Mehrere hundert Demonstranten attackieren die US-Botschaft in Bagdad. Foto: dpa/Khalid Mohammed

Der Sturm auf die US-Botschaft in Bagdad verschärft die Spannungen zwischen Washington und Teheran.

Bagdad - Irans Oberster Revolutionsführer tituliert Donald Trump nur noch als „Typen, der getwittert hat“. Mit Hohn und Spott quittierte Ali Chamenei die wütende Ankündigung des US-Präsidenten, die Islamische Republik für alle weiteren amerikanischen Todesfälle oder Schäden an Einrichtungen im Irak zur Rechenschaft zu ziehen. „Erstens können Sie gar nichts machen. Zweitens, wenn Sie logisch wären, was Sie nicht sind, würden Sie erkennen, dass die Völker dieser Region Amerika hassen. Warum kapieren das die Amerikaner nicht“, polterte der 80-jährige Ajatollah, der erst kürzlich einen Aufstand des eigenen Volkes gegen seine Klerikerherrschaft mit brutaler Gewalt und Hunderten Todesopfern unterdrücken ließ.

Seit Donald Trump im Mai 2018 den Atomvertrag mit dem Iran aufkündigte und Wirtschaftssanktionen in Kraft setzte, eskalieren im Nahen Osten die Spannungen zwischen den Erzfeinden. „Sie werden einen sehr hohen Preis zahlen; dies ist keine Warnung, dies ist eine Drohung“, twitterte der US-Präsident zur Jahreswende und fügte ironisch „Frohes neues Jahr“ an. In einem anschließenden Austausch mit Reportern betonte er aber, er wolle keinen Krieg mit dem Iran.

Reaktion auf Vergeltungsschläge

Ausgelöst wurde der Schlagabtausch auf irakischem Boden durch US-Vergeltungsschläge auf Iran-treue Hashed-al-Shaabi-Milizen, bei denen 24 Kämpfer starben und über 50 verletzt wurden. Das amerikanische Oberkommando reagierte damit auf einen Raketenbeschuss durch schiitische Milizen in Kirkuk, bei denen am 27. Dezember ein US-Vertragsunternehmer ums Leben kam. Insgesamt 19 Attacken auf amerikanische Einrichtungen im Irak zählte das Pentagon im Jahr 2019.

Als Reaktion auf das harsche Vorgehen Washingtons marschierten an Silvester Tausende proiranischer Demonstranten ungehindert in die schwer bewachte Grüne Zone in Bagdad und drangen mit Gewalt auf das Gelände der US-Botschaft vor. Es gelang ihnen, unter „Tod für Amerika“-Rufen das zentrale Eisentor einzudrücken und die Sicherheitsscheiben des Empfangsbereiches zu zertrümmern – ein Vorgehen, das in Washington viele an die Besetzung der US-Botschaft in Teheran vor dreißig Jahren erinnerte. In Bagdad allerdings gelangte die Menge nicht in den verbarrikadierten Kernbereich der diplomatischen Vertretung. Auch wurde niemand verletzt oder als Geisel genommen.

Belagerer ziehen sich gegen Abend zurück

Erst Stunden nach Beginn der gewalttätigen Tumulte rückten dann irakische Sicherheitskräfte an und drängten die Menge zurück. US-Botschafter Matthew Tueller, der über Weihnachten im Urlaub war, kehrte am Mittwoch vorzeitig zurück. Die Botschaft in Bagdad, deren Gelände ähnlich groß ist wie der Vatikanstaat, wurde nach dem Sturz von Saddam Hussein für 700 Millionen Euro errichtet. Sie ist die teuerste und größte US-Mission der Welt, in der zeitweilig bis zu 16 000 Mitarbeiter beschäftigt waren, heute allerdings nur noch einige Hundert.

US-Verteidigungsminister Mark T. Esper kündigte an, die im Irak stationierten 5200 Soldaten um 750 Mann zu verstärken. Denn die Krise um die Botschaft setzte sich nach Neujahr fort. Die pro-iranischen Demonstranten, darunter zahlreiche Männer in Tarnuniformen, errichteten in Sichtweite ein Zeltlager und stellten Toiletten auf. Lastwagen lieferten Hunderte Matratzen. Die Belagerer fordern den Abzug aller US-Truppen und „ein Ende der amerikanischen Okkupation“. Sie zogen sich am Nachmittag des Neujahrstages zurück. Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Angriffe auf die US-Botschaft.

US-Außenminister Mike Pompeo verschob eine Reise in die Ukraine und andere Länder wie Zypern, um die Lage im Irak zu beobachten und die „Sicherheit von Amerikanern im Nahen Osten“ sicherzustellen. Die US-Botschaft in Bagdad setzte ihre konsularischen Dienste bis auf Weiteres aus. US-Bürger wurden aufgerufen, sich vom Botschaftsgelände fernzuhalten.

Massen demonstrieren gegen eigene Führung

In anderen Teilen des Irak gingen derweil die Massendemonstrationen gegen die eigene Führung und ihre iranischen Hintermänner weiter. Wortführer der Volksproteste legten großen Wert darauf, nicht mit dem Silvester-Angriff auf die US-Botschaft in Verbindung gebracht zu werden. Ihre Bewegung unter dem Motto „Wir wollen unser Land zurück“ richtet sich vor allem gegen die Korruption, gegen das Staatsversagen bei der Versorgung mit Strom, Wasser und Medikamenten sowie gegen den Einfluss Teherans.