In unserem Stuttgart-Adventskalender öffnen wir jeden Tag ein spannendes Türchen in der Stadt. Am 23. Dezember zeigt uns Eckart Hirschmann, der Glockenspieler vom Rathausturm, wo in Stuttgart die Musik spielt.
Stuttgart - Eckart Hirschmann ist so etwas wie Stuttgarts oberster DJ. Fast jeder in der Stadt hat seine Musik schon mal gehört. Man nimmt die voluminösen Klänge im Kessel eher zufällig wahr, geht in ihren Schallkreis hinein und verlässt ihn dann wieder. Die hallenden, zur Adventszeit weihnachtlichen Melodien, kommen von ganz oben – aus den Öffnungen im Rathausturm. Dort in einem Raum unter den Glocken sitzt der 82-jährige Hobbypianist und betätigt einen Spieltisch per Tastendruck. Dieser schickt dann einen Stromimpuls zum Schlagwerk der Glocken. Der Soundtrack der Stadt ertönt.
Zum Glockenturm hinauf geht es mit einem alten Aufzug. Der Aufstieg endet über eine Wendeltreppe in einer Art Halle – dem Schatz des Turms: die 30 Glocken, die alle in Reih und Glied und nach Größe geordnet aufgehängt sind. Ihr Platz ist an der Turmseite, die dem Marktplatz zugewandt ist. Durch die großen Scharten an den anderen drei Seiten, hört man die Melodien ringsum. Wie ein Scherenschnitt zeichnen sich die Glocken in den Schallöffnungen vor dem Himmel ab.
Fünfmal am Tag ertönen die voluminösen Klänge
Der Hobbypianist Hirschmann war es, der die 70 Volks- und Weihnachtslieder eigens für das Glockenspiel arrangiert und auf dem Computer eingespielt hat. In luftiger Höhe hat er dabei die Schlagtöne der 30 Glocken im Stuttgarter Rathausturm so aufeinander abgestimmt, dass eine schöne zweistimmige Melodie und kein Klangbrei erklingt. Wenn Hirschmann nicht gerade selbst am Spieltisch sitzt, läuft das Glockenspiel meist automatisch über eine auf einem Computer gespeicherte Abspieldatei.
Das Glockenspiel schickt Volksweisen über den Marktplatz, erinnert uns daran, wie die Zeit vergeht. Es sind alte Volkslieder wie „Der Mond ist aufgegangen“, „Kein schöner Land“ oder „Muss i denn zum Städele hinaus . . .“
Zur Adventszeit erklingen Weihnachtslieder über den Marktplatz, über den sich eine märchenhafte Budenstadt erstreckt. Fünfmal am Tag ertönen die voluminösen Klänge. Sie sollen etwas in den Menschen auslösen, die Herzen der Zuhörer erreichen, erzählt der Betriebswirt in Rente. Das Publikum sind die Bürger, die dank Eckart Hirschmann nie das Gleiche hören müssen.
Geschichten rund um die Stuttgarter Glocken
Hirschmann ist ein begeisterter Fan der riesigen Musikinstrumente, von denen 1925 auch in Stuttgart eines angeschafft wurde, für den Turm des 1905 eröffneten Rathauses. „Es war ein großer Wunsch der Geschäftswelt hier am Marktplatz so ein Glockenspiel zu besitzen“, erzählt er. Man habe den Besuchern etwas bieten wollen. „Es war ja sonst nicht viel los in der Stadt“, so der 82-Jährige.
Seit 2006 ist der Hobbypianist nicht mehr nur in Esslingen für das dortige Glockenspiel, sondern auch für das Stuttgarter Glockenspiel zuständig. Einmal im Monat führt er Interessierte in den Turm und erzählt ihnen Geschichten rund um die Stuttgarter Glocken, etwa wie aus ihnen in Kriegszeiten Kanonen wurden.
Der Blick in die Zukunft
Das Glockenspiel ist Hirschmanns ganzer Stolz und Leidenschaft. 1999 kam er zu dem riesenhaften Instrument wie die Jungfrau zum Kind. Damals suchte man einen Nachfolger für den in Esslingen verstorbenen Glockenspieler, der musikbegeisterte Hirschmann ging zur selben Zeit in Rente. „Es war der große Zufall wie so vieles im Leben“, sagt er. „Anfangs war es ein völlig fremdes Musikinstrument für mich.“ Doch Hirschmann war schnell Feuer und Flamme und eingespielt: „Besonders das Glockenspiel live zu spielen, hat mich sofort begeistert.“
Doch Hirschmann blickt nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Ihm liegt viel daran, „dass dieses wunderbare Instrument nicht verloren geht.“ Und so hat Hirschmann für Nachwuchs in Sachen musikalischer Soundtrack der Stadt bereits gesorgt und Nachfolger für die Glockenspiele in Stuttgart und Esslingen gefunden.
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