Selina Keil hat sich im eigenen Haus in der Eltinger Carl-Schmincke-Straße einen Showroom eingerichtet und macht Termine nach Absprache. Foto: Simon Granville

Selina Keil (31) hat ein Elektrotechnik studiert. Sie arbeitet bei Bosch, ist gerade in der Elternzeit, gründete als Teil ihrer Masterarbeit ein Start-up und verkauft Kinderwagen.

Selina Keil hat im vergangenen Spätsommer ein Start-up gegründet. Sie führt die Besucherin durch ihren Showroom der Wichtelwiege. Da stehen sie in Reih und Glied, die unterschiedlichsten Kinderwagen-Modelle.

 

Eine Korbwanne ist aus Naturweide geflochten, andere sind aus Cord oder glatten Stoffe. „Alle sind sehr hochwertig und viele von ihnen in Deutschland oder Europa gefertigt“, beschreibt Keil die Produkte, die zwischen 500 und 1500 Euro kosten. Die Federung ist mal an der Hinterachse mit Schwenkrädern vorne, der andere Wagen hat vier feste Räder und ist bestens geeignet für Ausflüge in die Natur auf unebenem Gelände. Dann gibt es die besondere Lederriemenfederung, die für den gewissen Schaukeleffekt sorgt. Und nicht zu vergessen die unterschiedlichen Wannengrößen und anderen Themen wie Sicherheit, Sonnenschutz oder auch Extras wie Wickeltaschen und Verstaumöglichkeiten.

Den perfekten Kinderwagen gibt es nicht

„Ich habe mich ausführlich mit dem Thema Kinderwagen beschäftigt und welcher für die Bedürfnisse unserer Kinder am besten geeignet ist“, sagt die Mutter einer fünfjährigen Tochter und eines zweijährigen Sohnes. Die 31-Jährige hat sich selbst für das dänische Konzept entschieden. Das bietet mit einer großen, gut ausgepolsterten Wanne ausreichend Platz für die Kinder bis drei Jahren. „Die Dänen stellen den Wagen gerne nach draußen und lassen ihre Kinder dort schlafen“, sagt sie. Daher sei die Ausstattung auch so konzipiert, dass sie sowohl perfekten Schutz vor Kälte, als auch vor Sonne biete. „Ergonomische Sportsitze sind zwar stylish, aber eher ein Accessoire für Mamas, für das Kind nicht liegetauglich, davon rät selbst die Stiftung Warentest ab“, sagt Keil. Aber: Den einen perfekten Kinderwagen gäbe es nicht. „Jeder hat individuelle Bedürfnisse.“

Wie kommt die 31-jährige Powerfrau, die stets neue Herausforderungen sucht, dazu, sich in diesem Bereich selbstständig zu machen? Ihr Abitur hat die Tochter der Rutesheimer Bürgermeisterin Susanne Widmaier am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Leonberg absolviert. An der dualen Hochschule studierte sie Elektrotechnik. Ihre fest integrierten Praxiseinsätze absolvierte sie bei Bosch. Für die Firma war sie in Indien und in England, schrieb ihre Bachelorarbeit in Renningen zum Thema neuartige Halbleiter. Nach dem Studium arbeitete sie drei Jahre als Projektmanagerin bei Bosch im Einkauf, reduzierte dann auf Teilzeit, weil sie an der Universität Stuttgart und der Hochschule der Medien nebenberuflich ihren Master in Angriff nahm. Hierfür bekam sie ein Stipendium. Sie entschied sich für den Studiengang „Intra- und Entrepreneurship“, der betriebswirtschaftliche und technologiebezogene Fragestellungen fokussiert, die an den besonderen Anforderungen von Start-ups ausgerichtet sind, aber auch etablierte Unternehmen betreffen.

Arbeit, Studium, Mama – fast alles gleichzeitig

Weil sie in der Zwischenzeit zweifache Mama wurde, ist Selina Keil derzeit noch in Elternzeit, ihr Studium steht kurz vor der Vollendung. „Es war mit Kindern schon herausfordernd, ging aber ganz gut, weil es berufsbegleitend nur freitags und samstags Präsenz erfordert, ansonsten organisiert man sich selbst.“

Befragung von Müttern und Schwangeren auf der Straße

Derzeit schreibt sie an ihrer Masterarbeit, in der es um die Erarbeitung und die Evaluation einer Geschäftsidee und die erfolgreiche Umsetzung geht. Damit sie auch weiß, worüber sie schreibt, hat sie mit ihrem erarbeiteten Fachwissen über Kinderwagen gleich selbst ein Start-up gegründet und verbindet damit ihre Herzenssache. „Das Studium hat mir den Mut gegeben, diesen Schritt zu wagen und die Wichtelwiege nach den Anforderungen und Wünschen der Kunden zu gestalten“, sagt Selina Keil.

Doch was wünschen sich die Kunden? Um das herauszufinden, ging sie auf die Straßen und befragte Schwangere und junge Mütter. „Heraus kam, dass sich Schwangere einen langlebigen Kinderwagen mit einer guten Geländegängigkeit wünschen“. Ebenfalls ganz oben stünde eine gute persönliche Beratung und die Möglichkeit, den Kinderwagen vor Ort zu testen. Jungen Müttern sei häufig die Babywanne nicht lang genug, ihre Babys müssten in den Sportwagen umziehen, bevor sie richtig sitzen könnten. Nach diesen Kriterien machte sich die junge Unternehmerin auf die Suche nach den entsprechenden Anbietern. „Es war nicht schwer, sie von meinem Konzept zu überzeugen“, sagt Keil nicht ganz ohne Stolz.

Die Räumlichkeiten für die Wichtelwiege waren schnell gefunden. Selina Keils Urgroßvater Gottlieb Widmaier hatte in der Carl-Schmincke-Straße 9 eine Schmiede, die er in den 1950er Jahren durch eine Schlosserei erweiterte und dafür gleich nebenan in der Carl-Schmincke-Straße 7 ein Haus baute. Als sein Sohn Erwin Widmaier, Keils Opa, das Geschäft übernahm, wurde ihm der Platz zu eng. In den 1980er Jahren zog er mit der Schlosserei in den Hertich und baute die Schlosserei in der Carl-Schmincke-Straße 7 in ein Wohnhaus um.

„Mein Mann und ich haben 2019 das Haus kernsaniert und wohnen mit unserer Familie im Obergeschoss, im Untergeschoss hat die Wichtelwiege nun ihr Zuhause“, erzählt Selina Keil. Termine mit Kunden macht sie nach Absprache, kann ihre Zeit daher frei einteilen. „Ich möchte auf jeden Fall nach meiner Elternzeit zurück zu Bosch, die Wichtelwiege nebenher in meiner freien Zeit weiter führen“, sagt die Gründerin, die alles mit ihrem Chef bei Bosch abspricht und gespannt ist, wie sich ihr Unternehmen entwickelt.