Auch beim Denkmalschutz will Ralf Broß über Standardsenkungen nachdenken. Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

Der Städtetagchef Ralf Broß beklagt eine Milliardenlücke bei der Finanzierung der vom Bund und Land an die Kommunen übertragenen gesetzlichen Aufgaben.

Die Zahl, die Ralf Broß genannt hat, klingt beachtlich: 1,9 Milliarden Euro jährlich, so hat das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg kürzlich erklärt, fehlten den Städten im Land, um die vom Bund und vom Land erlassenen und den Kommunen übertragenen gesetzlichen Aufgaben und staatliche Leistungszusagen bezahlen zu können.

Eigentlich, so betont Broß im Gespräch mit unserer Zeitung, liege die Summe sogar noch deutlich höher. Die 1,9 Milliarden Euro beruhten auf Schätzungen und Berechnungen, die der Städte-, der Landkreis- und der Gemeindetag bereits gemeinsam Ende des Jahres 2021 erstellt haben. Unter anderem hatten die kommunalen Spitzenverbände damals ermittelt, dass die Zuschüsse vom Land für die Ganztagsbetreuung um 300 bis 400 Millionen Euro, für die Digitalisierung der Schulen sogar um 900 Millionen Euro sowie für Baukosten der Krankenhäuser um 246 Millionen Euro höher sein müssten, damit die Städte diese verordneten Pflichtaufgaben nicht zumindest teilweise aus ihren eigenen Einnahmen finanzieren müssten.

2022 sind neue Aufgaben für die Städte hinzugekommen

Für die Schaffung eines kommunalen Wärmenetzes hat der Städtetag jeweils eine Million Euro als Anschubfinanzierung für jede der 104 großen Kreisstädte angesetzt, für das Schulbegleitungsprogramm 120 Millionen Euro und für den Kita-Orientierungsplan sogar 150 Millionen Euro. Dazu kommen weitere Ausgaben, etwa im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht oder zur Finanzierung der neuen Wohngeldregeln. 2022, so Broß, hätten Bund und Land weitere Kosten auf die Städte und Kommunen abgewälzt, etwa den kommunalen Anteil für die Finanzierung des 49-Euro-Tickets oder die Kosten für aufwendige Klimaschutzvorgaben. Auch die Mobilitätsgarantie belaste die städtischen Haushalte zusätzlich.

Standardabsenkungen sind unvermeidbar

Da die Beratungen für den Doppelhaushalt 2023/24 des Landes mittlerweile abgeschlossen sind und klar ist, dass die benötigten Mittel den Städten in den kommenden Jahren nicht zur Verfügung stehen werden, schwört Broß die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Verwaltungen schon einmal auf aus seiner Sicht unvermeidbare Standardabsenkungen und damit möglicherweise verbundene Qualitätsverluste ein.

Beispielsweise sei für den Städtetag schon jetzt klar, dass sich der von 2026 bestehende Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung von Schülerinnen und Schülern wenn überhaupt, dann nur in drastisch abgespeckter Form verwirklichen lasse. Broß: „Zum einen fehlen uns einfach die Fachkräfte und auch die Räumlichkeiten, zum anderen werden wir es uns nicht leisten können, nur Studierte für die Betreuung einzusetzen.“

Darüber hinaus müsse über einen drastischen Abbau der Bürokratie nachgedacht werden. Broß: „Nicht jedes Gutachten, das heute etwa bei der Schaffung von Windrädern oder für den Denkmalschutz erstellt werden muss, ist auch wirklich notwendig. Wir müssen mit dem Land zusammen anschauen, wo es möglich und sinnvoll ist, Verfahren zeitmäßig zu beschleunigen.“ Die Kommunalen Spitzenverbände wollen mit der Landesregierung im Gespräch bleiben und für eine bessere finanzielle Ausstattung der Städte und Gemeinden kämpfen.