Eines der vielen, prächtigen Tutus, die im Repertoirefundus des Stuttgarter Balletts zu finden sind. Foto: Kathrin Zinser

In unserem Stuttgart-Adventskalender öffnen wir jeden Tag ein spannendes Türchen in Stuttgart für Sie. Am 12. Dezember blicken wir hinter die Kulissen des Stuttgarter Balletts und entdecken den Kostümfundus.

Stuttgart - Hunderte Pailetten bedecken den dunkelroten Stoff. Sie sind umgeben von filigranen Stickereien und feinen Bordüren. Das Tutu aus dem Ballett Don Quijote ist ein Kunstwerk – eines von unzähligen, die im Repertoirefundus des Stuttgarter Balletts zu finden sind.

„Wir lieben sie alle“, sagt Ulrike Barth, die Vorarbeiterin der Solistengarderobe, und lacht. Allein bei ihr lagern rund 1500 Kostüme – insgesamt befinden sich im Repertoirefundus der Staatstheater (Oper, Ballett und Schauspiel) etwa eine Million. „Die genaue Zahl ist wahrscheinlich gar nicht ermittelbar“, sagt Pressesprecherin Franziska Klamm.

Ulrike Barth verschwindet in einer der langen Reihen von Kleiderständern und holt einen gelb-orangefarbenen Mantel hervor, der mit Ornamenten und weißen Perlen bestickt ist. Marcia Haydée hat ihn schon getragen, als Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“. Manchmal mache sie die Tänzerinnen darauf aufmerksam, in was für einem Gewand sie da die Bühne betreten, erzählt Barth.

Über dem Mantel lagern auf einem Regalbrett „8 Tutu Rohlinge“, wie ein Schild verrät. „Das sind schlichte weiße Basistutus für die Proben“, erklärt Nicole Krahl, die Produktionsleiterin Ballett in der Kostümabteilung. Sie helfen den Tänzerinnen und Tänzern unter anderem dabei, bei der Vorbereitung auf die Vorstellungen einschätzen zu können, wie viel Abstand sie zueinander einhalten müssen.

Don Quijote wohin man blickt

Wer sich derzeit im Repertoirefundus umschaut, kommt an Don Quijote kaum vorbei. Das Ballett wird am 20. Dezember wieder aufgenommen. Die Kleidungsstücke früherer Aufführungen sind noch vorhanden und sorgen bei Ulrike Barth und ihren Kolleginnen für Begeisterung. „In Don Quijote gibt es sehr viele verschiedene Kostüme“, erklärt sie. Da wäre zum Beispiel das violette Samtkleid der Mercedes. Wenn der Rock beim Tanzen schwingt, kommen mehrere, verschiedenfarbige Stoffschichten zum Vorschein. Die aufwendigen Stickereien wurden von Hand angebracht. „Das ist Kunsthandwerk“, sagt Barth.

Das Staatstheater verfügt über eine eigene Schneiderei, in der sich für Oper, Schauspiel und Ballett 61 Beschäftige um die Kostüme kümmern – sie schneidern sie, ändern sie und bessern sie aus. Hinzu kommen weitere 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kunstgewerbe, der Färberei, der Schuhmacherei und der Modisterei, die ebenfalls an der Fertigung der Kleidungsstücke beteiligt sind.

Von der Kunst, ein Tutu zu machen

Im Repertoirefundus hängen Kleider, die 30 oder 40 Jahre alt sind. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg: „Wir wissen etwa zwei Jahre im Vorfeld, was an Aufführungen kommt“, sagt Krahl. „Richtig starten können wir aber erst, wenn die Besetzung klar ist.“ Zunächst fertigt der Kostümbildner Papierentwürfe an. Daraufhin muss geprüft werden, welche Stoffe benötigt werden, welcher Zeitaufwand und welche Kosten anfallen. Schließlich wird das Kostüm der jeweiligen Tänzerin beziehungsweise dem jeweiligen Tänzer auf den Leib geschneidert – kann bei Bedarf aber auch auf einen anderen angepasst werden. „Es ist eine Kunst, ein Tutu zu machen“, betont Barth. Die Fertigung des Mercedes-Kleides hat rund 100 Stunden gedauert.

Die Anforderungen an die Kostüme sind hoch. „Sie dürfen nicht zu schwer sein, die Tänzer nicht kratzen und sie müssen viel aushalten“, zählt Krahl auf. Gastspiele etwa sind eine Belastung für die feinen Kleidungsstücke: Sie werden unter Umständen wochenlang in Containern transportiert, bis sie wieder in der theatereigenen Reinigung landen, und zuvor in Ländern getragen, in denen es mitunter sehr heiß ist – und in denen die Tänzer entsprechend stark schwitzen.

Ein Tutu-Ständer aus Stuttgart

Selbst wenn es häufig international zugeht – auf den schwäbischen Erfindergeist stößt man auch im Repertoirefundus des Balletts. Das dunkelrote Tutu lagert auf einem der einzigartigen Ständer, die Nicole Krahl und ihre Kolleginnen entwickelt haben: Auf runden, schirmförmigen Haltern, die auf einem simplen Abflussrohr aus dem Baumarkt übereinander montiert sind, lagern die ausladenen Tüllgebilde. Die Aussparungen in den Haltern lassen Luft an die Stoffe kommen, außerdem sorgt diese Art der Lagerung dafür, dass die Tutus ihre Form behalten. „Und man kommt damit sogar gerade so durch die Türen“, sagt Krahl, nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme.

Vom Entwurf zum fertigen Bühnenkostüm: In unserer Bilderstrecke zeigen wir ausgewählte Exemplare aus dem Repertoire. Klicken Sie sich durch.

Zu Don Quijote gibt es auf den Seiten des Staatstheaters bereits ein Video, in dem man die Kostüme auf der Bühne sieht.

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