Früher waren Kindertagesstätten klein und überschaubar. Heute sind es mittelgroße Unternehmen. Die Stadt Stuttgart will die Leiterinnen für diese Aufgabe schulen, die Stadträte sehen darin aber nicht das Ende der Fahnenstange.
Stuttgart - In den kommenden zwei Jahren sollen Leiterinnen von Kitas in einem Pilotmodell ihre Führungskompetenzen fortentwickeln. Das Projekt ist nun im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats vorgestellt worden. Der hatte noch einige Anregungen zu machen.
Dass Größe und Aufgabenvielfalt ein Fortbildungskonzept nötig machen, ist im Gremium unbestritten. Die Einrichtungen müssten sich neuen gesellschaftlichen und pädagogischen Anforderungen stellen, „sie haben mittlerweile ein sehr umfassendes Aufgabenspektrum und müssen mit Trägern, Eltern und Team gut zusammenarbeiten“, betonte Isabel Fezer (FDP), Bürgermeisterin für Jugend und Bildung. „Wir haben die Tageseinrichtungen in den letzten zehn Jahren enorm ausgebaut, sie gleichen zunehmend kleinen oder mittelständischen Unternehmen und haben bis zu 40 Personen im Team“, erläuterte Dorothea Rieber vom Jugendamt. Aus diesen Gründen ist 2016 das Pilotmodell „Kita leiten und entwickeln“ ins Leben gerufen worden.
Teilnehmen dürfen alle Träger
Beteiligt sind das Jugendamt, die Robert-Bosch-Stiftung und die Universität Heidelberg. Begutachtet wurde, wie sich der Aufgabenzuwachs entwickelt hat – durch den Platzausbau, die Betreuungszeiten, die Ansprüche der Familien, den Bildungsanspruch und zuletzt auch durch Corona. Fachtage, ein Hospitationsprogramm, Werkstätten und eine Befragung in den Einrichtungen brachten zutage, welche Leitungsaufgaben gut bewältigt werden können und wo es Unterstützungsbedarf gibt. Und es entstand ein Handbuch mit Beispielen gelungener Praxis.
Jetzt soll das Programm in seine dritte und letzte Phase gehen: in ein über einen Zeitraum von zwei Jahren angelegtes Entwicklungsprogramm für Teilnehmende aller Träger. Dazu sollen sich zunächst 15 Tandems aus Leiterinnen, ihren Stellvertreterinnen, aus Bereichs- und Teamleiterinnen bilden, ihr eigenes Praxisprojekt entwickeln und umsetzen „und so auch Entwicklungsprozesse selbst in Gang setzen“, führt Monika Buhl aus, Professorin der Universität Heidelberg. Sie betont aber auch, dass „zusätzliche Ressourcen“ zum Gelingen beitragen würden.
Im Januar beginnt das Training
Wie man das Erreichte auch anderen Kitas zugänglich machen will, interessierte in der Sitzung die Stadträtinnen und Stadträte Vittorio Lazaridis (Grüne), Doris Höh (FDP) und die kirchlichen Kita-Träger. Laut Oliver Herweg vom Jugendamt soll das über die bereits bestehende trägerübergreifende Fortbildung und sozusagen über ein Schneeballsystem funktionieren: „15 Trainer trainieren die anderen.“ Jörg Schulze-Gronemeyer und Klaus Käpplinger vom evangelischen Kita-Träger regten an, über die multiprofessionelle Zusammensetzung von Leitungsteams zu diskutieren und so die Erzieherinnen vom bürokratischen Aufwand zu entlasten. Allen gemein war der Zweifel daran, ob sich bei derzeitigem Personalmangel „das Projekt in das Zeitbudget der Leitungen noch hineinpressen“ lasse, so Iris Ripsam (CDU), die auch den langen Vorlauf des Projekts kritisierte – es wurde bereits 2016 begonnen und geht erst diesen Januar in die Praxis.
Der Karriere förderlich
Die Universität Heidelberg zertifiziert das Programm, für das die Erzieherinnen ECTS-Punkte sammeln können. Diese sind Voraussetzung für Höhergruppierungen. „Für mich ist das eine Möglichkeit, den Erzieherinnen etwas zu bieten, das ihnen hilft, weiterzukommen und ihre Potenziale zu entwickeln“, sagte Isabel Fezer. Der Forderung von Stadtrat Luigi Pantisano (Die Fraktion) nach tariflichen Verbesserungen erteilte sie eine Absage: „Wir sind schon jetzt ziemlich gut aufgestellt mit den tariflichen Eingruppierungen und außertariflichen Leistungen in der Stadt, wir dürfen andere Berufsgruppen nicht abhängen.“