Perücken frisieren, Schauspieler schminken und fantastische Masken erschaffen – wie der Alltag in der Maske aussieht, zeigen wir im Video. Foto: Katrin Litschko

In unserem Stuttgart-Adventskalender öffnen wir jeden Tag ein spannendes Türchen in Stuttgart für Sie. Am 22. Dezember werfen wir einen Blick in die Maske der Staatstheater in Stuttgart. Ein Besuch im Reich der falschen Nasen, künstlichen Penisse, Echthaarperücken und fantastischen Masken.

Stuttgart - Die Schublade ist voller Haare: rote, blonde, braune und schwarze gibt es da zur Auswahl, jedes Haarbündel ist fein säuberlich zu einem Strang zusammengebunden. Die Bündel sind penibel geordnet – für jede Haarsorte und Farbe gibt es einen bestimmten Platz. Einen Schrank weiter tummeln sich falsche Nasen, Ohren, Zungen, ganze Gebisse und sogar Penisse in durchsichtigen kleinen Kisten. „Wenn wir ein Gebiss oder eine falsche Nase brauchen, suchen wir uns hier einfach etwas Passendes aus“, erklärt Mathias Nacke im Plauderton, so als würde er von seinem letzten Besuch im Supermarkt berichten. Doch das Sortiment, über das er eisern wacht, ist nichts für gewöhnliche Kunden. Zu exotisch sind die Wünsche und zu wunderlich das Angebot: Mathias Nacke betreut als Chef der Maske im Schauspiel täglich Bühnenkünstler am Staatstheater Stuttgart – und hilft ihnen dabei, sich zu verwandeln.

Eine Schublade voller Haare

„Unsere Aufgabe ist es, die Schauspieler im Ausdruck zu unterstützen“, erklärt er den Grundgedanken hinter seinem Kunsthandwerk. Für ihn ist die Maske wie eine Zwischenwelt, in der sich die Schauspieler nicht nur optisch verwandeln, sondern auch mental. Dabei hat auch der Maskenbildner seine Rollen zu spielen: Im Schminkraum, der stark an einen Friseursalon erinnert, erwartet Nacke von seinen Visagisten Professionalität - geduldiges Zuhören, Verschwiegenheit und das Ausstrahlen von Ruhe gehören ebenso dazu, wie der geschickte Umgang mit Haaren und Make-up.

„Routinierte Darsteller spielen ihre Rollen ab, wie wir Perücken knüpfen“, vergleicht Mathias Nacke die Schauspielkunst mit seiner Zunft. Denn tatsächlich nimmt das Perückenknüpfen und Frisieren einen Großteil des Alltags eines Maskenbildners ein. Während im Schminkraum die fertig modellierten Nasen für die Künstler mit ihren Namen beschriftet an Gummischnüren baumeln, entstehen in der Werkstatt für jede neue Produktion nicht nur von Hand bemalte Masken, sondern vor allem maßgefertigte Perücken. Unzählige Gipsköpfe reihen sich auf Regalen aneinander, auf jedem Kopf ist der individuelle Haaransatz der Schauspieler mit einem dicken roten Filzstiftstrich markiert. Hier knüpfen die Maskenbildner auf zugeschnittenem Tüll jedes einzelne Haar von Hand auf – ganze 40 Stunden benötigen sie so für eine einzelne Perücke, die bis zu 2000 Euro kostet.

Die Kunst des Schminkens

Das Material, das dafür verwendet wird, stammt aus besagter Schublade voller Haare. Ob Echthaar oder Kunsthaar – jedes Bündel verwandelt sich irgendwann entweder in ein einzelnes Haarteil, einen Zopf oder Schnurrbart. Anwärter auf den immer noch beliebten Beruf des Maskenbildners müssen das Geschäft mit den Haaren daher so gut beherrschen wie ein Friseur. Eine Friseurausbildung ist deshalb Pflicht, erst dann folgt die dreijährige Ausbildung am Theater selbst. Dort lernen die Neulinge Gesichter mit der Kunst des Schminkens in schöne, alte oder charakterstarke Antlitze zu verwandeln oder das Erschaffen von starren und flexiblen Masken.

„Der Reiz an diesem Beruf ist die Vielfalt“, bekennt Mathias Nacke nach kurzer Bedenkzeit. Seit 38 Jahren ist er Maskenbildner und bis heute mit Leidenschaft und viel Diskretion dabei. Fast zärtlich öffnet er Schublade für Schublade, streicht sanft über das lange Haar der Perücken und behält dabei seine Schützlinge und die Verwandlung der Schauspieler immer im Auge. Was einen exzellenten Maskenbildner ausmacht? „Die Liebe zum Theater, künstlerisches Talent und Verschwiegenheit“, erwidert da der erfahrene Maskenchef.

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