Nach dem Unwetter im Osten Mallorcas: Die Anwohner säubern ihre Häuser von der braunen Schlammflut. Foto: dpa

Auch ein deutsches Urlauberpaar ist bei dem Unwetter auf Mallorca ertrunken. Erschöpfte Anwohner versuchen, ihre Häuser von der braunen Schlammflut zu säubern. Hätten sie gewarnt werden können?

Palma - „Wir wollen keine Fotos“, sagt ein übermüdeter Ladenbesitzer in Sant Llorenç des Cardassar zur Reporterin der Zeitung El País. „Wir wollen, dass ihr einen Besen nehmt und fegt.“ Anderthalb Tage nach den katastrophalen Wolkenbrüchen im Osten Mallorcas kämpfen die einen gegen die Spuren der Verwüstung, die die Schlammflut aus den nahen Bergen in der Nacht zum Mittwoch angerichtet hat. Andere sind auf der Suche nach Bildern: Fotografen, Kameraleute, aber auch neugierige Zuschauer, die dem Reiz des Desasters nicht widerstehen können.

Manche haben mit Kameras bestückte Drohnen aufsteigen lassen, um einen Panoramablick von der zerstörten Landschaft einzufangen. Die Guardia Civil droht, sie abzuschießen: Der Luftraum muss für Hubschrauber frei bleiben. Die Hilfe steht an erster Stelle.

Am Donnerstag werden noch zwei Leichen gefunden

800 Rettungskräfte sind am Donnerstag in Sant Llorenç, in Artà, in S‘Illot im Einsatz, auch 80 Soldaten vom spanischen Festland. Ihre dringlichste Aufgabe: die Suche nach drei Vermissten, einem fünfjährigen Kind aus der Gegend und einem deutschen Urlauberpaar, 61 und 63 Jahre alt. Dessen Auto wurde auf der Landstraße zwischen Artà und Canyamel gefunden, leer.

Am Donnerstagnachmittag dann die Meldung, dass die Leichen einer Frau und eines Mannes gefunden worden seien, bei denen es sich um die vermissten Deutschen handeln könnte. Das letzte Lebenszeichen des Paares stammte vom Dienstagabend, als es aus dem Auto heraus eine Freundin anrief, sie hätten Schwierigkeiten mit dem Wagen.

Ein trockenes Bachbett verwandelte sich in Minuten zu einem reißenden Wildbach

Mit denen Fund vom Donnerstag sind mindestens zwölf Menschen bei diesem Unwetter ums Leben gekommen, das über die liebliche Gegend im Osten Mallorcas hereinbrach wie eine biblische Plage. Ein trockenes Bachbett hatte sich in wenigen Minuten zu einem reißenden Wildwasser verwandelt, voller Schlamm, Gestein und Gestrüpp. „Das kann man nicht beschreiben, ohne es erlebt zu haben“, sagt die Zweite Bürgermeisterin von Sant Llorenç, Antonia Bauza. Alle Zeugen sind sich einig in der kaum glaublichen Plötzlichkeit der Katastrophe: „In zwei Minuten: pam! Wir hatten keine Zeit für gar nichts“, berichtet eine Überlebende in El País.

Bis auf anderthalb Meter Höhe drang die Schlammflut in die Häuser am Rande ihres Weges talabwärts ein. Die meisten Menschen konnten gerade noch rechtzeitig in die höheren Etagen ihrer Häuser fliehen. Die Flut riss ihr Möbel davon und hinterließ nur Dreck. Der muss jetzt weg. Die Menschen fegen und schaufeln und stöhnen über ihr Unglück. Es sind rund 200, denen das Unwetter ihre Habe genommen hat. In den Straßen ist schweres Gerät unterwegs, um Autos, Kühlschränke, Hausrat beiseite zu schaffen. Das Aufräumen wird noch lange dauern.

Das Ausmaß der Niederschläge am Dienstagabend war außergewöhnlich

Hätten die Menschen gewarnt werden können? Der staatliche meteorologische Dienst Aemat sagt: nein. „Sintflutartiger Regen ist nichts Ungewöhnliches am Mittelmeer“, erklärt Aemet-Sprecher Rubén del Campo. Aber das Ausmaß der Niederschläge am Dienstagabend sei außergewöhnlich gewesen. Der Wetterdienst hatte für den Dienstag starke Regenfälle auf den Balearen angekündigt. Aber während einige Gegenden Mallorcas völlig trocken blieben, konzentrierten sich die Wassermassen über dem Osten der Insel. Das sei so präzise nicht vorherzusagen.

Plötzlicher Starkregen hat in den vergangenen Jahrzehnten in Spanien immer wieder für Katastrophen gesorgt. 1957 starben in Valencia 81 Menschen, als der Stadtfluss Turia über die Ufer trat – er wurde danach in ein künstliches Bett verlegt, das an der Stadt vorbeiläuft. Der menschengemachte Anteil an diesen Katastrophen ist die Unverantwortlichkeit, mit der lange Zeit Häuser in Gegenden gebaut wurden, die potenzielles Überschwemmungsgebiet sind.

Viele Bachbette können jahrelang trocken liegen und sich, so wie jetzt im Osten Mallorcas, in kürzester Zeit in reißende Ströme verwandeln. Auch hier war die Gefahr bekannt, aber die Infrastruktur ist auf das außergewöhnliche, aber dennoch erwartbare Ereignis nicht vorbereitet. Die Wahrscheinlichkeit solcher punktueller Sintfluten ist mit dem Klimawandel noch gestiegen.