Immer wieder werden Geflüchtete abgeschoben, obwohl sie gut integriert sind (Symbolbild). Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Unternehmer-Initiative Bleiberecht durch Arbeit fordert, dass die Behörden über Abschiebungen gut integrierter Flüchtlinge stärker nach Ermessen entscheiden. Das baden-württembergische Innenministerium sieht das anders.

Waiblingen/Stuttgart - Immer wieder werden Geflüchtete abgeschoben, obwohl sie gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben. 2018 haben daher verschiedene Unternehmen aus Baden-Württemberg und Bayern die Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“ gegründet. Denn: „Der Verlust der bereits integrierten und fest angestellten Geflüchteten als Arbeitskräfte ist für uns ein immenser wirtschaftlicher Schaden. Ihre Arbeitskraft ist nur mit sehr hohem personellem und finanziellem Aufwand oder teilweise gar nicht zu ersetzen“, heißt es auf der Homepage der Initiative, der inzwischen 150 Unternehmen angehören. Das liege auch daran, dass viele Geflüchtete in Mangelberufen arbeiten – etwa in der Gastronomie oder als LKW-Fahrer.

Wann wird abgeschoben?

„Vor dem Hintergrund des vielfach bestehenden Mangels an Arbeitskräften ist nachvollziehbar, dass Abschiebungen von ausreisepflichtigen Personen in Beschäftigung Fragen aufwerfen. Diese Rückführungen entsprechen jedoch der geltenden Rechtslage“, erklärt das baden-württembergische Innenministerium auf Anfrage. Im Asylverfahren wird geprüft, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter – etwa religiöse oder politische Verfolgung – vorliegen. Tun sie es nicht, muss der Asylbewerber ausreisen. Davor schütze ein Arbeitsplatz grundsätzlich nicht, so ein Sprecher der Behörde: „Zwangsläufige Konsequenz unseres Asylsystems kann daher auch sein, dass abgelehnte Asylbewerber wieder in ihre Heimatländer zurückkehren müssen – trotz Ausübung einer Beschäftigung.“

Die Unternehmer-Initiative fordert hingegen, dass Behörden bei gut integrierten Geflüchteten in Arbeit einenErmessensspielraum nutzen. „Das wäre eine Übergangslösung, die nur für diejenigen gilt, die schon im Land sind. Es gibt somit auch keine Sogwirkung“, betont Fia Straub, die Koordinatorin der Initiative.

Was ist eine Beschäftigungsduldung?

Am 1. Januar 2020 ist das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung in Kraft getreten. Nun gibt es eine so genannte Beschäftigungsduldung, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Bleibeperspektive für geduldete Ausländer in Arbeit eröffnet: Nach 30 Monaten kann sie in eine Aufenthaltserlaubnis führen. Um eine Beschäftigungsduldung zu erhalten, muss der Betroffene unter anderem bereits seit zwölf Monaten geduldet sein, ansonsten wird sie nicht erteilt. „Dieses Ergebnis ist konsequent. Ein struktureller Spurwechsel, bei dem das Asylsystem systematisch umgangen wird, um über Beschäftigung ein Bleiberecht zu erwirken, ist gesetzlich nicht vorgesehen“, betont der Ministeriumssprecher.

Die Unternehmer-Initiative kritisiert hingegen, dass kaum ein Geflüchteter die zwölf Monate Duldungszeit erreicht: „Die Leute werden vorher abgeschoben oder ihnen wird die Arbeitserlaubnis entzogen“, sagt Fia Straub.

Werden die Regeln gelockert?

Auch das Innenministerium ist der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der Beschäftigungsduldung zu eng gefasst ist. „Daher hat Baden-Württemberg bereits im Februar 2019 im Bundesrat einen Antrag eingebracht, der den Bedürfnissen der Unternehmen deutlich stärker Rechnung getragen hätte. Bedauerlicherweise fand dieser unter den anderen Ländern keine Mehrheit“, so der Sprecher. Es erscheine aber sinnvoll, einen erneuten Vorstoß auf Bundesebene zu unternehmen, damit die Zeiträume des Asylverfahrens auf den zwölfmonatigen Vorduldungszeitraum angerechnet werden können.

Jüngst gibt es in der Koalition jedoch Streit darüber, wie bis dahin mit gut integrierten, arbeitenden Geflüchteten umgegangen werden soll. Die Grünen werfen CDU-Innenminister Thomas Strobl vor, getroffene Vereinbarungen nicht einzuhalten, wonach Menschen mit verlässlicher Bleibeperspektive zunächst nicht abgeschoben werden sollten. Strobl betont indes, die Landesregierung nutze alle rechtlichen Spielräume, um arbeitende und gut integrierte Flüchtlinge von der Abschiebung zu verschonen. Er sagt aber auch: „Ermessen kann man nur dort ausüben, wo es auch ein Ermessen gibt.“

„Bei allem Verständnis für die Belange der Unternehmen obliegt die Entscheidung über ein Bleiberecht dem Staat und nicht den Arbeitgebern“, heißt es aus dem Innenministerium. Das Asylverfahren diene der Prüfung von Schutzgründen und stelle keine Orientierungsphase im deutschen Arbeitsmarkt dar: „Erwerbsmigration hat daher grundsätzlich im Wege des gesetzlich vorgesehenen Visumverfahrens aus dem Herkunftsstaat zu erfolgen.“

Wie kann man einwandern?

Am 1. März tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft, das Hochschulabsolventen und Menschen mit qualifizierter Berufsausbildung die Einwanderung ermöglicht. „Dies ist stimmig, da unsere Wirtschaft insbesondere auf diese Personen langfristig angewiesen ist“, erklärt das Innenministerium.

Wo gibt es noch Spielräume?

Das Land nutze den innerhalb des Bundesrechts bestehenden Spielraum, bekräftigt der Sprecher. So habe man etwa Ermessensduldungen für ausreisepflichtige Beschäftigte ermöglicht, bevor es die Beschäftigungsduldung gab, und die Ausbildungsduldung gestärkt, indem man sie auf die einjährige Berufsfachschule sowie auf Helferberufe ausgedehnt habe.