Die niedrigen Zinsen machen vielen Kreditinstituten zu schaffen. Foto: dpa

Eine plötzliche Kehrtwende der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank würde so manches Geldhaus überfordern. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben. Das wiederum ist schlecht für die Erträge.

Frankfurt - Eine abrupte Erhöhung der Zinsen würde 68 deutsche Kreditinstitute vor existenzielle Probleme stellen. Das geht aus einem Stresstest der Bundesbank und der Finanzaufsichtsbehörde Bafin hervor, dem insgesamt 1555 kleinere und mittelgroße Banken sowie Sparkassen unterworfen wurden. Eine Minderheit der Geldhäuser stünde bei einem plötzlichen Zinsanstieg „vor dem Exitus“, sagte Raimund Röseler, Exekutivdirektor für die Bankenaufsicht bei der Bafin. Die betroffenen Institute könnten sich dann allenfalls durch Kapitalerhöhungen oder Zusammenschlüsse mit anderen Banken retten.

Eine drastische Zinserhöhung ist in den nächsten Jahren allerdings unwahrscheinlich, schließlich setzt die Europäische Zentralbank (EZB) auf eine lockere Geldpolitik. Zwar wird für das nächste Jahr eine Reduzierung der Anleihekäufe erwartet, mit denen die Notenbank derzeit monatlich 60 Milliarden Euro in die Märkte pumpt. Eine Erhöhung der Leitzinsen erwarten die meisten Beobachter aber frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2018, und dann auch nur in Tippelschritten.

Lange Durststrecke

Das wahrscheinliche Szenario anhaltender Mini-Zinsen steht darum auch im Mittelpunkt der Untersuchung von Bundesbank und Bafin. „Die durch die niedrigen Zinsen verursachte Durststrecke ist längst noch nicht überstanden“, sagte der zuständige Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret.

Die 1555 erfassten Banken und Sparkassen erwarten nach eigenen Aussagen, dass ihr Jahresüberschuss vor Steuern bis 2021 um neun Prozent sinken wird. Da die Institute gleichzeitig ihr Geschäft ausweiten wollen, dürfte die Rentabilität noch stärker sinken: Bezogen auf die wachsenden Bilanzen ergebe sich ein Rückgang der Gesamtrentabilität von 16 Prozent, teilten die Aufsichtsbehörden mit.

Parallel zu den Prognosen der Geldhäuser erstellten die Tester eigene Berechnungen auf Basis verschiedener Szenarien: Unveränderte Zinsen bis 2021, weitere Zinssenkungen oder eben ein plötzlicher Anstieg. Für die Mehrheit der Kreditinstitute am schädlichsten wäre demnach eine weitere Zinssenkung, bei der die Gesamtrentabilität um bis zu 60 Prozent fallen könnte. Aber selbst wenn gar nichts geschähe und die EZB bis 2021 an ihren aktuellen Null- und Minuszinsen festhielte, würde die Rentabilität der Untersuchung zufolge um 41 Prozent schrumpfen.

Banken setzen auf Gebühren und Provisionen

Die Mehrheit der untersuchten Banken und Sparkassen setzt offensichtlich darauf, dass sich die EZB in den nächsten Jahren zumindest ein wenig bewegt. Obendrein wollen die Institute versuchen, die schrumpfenden Zinserträge durch Mehreinnahmen an anderer Stelle zu kompensieren. Ganz vorne steht dabei das Provisionsgeschäft. Dazu zählen Einnahmen aus Kontogebühren, aber auch Provisionen aus dem Verkauf von Geldanlagen wie Wertpapieren oder Bausparverträgen. Laut den von den Banken vorgelegten Berechnungen sollen die Provisionen bis 2021 die Ertragseinbußen durch niedrige Zinsen weitgehend ausgleichen.

„Das ist eine sportliche Annahme“, sagte dazu Bundesbank-Vorstand Dombret. Auch Bafin-Exekutivdirektor Röseler äußerte Zweifel an der geplanten Steigerung der Provisionseinnahmen: „Da ist viel Wunschdenken dabei.“ Immerhin aber sprächen die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit dafür, dass sich höhere Kontogebühren am Markt durchaus durchsetzen ließen: Institute, die zu diesem Mittel gegriffen hätten, hätten bislang nach eigener Aussage „nicht sonderlich viele Kunden verloren“. Röseler hält Gebührenerhöhungen in vielen Fällen für richtig, auch wenn sie „schmerzhaft für Verbraucher“ seien: „Wir raten schon allen Banken: ‚Nehmt den Kosten und Risiken angemessene Preise.’“

Bundesbank empfiehlt Fusionen

Als weiteres Instrument gegen sinkende Erträge empfahl Dombret Zusammenschlüsse mehrerer Banken: „Wenn Sie in eine Fusion gehen, haben Sie die Chance, Institute effizienter aufzustellen und Kosten einzusparen.“ In der Finanzbranche scheint die Bereitschaft für solche Zusammenschlüsse zu steigen: Laut der Erhebung von Bafin und Bundesbank befinden sich elf Prozent der kleinen und mittleren Institute bereits in einem Fusionsprozess oder planen einen solchen. Weitere 45 Prozent erklärten, sie könnten sich in den nächsten fünf Jahren einen Zusammenschluss vorstellen. Allerdings sieht sich nur eine Minderheit der Institute als Übernahmekandidaten, die meisten können sich eine Fusion nur als stärkerer Partner vorstellen.