Wladimir Putin brachte Russland wieder auf die politische Weltbühne zurück. Foto: epa

Vor 25 Jahren zerfiel die UdSSR. Die Hoffnung auf eine goldene Zukunft erfüllte sich nicht, kommentiert unser Politikredakteur Knut Krohn.

Stuttgart - Noch heute scheint es wie ein Wunder. Vor 25 Jahren, am 31. Dezember 1991 Schlag Mitternacht, zerfiel die UdSSR in ihre Einzelteile. Der Rest der Welt hielt den Atem an, niemand wusste, wem die Arsenale der Atomwaffen in die Hände fallen könnten. Doch der Zusammenbruch geschah geräuschlos, ohne Bürgerkrieg, ohne Aufruhr. Eine zu Tode erschöpfte Weltmacht hauchte ohne Wehklagen ihr Leben aus. Staatschef Michail Gorbatschow hatte zwar bis zuletzt versucht, mit seinen Reformen von Glasnost und Perestroika die marode Sowjetunion ins 21. Jahrhundert zu führen. Doch die alte Planwirtschaft brach zusammen, noch bevor die neue Marktwirtschaft auch nur annähernd zu funktionieren begonnen hatte. Die Staatsunternehmen waren zu unrentabel und von Grund auf sanierungsbedürftig, gleichzeitig verschlang der Rüstungswettlauf mit dem Westen Unsummen, nicht einmal die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Lebensmitteln war damals mehr gesichert.

Hoffen auf eine goldene Zukunft

Nach dem Zusammenbruch machten sich die Sowjetrepubliken auf den eigenen Weg, wurden zu selbstständigen Staaten und erhofften sich eine goldene Zukunft. Doch die Realität holte die Menschen schnell ein. Für die Russen kam die „Notzeit der 1990er“, wie sie es nennen: mit wildem Kapitalismus, bitterer Armut und ausufernder Kriminalität. Erst der neue Präsident Wladimir Putin stabilisierte ab 2000 das Land. Doch der Preis ist hoch, die Demokratie kommt unter die Räder, Russland wird zunehmend autoritär regiert.

Die Uhren werden zurückgedreht

Vom Westen lange nicht wirklich ernst genommen, werden die Uhren konsequent zurückgedreht. Heute, 25 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR, besetzen ehemalige KGB-Leute Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft. Sie haben mehr Einfluss, als sie sich in der Sowjetunion zu erträumen wagten. Stalin wird als Staatsmann gefeiert, doch Gorbatschow gilt den meisten Russen noch immer als Verräter des Vaterlands. Gleichzeitig haben die Korruption und die Allmacht der Beamten unglaubliche Ausmaße angenommen. Für die meisten Bürger heißt das, sie müssen selbst für Selbstverständlichkeiten immer wieder in die Tasche greifen. Sie sind beschäftigt mit dem Kampf ums tägliche Überleben oder ein bisschen Wohlstand. In dieser Situation kommt bei vielen Sehnsucht auf nach einer Zeit, als es weniger Freiheit gab, dafür aber alles geregelt war: von der Geburt über die Universität bis zur Beerdigung.

Putin auf alten Pfaden

Auch in der Außenpolitik wandelt Putin auf alten Pfaden. Antrieb für ihn ist die Ausweitung der eigenen Einflusssphäre. Sein Ziel ist es, Russland zu alter Größe zu führen, respektiert als Supermacht. Dabei setzt Putin allein auf militärische Stärke und zeigt sich als begnadeter Virtuose. Mit seinem hybriden Krieg in der Ukraine hat er den Westen überrascht. Und mit dem Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg meldete sich Moskau endgültig auf der Weltbühne zurück. Im Kampf gegen den internationalen Terror des Islamischen Staates verhandelte der Kreml wieder auf einer Augenhöhe mit den USA.

Riese auf tönernen Füßen

Mit dieser militärischen Stärke weiß Putin zwar den Westen zu verunsichern und das eigene Volk zu begeistern, verschleiert aber zentrale Schwächen. Politisch ist Russland damit gescheitert, seinen Einfluss auszudehnen. Der Versuch, die Nachbarstaaten mit Allianzen an Moskau zu binden, ist misslungen. Das Modell Russland hat keine Strahlkraft wie sie die USA – trotz aller Unkenrufe – noch immer in sich tragen. Auch ökonomisch kann Moskau mit dem Westen nicht mithalten. Die Wirtschaft liegt am Boden, und das Land hängt von Ölexporten ab. Putin hat es in den vergangenen Jahren verpasst, die notwendigen Reformen einzuleiten. Und dennoch: Russland ist unter Putin wieder zur Weltmacht geworden. Tatsache ist aber auch: Dieser Riese steht auf tönernen Füßen.