Eindringlich: Various & Gould-Schau im Kunstraum Schacher Foto: Various & Gold/v & g)

In Köln feiert die Kunstmesse Art Cologne ein glanzvolles Comeback. Grund genug, gerade an diesem Samstag, 19. November, in Stuttgart auf Galerientour zu gehen – Höhlenforschung inklusive.

Zugegeben, viele Kunstblicke richten sich dieser Tage auf Köln. Die Kunstmesse Art Cologne feiert, nennen wir es ruhig so, ein Comeback. Man kann die mögliche Reisezeit aber auch für einen Rundgang in Stuttgarter Galerien nutzen – und viel Spannendes sehen.

Die Galerie als Forschungsstätte

Los geht’s im Zentrum. Am Kleinen Schlossplatz sind Höhlen zu entdecken. Kein Witz. Die Leipziger Malerin Anna Bittersohl hat die Räume der Galerie Schlichtenmaier mal eben in eine Forschungsstätte verwandelt. Tief geht es hinein in das Gestein – da braucht es schon eine Grubenlampe, um sich zurecht zu finden und alle Geheimnisse zu entdecken. Leichter macht es einem eine Art Grotte, angefüllt mit allen Variationen flimmernden Blaus. Die Malerei? Gibt es obendrauf. Und wie! Bittersohl verdichtet, überlagert, vertieft – unbedingt selbst sehen! An diesem Samstag, 19.11., von 11 bis 16 Uhr.

Immer wieder wird eine Galerie in einem Hinterhaus am Rosenbergplatz im Stuttgarter Westen zu einer besonderen Kunstbühne. Dengler und Dengler ist kein Ort der puren Präsentation, eher schon ein Forum für Verbündete. Da passt es, dass die aktuelle Schau von zwei Künstlerbüchern ausgeht – Christina Barrosos „Atlas“ und Horst Haacks „Bestiaire“. Nachschlagewerke sind nicht zu erwarten, und tatsächlich scheint Barroso und Haack auf je ganz eigene Weise die Liebeserklärung an den Planeten Erde als einzige Möglichkeit, auf die sich abzeichnende Verödung in Tier- und Pflanzenwelt zu reagieren. Zu sehen ist die Ausstellung Montag bis Freitag 14 bis 18 Uhr.

In der Galerie Z zu sehen: Jinjoo Lee, Iceberg, 2022 Foto: Galerie Z

Thematisch perfekt passt, was wenige Meter weiter in der Galerie Z (Rosenbergstraße 104) zu sehen ist. Allerdings leider „nur noch nach Vereinbarung“. Die Nummer 0152 0447 1455 zu wählen, lohnt sich allerdings – Jinjoo Lee, bis 2021 Schüler von Cordula Güdemann an der Stuttgarter Kunstakademie, verwandelt nicht nur Eisberge in so bizarre wie gefährdete Schönheiten.

Spektakuläre Lichtkunst

Wir bleiben im Stuttgarter Westen. Jedoch: Dieser Szenenwechsel ist als solcher ernst gemeint: Von diesem Samstag, 19. November (11 bis 16 Uh), an, präsentiert die Galerie von Braunbehrens unter dem Titel „Fantasy of Light“ Lichtkunst von Aljoscha, Adela Andea, Selçuk Dizlek, Molitor & Kuzmin, Chris Nägele und Boris Petrovsky. In der Rotebühlstraße 87 nimmt das Spektakuläre Platz. Es darf gerne immer so aussehen wie in den feinen Linienspielen von Chris Nägele.

Jochen Mühlenbrinks Verwirrspiele

Klar, auf der anderen Seite des Feuersees lockt das Galerienhaus, aber zuerst geht es ein paar Schritte zurück Richtung Schwabtunnel. Die Galerie Thomas Fuchs (Reinsburgstraße 68a) zeigt Werke von Jochen Mühlenbrink. Es ist die erste Einzelausstellung des gebürtigen Freiburgers bei Thomas Fuchs – doch die hat es in sich. Was verschwindet hier hinter oder erscheint vor einem jeweils eigenen Anderen? Was ist hier wirklich gemalt? Aus der Lüpertz-Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie bringt Mühlenbrink feinste Technik mit, der Konter, die Frage, was das wohl sein kann, Malerei, gelingt ihm so umso präziser. Eine Entdeckung.

Bei Thomas Fuchs: Werke von Jochen Mühlenbrink Foto: Galerie Thomas Fuchs

Nun aber „hinüber“ in das Galerienhaus in der Breitscheidstraße 48. Nichts zu verschleiern gibt es für das Berliner Duo Various & Gould. Selbst sagen sie: „Gemeinsame Interessen wie die Liebe für Papier, die Begeisterung für zufällige Schönheit im Alltag und vor allem die Arbeit im öffentlichen Raum, bilden die Grundlage für ihre Kollaboration. Siebdruck und Collage sind ihre Leidenschaft.“ Und: „Auf meist spielerische Weise nehmen sie sozialrelevante Themen wie Arbeit, Migration, Gender, Tod, Globalisierung, Religion oder die Finanzkrise in Angriff.“ Stimmt. Zu sehen von diesem Samstag, 19. November, an (12 bis 16 Uhr), bei Katrin und Marko Schacher sowie immer wieder auch im Stadtgebiet.

Was bleibt von Myanmar?

Der direkten Figuration von Various & Gold antworten im Galerienhaus ein paar Meter weiter bei Hartmann Projects die buchstäblich vertieften und vertiefenden fotografischen Blicke von Beatrice Minda auf gebaute Räume in Myanmar. Ruhig. Souverän. Bewegend. Auch, weil man die Chancen erahnt, die widerstreitende Kräfte um die Macht immer wieder zunichte machen. Die Chancen, im Befragen der kolonialen Folgefäden eine Antrittsidee für die Gegenwart zu entwickeln. Beatrice Minda wunderbares Buch „Dark Whispers“ ist für 39 Euro bei Angelika und Markus Hartmann zu haben.

Und auch dies gibt es im Galerienhaus von diesem Samstag, 19. November, an zu sehen: Jürgen Palmers Projekt „Von nebenan“ – aus gespendeten Alltagsgegenständen umgeformte Kunstobjekte. Das Umformen ist dabei nur die eine Seite der Kunstmedaille – nicht minder wichtig ist die Frage, inwieweit auch das Umformen das anhaltende Wertschätzen eine Gegenstandes bewahren kann. Wer einen tieferen Sinn des Themas Nachhaltigkeit vermutet, dürfte kaum falsch liegen. Jürgen Palmer, zuletzt mit der vor Ort völlig unterschätzten Hommage an das Schaffen der 1963 in Stuttgart geborenen und 2020 in New York gestorbenen Künstlerin und Meeresbiologin Heike Neumeister hervorgetreten, bleibt auf eigenen Pfaden.

Willi Baumeister, Apoll, 1922 Foto: galerie valentien

Und es soll doch noch nach Köln gehen, zur Art Cologne? Stuttgart ist schon dort – etwa mit einem grandiosen „Apoll“ von Willi Baumeister von 1922 bei der Galerie Valentien, aber auch die Galerie Elisabeth und Reinhard Hauff sowie die Galerie Schlichtenmaier zeigen ihr Programm am Rhein. Schön, keine Frage – aber der Rundgang vor Ort hat seine eigene Faszination.