Um den Wasserschaden in der Unterkunft in Birkach beheben zu können, müssen 28 Personen mit ihrem Hab und Gut das Gebäude räumen. Foto:  

Durch das Hochwasser im Mai haben sich Keime in der Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart-Birkach festgesetzt. 28 Bewohner müssen am Freitagmorgen umziehen – teilweise auch wieder zurück in Container. Die Betroffenen kündigen an, sich zu weigern. Die Stadt droht mit Zwangsräumung.

Birkach - Fragen der Flüchtlinge beantworteten die Malteser keine mehr, als sie mehreren Bewohnern der Unterkunft Ohnholdstraße in Birkach am vergangenen Freitagmittag die Briefe des städtischen Sozialamtes in die Hand drückten – und damit helle Aufregung auslöste. „Beendigung des Nutzungsverhältnisses für die Unterkunft Ohnholdstraße 1 B, 70599 Stuttgart, und Zuteilung eines neuen Unterkunftplatzes“ heißt die Überschrift des Bescheids, und es folgen auf drei Seiten ziemlich eindeutige Worte.

Der erste Satz lautet: „Die Unterbringung in der Ohnholdstraße wird am 2. August 2019 um 8 Uhr beendet.“ Dann: „Wenn Sie am 2. August um 8 Uhr nicht freiwillig ausgezogen sind, können sie im Rahmen des Verwaltungszwangs mit dem Mittel der Zwangsräumung mit sofortigem Vollzug geräumt werden.“ Konkret bedeutet das: Im schlimmsten Fall kommt die Polizei und erzwingt den Umzug. Die Stadt erteilt den Bewohnern sogar ein Hausverbot im Erdgeschoss des Gebäudes bis zum 2. September.

Bewohner werden in vier Unterkünfte aufgeteilt

Grund für den Zwangsumzug ist das Hochwasser, das Ende Mai das Birkacher Feld unter Wasser setzte. Auch die am Feld gelegene Flüchtlingsunterkunft wurde dabei überschwemmt. Und die Schäden sind wohl größer, als anfangs vermutet: Die Bausubstanz im Erdgeschoss wurde angegriffen, außerdem wurden Bakterien und Keime ins Haus gespült. „Ein Verbleib der Bewohner im Erdgeschoss des Gebäudes 2 ist nicht möglich“, heißt es in dem Brief. „Deshalb wird Ihnen ein neuer Unterkunftsplatz zugewiesen.“

Die betroffenen Bewohner werden in vier verschiedene Unterkünfte aufgeteilt: Eine Familie kommt in die Flüchtlingsunterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße in Degerloch, eine Person in die Unterkunft am Lautlinger Weg in Möhringen, eine Person in eine Unterkunft nach Zuffenhausen sowie drei Familien und vier Alleinstehende in die Container am Guts-Muths-Weg auf der Waldau in Degerloch.

„In den Containern fühlt man sich wie ein Tier“

Diejenigen, die in die Container auf der Waldau ziehen sollen, wollen sich gegen ihren Umzug wehren. Ein 23-Jähriger, der in der Zeitung lediglich die Abkürzung seines Namens – M. Falah – lesen will, sagt: „Ich habe bereits mehr als ein Jahr in Containern neben dem Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sillenbuch gewohnt – so lange, bis ich meine Aufenthaltsgenehmigung bekommen habe. Ich will nicht mehr im Container leben. Dort kann man sich weder konzentrieren noch schlafen.“ Er schiebt hinterher: „In den Containern fühlt man sich wie ein Tier. Und wir sind immer noch Menschen.“ Dass er sich konzentrieren kann, ist für den 23-Jährigen wichtig. Ausgerechnet am Tag nach dem geplanten Umzug, am Samstag, schreibt der Syrer eine Deutsch-Prüfung, um das Level B 2 verliehen zu bekommen.

Der 23-Jährige ist Anfang 2016 in Deutschland angekommen – genau wie sein 37-jähriger syrischer Mitbewohner, der sich als S. Sheib vorstellt. Beide haben in verschiedenen Unterkünften gelebt, bis sie nach Birkach kamen. „Wir fühlen uns hier wohl“, sagt S. Sheib. Das liege auch daran, dass sie in Birkach Zweierzimmer hätten und dadurch mehr Ruhe als in Containern. Der 37-Jährige betont, dass den Flüchtlingen klar sei, dass sie umziehen müssten, damit der Wasserschaden behoben werden könne. „Wir wollen aber nicht wieder in Container zurück.“ Um dies zu verhindern, wollen die Betroffenen ihre Sachen nicht packen und sich dem Umzug verweigern.

Unklar, wann Bewohner zurückkehren dürfen

„Selbstverständlich können wir eine Frustration über die Gesamtsituation nachvollziehen“, heißt es dazu aus dem städtischen Sozialamt. Allerdings gebe es aufgrund der nötigen Bauarbeiten keine Alternative zu den Umzügen. „Das Sozialamt setzt auf intensive Gespräche und das Verständnis der Bewohner.“ Auch Marja Rothenhöfer, stellvertretende Leiterin der Flüchtlingshilfe im Bezirk Stuttgart und Integrationsmanagerin bei den Maltesern betont, dass es den Maltesern ein großes Anliegen sei, für die Geflüchteten „eine möglichst sozialverträgliche Lösung zu finden und – soweit es möglich ist – auf die individuellen Bedürfnisse beispielsweise von Familien mit kleinen Kindern oder von erkrankten Bewohnern einzugehen.“ Allerdings müssten solche Überlegungen immer auch unter Berücksichtigung der verfügbaren Plätze erfolgen.

Wie lange die Flüchtlinge in den alternativen Unterkünften bleiben müssen, steht derzeit noch nicht fest. Jedoch soll den Bewohnern schriftlich bestätigt werden, dass sie nach den Sanierungsarbeiten wieder in die Unterkunft in Birkach zurückkehren können, verspricht Ann-Kathrin Gehrung, Sprecherin der Stadt.