersucht. Der Fokus lag dabei auf den geschädigten Nerven der Patienten und den Auswirkungen dieser Schäden auf ihre Gesundheit. Auch die psychologischen Folgen waren Teil der Dokumentation. Diese reichten von Gedächtnisstörungen bis hin zu schweren Traumata.

Etwa die Hälfte der untersuchten Blitzopfer litt unter beachtlichen Spätfolgen des Blitzschlags, zeigt die Studie. Typisch waren psychische Probleme, die teils erst Wochen oder Monate später auftraten. Das Spektrum der Probleme reichte von leichten Depressionen über Halluzinationen und Alpträumen bis hin zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Wie sollte man sich schützen?

Eine hilfreiche Verhaltensregel ist die sogenannte „30-30 Regel“: Ist der Zeitunterschied zwischen Blitz und Donner kleiner als 30 Sekunden sollte man sich einen Schutz suchen. Diesen Schutz erst nach Ablaufen von mindestens 30 Minuten nach Hören des letzten Donners oder Sehen des letzten Blitzes verlassen, rät Roland Backhaus. Falls zwischen Blitz und Donner mehr als 30 Sekunden liegen ist das Gewitter am Abziehen.

Den besten Schutz vor Gewitter bieten von Blitzableitern geschützte geschlossene Gebäude oder Autos, die einen Faradayschen Käfig bilden, dabei müssen auch die Fenster geschlossen sein. Wenn man sich bei einem Gewitter auf freiem Feld befindet, sollte man sich dringend einen Unterschlupf suchen, da hier eine erhöhte Blitzschlaggefahr besteht. Laut dem Experten stellen auch Strommasten einen geeigneten Schutz dar, der Blitz wird dort über Erdungskabel abgeleitet. Meiden sollte man in jedem Falle Anhöhen, Metallzäune, Holzhütten und frei stehende Bäume.

Ist auf offenem Gelände kein Unterschlupf in Sicht, kauert man sich am besten mit eng nebeneinanderstehenden Füssen auf den Boden. Auf keinen Fall sollte man sich komplett auf den Boden legen, bei Blitzschlag drohen hier großflächige Verbrennungen am ganzen Körper. Falls es trotzdem zu einem Blitzschlag mit Herz-Kreislauf- Stillstand kommt, sofort reanimierende Maßnahmen einleiten und den Notarzt kontaktieren.