Und der Datenschutz? Beim Papierhersteller Palm weiß man jetzt, welche Bürger die Erweiterung der Firma kritisch sehen. Foto: https://www.palm.de/papier/standorte/zentrale-aalen/

Die Papierfabrik Palm in Aalen will erweitern, dagegen formiert sich Widerstand. Nun hat das Rathaus die Namen von 237 Gegnern unrechtmäßig an das Unternehmen weitergeleitet.

Aalen - Die Entschuldigung kam prompt – aber halbherzig. Ja, räumte Aalens Oberbürgermeister Thilo Rentschler jetzt ein: Die Stadt habe persönliche Daten von 237 Personen, die eine Eingabe gegen die Erweiterung der Papierfabrik Palm im Stadtbezirk Unterkochen unterzeichnet haben, an das Unternehmen und auch an ein Planungsbüro weitergeleitet. „Wir bedauern diesen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung sehr“, sagt Rentschler. Zugleich aber betont er, dass das Bauverfahren „in enger Abstimmung“ mit der Papierfabrik erfolge, alle Stellungnahmen würden deshalb, wenn auch anonymisiert, mit den Verantwortlichen erörtert. Das muss man wohl so lesen: Die Erkenntnisse wären der Papierfabrik Palm – und auch der Öffentlichkeit – sowieso bekannt geworden.

Also alles halb so wild? Das sieht die Bürgerinitiative Pro- Unterkochen (Pro- Uko) ganz anders. Viele Bürger hätten darauf vertraut, dass ihre Daten vertraulich behandelt würden, sagt einer der Sprecher von Pro-Uko, Daniel Hellmann – eigentlich dürften nur Verwaltung und Gemeinderat die Adressen und Namen einsehen. Vor allem könnte es Unterzeichner geben, die in der Papierfabrik arbeiteten und nun Unannehmlichkeiten befürchteten. Hellmann hält es im Übrigen nicht für ausgeschlossen, dass die fragliche Liste auch an Landratsamt und Regierungspräsidium gegangen ist.

Der Firmenchef ist ungewöhnlich gut informiert

Und irgendwie wird mit den Erkenntnissen aus der Liste auch Politik gemacht. Firmenchef Wolfgang Palm war vor einigen Tagen in den „Aalener Nachrichten“ mit den Worten zitiert worden, keine 200 der Unterzeichner kämen aus Unterkochen, alle anderen seien von weiter her. Durch diese Äußerung kam die Bürgerinitiative erst darauf, dass Palm im Besitz von Informationen sein musste, die er aus ihrer Sicht nicht kennen durfte – nach einer Anfrage an die Stadt räumte diese die Datenpanne ein, fügte aber hinzu, dass es für die „persönliche Betroffenheit“ wichtig sei, den Wohnort der Unterzeichner zu kennen. Und, siehe oben, solche Informationen werden ja dann auch öffentlich. Tatsächlich betont auch Wolfgang Palm gegenüber unserer Zeitung, dass er seine Erkenntnisse nicht aus der Liste beziehe. Woher dann genau, wollte er aber nicht beantworten, ebenso wenig wie die Frage, ob er die unrechtmäßig weitergeleiteten Daten mittlerweile habe löschen lassen.

Inzwischen ist eine weitere Äußerung Wolfgang Palms bekannt geworden – danach seien die meisten der Unterzeichner keine Alteingesessenen, sondern erst in den letzten zwei Jahren zugezogen. Sie sprächen also nicht für die Unterkochener. Daniel Hellmann ist darüber empört: „Es muss gefragt werden, ob die Firma Palm weiterhin Analysen ihrer Gegner auf der Basis der widerrechtlich erhaltenen Daten macht oder ob das Rathaus in Aalen weiterhin Informationen über die Eingebenden direkt an den Industriellen liefert.“

Es ist noch nicht klar, welche Konsequenzen es gibt

Welche Konsequenzen die Datenpanne für die Stadt Aalen haben könnte, ist offen. Ein Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten sagte, vieles deute darauf hin, dass die Stadt rechtswidrig gehandelt habe, aber man werde erst eine Stellungnahme aus Aalen einholen. Grundsätzlich könnte eine Geldbuße ausgesprochen werden – und natürlich könnte man die Löschung der Daten verlangen.

Die kühle Reaktion der Stadt und die spitzen Aussagen von Firmenchef und Bürgerinitiative legen nahe, dass das Verhältnis zerrüttet ist. Die Firma kann nicht verstehen, wie man sich gegen ihr Vorhaben stellen kann: Es werde eine halbe Milliarde Euro in die dann modernste Papierfabrik Europas investiert. Unterkochen ist der Gründungs- und Stammsitz des Unternehmens; heute hat es 31 Papierfabriken und Wellpappenwerke, 4000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro. Umgekehrt ist die Bürgerinitiative frustriert, dass man sie in die Schmuddelecke steckt. Sie seien gar nicht gegen die Erweiterung, so Hellmann; aber sie wollten Antworten auf viele offene Fragen – so gebe es erhebliche Lücken beim Schallschutz.

Nun ist ein Gespräch für den 1. August anberaumt, an dem neben der Stadt auch Landrat Klaus Pavel, Vertreter der Papierfabrik und von Pro-Uko teilnehmen sollen. Daniel Hellmann und seine Mitstreiter haben von dem Termin aus der Zeitung erfahren. Ob sie an dem Tag Zeit hätten, habe niemand bei ihnen angefragt.