Bis in den Abend wird Innenminister Thomas Strobl am Freitag befragt. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Eigentlich wollte Thomas Strobl an diesem Freitag zur Weinlese. Stattdessen verbringt er Stunden im Landtag. Im Untersuchungsausschuss geht es um die Affäre um sexuelle Belästigung bei der Polizei und indirekt um Strobls Zukunft.

Nach fünfeinhalb Stunden reißt Thomas Strobl doch einmal der Geduldsfaden: „Sie unterstellen in Ihrer Frage Sachverhalte, die ich vorher schon verneint habe. Das können Sie ja tun, aber ganz in Ordnung ist es nicht“, sagt Thomas Strobl in Richtung des SPD-Obmanns Sascha Binder.

 

Davor bleibt der Innenminister zumindest äußerlich gelassen, nur das Wippen seines Beines verrät von Zeit zu Zeit eine gewisse Unruhe. Strobl ist als erster Zeuge im Untersuchungsausschuss um die Affäre zu sexueller Belästigung und Beförderungen bei der Polizei geladen. Über Stunden wird er am Freitag im Landtag befragt. Das allein ist schon bemerkenswert, denn in einem Komplex ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Innenminister. Die Sitzung zieht sich bis in den Abend.

Das Thema ist heikel für Strobl – der Ausgang könnte über seine politische Zukunft entscheiden. Von seinem Zeugnisverweigerungsrecht macht er dennoch erst nach zehn Stunden Gebrauch, als es in einer Frage um den aktuellen Verfahrensstand und einen möglichen Deal mit der Staatsanwaltschaft geht. „Wie die Staatsanwaltschaft auch, möchte ich mich dazu nicht äußern.“

Opposition forder Rücktritt

Die Fraktionen von SPD und FDP haben den Ausschuss gefordert. Darin geht es eigentlich um den Verdacht der sexuellen Belästigung durch den ranghöchsten Polizisten im Land, den Inspekteur der Polizei, sowie um Stellenbesetzungsverfahren auf Spitzenposten bei der Polizei – und um einen Brief, den der Innenminister in diesem Zusammenhang an einen Journalisten unserer Zeitung gegeben hat. Die Opposition will aufarbeiten lassen, wie Strobl – als Innenminister auch oberster Dienstherr der Polizei – und sein Apparat sich verhalten haben.

Der Inspekteur der Polizei steht im Verdacht, eine Kollegin sexuell bedrängt und seine Position als oberster Polizeibeamter im Land ausgenutzt zu haben. Es geht auch um die Frage, wie der Beamte auf seinen Posten kam. Der Mann ist inzwischen vom Dienst suspendiert, ein Disziplinarverfahren läuft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Ende vergangenen Jahres gegen ihn.

Ein Fehler, den Strobl bereut

Strobl hatte in dem Fall maximale Transparenz angekündigt – und selbst etwas veranlasst, was ihn jetzt teuer zu stehen kommen könnte. Er hatte am 23. Dezember 2021 einen Brief vom Anwalt des Inspekteurs an einen Journalisten unserer Zeitung geben lassen. Aus Strobls Sicht konnte daraus der Vorschlag herausgelesen werden, den Vorfall auf dem kurzen Dienstweg zu regeln. Er habe sofort die Sprengkraft bemerkt, die das Gesprächsangebot beinhaltete, sagte er am Freitag. Hätte er es nicht veröffentlicht, hätte das Fragen aufgeworfen.

Doch ganz auflösen, warum er in der Folge nicht die breite Öffentlichkeit informierte, kann er nicht. Denn über Monate verschweigt das Innenministerium in der Folge, das Schreiben selbst an die Presse gegeben zu haben. Das wertet Strobl heute als Fehler. Nicht aber sein eigentliches Vorgehen. „Dass es nicht strafbar ist, es einem Journalisten zu geben, ist und bleibt meine Meinung.“

Gibt es ein Geheimnis?

Die Staatsanwaltschaft indes sieht das anders und wollte Ermittlungen wegen Verletzung eines Dienstgeheimnisses aufnehmen. Das Ministerium erteilte aber die in so einem Fall notwendige Ermächtigung nicht. „Wo es kein Geheimnis gibt, kann man kein Geheimnis verraten“, betonte Strobl vor dem Ausschuss. Das Schreiben sei auf einem zentralen Fax im Innenministerium eingegangen, zu dem auch eine überschaubare Anzahl an Personen Zugang gehabt habe.

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft doch – unter Zuhilfenahme eines anderen Paragrafen wegen des Verdachts der Veröffentlichung von Dokumenten aus einem Disziplinarverfahren. Im Visier der Behörde steht der Journalist unserer Zeitung, gegen Strobl wird wegen Anstiftung zur Veröffentlichung ermittelt. Die Staatsanwaltschaft macht keine Angaben zu dem laufenden Verfahren. Doch inzwischen ist bekannt, dass sie dem Journalisten die Einstellung gegen eine Geldzahlung angeboten hat. Das ist möglich, so das Gesetz, „wenn die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“. Der Redakteur lehnte ab. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Offen ließ Strobl im Ausschuss die Frage, ob er ein solches Angebot bekommen hat. Davon könnte seine politische Zukunft abhängen.

Entsprechend scharf schoss Strobl in seiner Einlassung gegen die Opposition. Aus einer sehr ernsten Angelegenheit sei ein „politisches Gerangel“ geworden. Das eigentliche Thema der Affäre, nämlich der sexuelle Missbrauch, sei aus dem Fokus geraten und das Verfahren sei „zu einer politischen, einer parteipolitischen, ja einer persönlichen Angelegenheit“ geworden. Julia Goll, Obfrau für die FDP-Fraktion im Ausschuss, erwiderte prompt: „Das ist ein reines Ablenkungsmanöver des Innenministers.“

In dem Fall der mutmaßlichen sexuellen Belästigung durch den Inspekteur bemühte sich Strobl, keine Zweifel über seinen Aufklärungswillen aufkommen zu lassen. Er habe keine Minute gezögert, sowohl ein Disziplinarverfahren anstrengen zu lassen, als auch die Staatsanwaltschaft zu informieren, obwohl ihm klar war: „Sie zerstören damit eine Existenz.“ Die Frage von SPD-Obmann Sascha Binder, warum die Staatsanwaltschaft erst drei Tage später informiert wurde, ließ der Minister aber offen.

Unlautere Beförderungspraxis?

Die Opposition stellt in dem Ausschuss auch infrage, wie der Beamte in seiner Karriere so schnell auf die Position des ranghöchsten Polizisten gelangen konnte. Dahinter stecken Zweifel an den Besetzungsverfahren auf hohen Polizeiposten: „Wie kann tatsächlich der Beste ausgelesen werden, wenn am Ende nur der eine übrig bleibt?“, fragte SPD-Obmann Sascha Binder. Strobl bestritt die Darstellung und betonte, er habe sich als Minister aus Beurteilungsrunden ferngehalten. Gleichzeitig ließ er keinen Zweifel, dass er den Inspekteur für für geeignet gehalten habe. „Ja, ich hielt große Stücke auf ihn und war sicher, dass er die optimale Besetzung ist“, sagt er. Entsprechend groß sei die Enttäuschung gewesen, als er von den Vorwürfen gehört habe.