Der Abschied naht: Bald wird Armin Schuster aus seiner Wohnung in Korntal in der Weilimdorfer Straße ziehen. Foto: Simon Granville

Im Korntaler Bahnhofsviertel geht die Zahl der Bakterien im Trinkwasser zurück. Nun droht den Mietern neues Ungemach: Vonovia hat eine Modernisierung angekündigt.

Für die legionellengeplagten Mieter in der Weilimdorfer Straße in Korntal gibt es gute und schlechte Nachrichten. Armin Schuster (Name geändert), der unsere Zeitung im Mai auf das permanente Problem mit den gefährlichen Bakterien aufmerksam machte, berichtet, die Situation habe sich verbessert. Die letzte Untersuchung im Juni ergab einen Höchstwert von 300 KBE (die Zahl der koloniebildenden Einheiten beziehungsweise lebenden Mikroorganismen) je 100 Milliliter Wasser – nach zuvor 900 KBE. Ihm reiche der Wert, zumal die Filter weiterhin kämen, „trotzdem ist er immer noch zu hoch“, so Schuster. Betroffen seien rund 200 Menschen in 100 Wohnungen. Eigentümer und Vermieter ist Vonovia.

 

Deutschlands größten Immobilienkonzern hat das Gesundheitsamt im Landratsamt Ludwigsburg seit Jahren im Visier. Die Behörde muss informiert werden, wenn der technische Maßnahmenwert von 100 KBE erreicht wird. Die erste Überschreitung wurde im Oktober 2017 gemeldet. Die aktuellen Untersuchungen seien „deutlich besser als die der vergangenen Jahre“, bestätigt die Behördensprecherin Franziska Schuster: An 88 von 92 Stellen sei der Maßnahmenwert eingehalten, an vier überschritten. Auch die Wassertemperaturen an den Entnahmestellen seien höher. „Fast an jeder Stelle wurden über 60 Grad erreicht. Wenn nicht, lag die Temperatur knapp darunter.“ Legionellen sterben bei mehr als 60 Grad. Aus Behördensicht hat insgesamt „die Gefahr aufgrund der deutlich geringeren Anzahl an kontaminierten Proben und der allgemein deutlich niedrigeren Konzentration abgenommen“. Das Gesundheitsamt zählte bis dato 23 Messungen: 21 Male wurden mittlere (bis 1000 KBE) und hohe (bis 10 000 KBE) Kontaminationen gemessen.

Gesundheitsamt sieht nur eine sinnvolle Lösung

Die Kernsanierung des Trinkwassersystems bleibt laut der Sprecherin die sinnvollste Lösung. Vorgeschrieben werden könne sie mangels gesetzlicher Grundlage aber nicht. Armin Schuster, der von der Vonovia-Mieterinitiative Region Stuttgart Unterstützung erhält, hatte dem Konzern vorgeworfen, aus Gründen des Profits die dringend erforderliche Sanierung zu verschleppen.

Armin Schuster aus dem Korntaler Bahnhofsviertel kämpft seit Jahren für ein sauberes Trinkwasser. Foto: Simon Granville

Der Vonovia-Sprecher Olaf Frei betont, man halte die Regeln für den Umgang mit Legionellen ein. In „enger Abstimmung“ mit dem Gesundheitsamt habe man die nötigen Maßnahmen ergriffen. Nun will Vonovia nach und nach die Filter in den Duschköpfen und Wasserhähnen – die sind zusätzlich für immungeschwächte Personen – entfernen. Eine Strangsanierung, den Austausch aller Wassersteigleitungen in einem Gebäude, vergleicht Olaf Frei mit einer „Operation am offenen Herzen“: Die Bäder müssten aufgerissen werden und seien nicht zu benutzen. „Es entsteht viel Baulärm und Dreck in jeder Wohnung und den Treppenhäusern.“ Davon sehe Vonovia angesichts der Entwicklung ab.

Vorwurf: Profitmaximierung statt Wohnwertverbesserung

Lärm und Dreck kommt auf die Mieter dennoch zu. Der Konzern modernisiert für rund 4,5 Millionen Euro seine vier Gebäude in der Weilimdorfer Straße. Im Haus von Armin Schuster sollen die Arbeiten von Mitte September bis März gehen. „24 Wochen. Bestimmt dauert es länger“, sagt der Mittdreißiger. Und auch, „die passende Mieterhöhung über 212 Euro“ für seine Dreizimmerwohnung sei schon angekündigt. Zwar sei seine „faire“ Kaltmiete von 640 Euro seit zehn Jahren konstant. Doch die geplante monatliche Mieterhöhung sei zu hoch.

Ursel Beck, im Vorstand der Vonovia-Mieterinitiative, findet klare Worte. „Bei den Modernisierungsmaßnahmen geht es um eine Möglichkeit, noch mehr Profit mit Mieterhöhungen zu erzielen. Eine Erhöhung um 212,70 Euro für eine 70 Quadratmeter große Wohnung ist schon heftig.“ Ihrer Erfahrung nach würden in solchen Fällen Sachen gemacht, „die nicht nötig sind und keine Verbesserung bedeuten“. Nötig sei dagegen, die „Ursachen der Legionellenverseuchung“ zu beheben. „Es besteht eine ernstzunehmende Gefährdung der Gesundheit.“

Vonovia plant umfangreiche Modernisierung

Olaf Frei von Vonovia weist die Kritik zurück. „Wir bewegen uns im gesetzlichen Rahmen. Acht Prozent der Modernisierungskosten dürfen laut Gesetzgeber pro Jahr auf die Mieter umgelegt werden – und wir beachten die gesetzliche Kappungsgrenze von drei beziehungsweise zwei Euro pro Quadratmeter.“ Nach der Modernisierung lägen die Mieten bei etwa 14,50 Euro pro Quadratmeter – ähnlich Wohnungen in vergleichbarer Lage. Das Ziel sei ein treibhausgasneutraler Gebäudebestand bis 2045. Dazu würden die Quartiere energetisch modernisiert und mehr erneuerbare Energien genutzt. Fassaden, Kellerdecken und Dachböden würden gedämmt, Fenster ausgetauscht. In Korntal würden auch das Dach und die Balkone erneuert und Haustüren ersetzt.

Ursel Beck rät den Mietern, sich gemeinsam zu wehren. Wie es in Stuttgart in der Friedhofstraße passierte. Dort sei wegen Modernisierung eine Mieterhöhung von vier Euro pro Quadratmeter angekündigt worden. „Durch den Widerstand waren es am Ende nur noch zwei Euro.“ Einige Mieter hätten auch dies nicht akzeptiert und seien vor Gericht gezogen. „Und haben die Mieterhöhung weiter gedrückt.“

Armin Schuster ficht all das nicht mehr an. Im Herbst zieht er um. Er und seine Frau haben in Korntal eine Wohnung gekauft. In ruhiger Lage mit Garten fernab von Verkehrslärm. „Kindgerecht“, formuliert es der Vater einer Tochter. Er lacht. „Daran werde ich mich gewöhnen müssen. Am Bahnhof passiert immer was.“ Dann wird er ernst. „Nach der Modernisierung ist es bestimmt schön hier.“ Im Bahnhofsviertel ist er aufgewachsen. Aber er weiß eben auch um den ständigen Ärger mit Vonovia. „Das brauchen wir nicht.“ Allen Nachbarn könne er nur fest die Daumen drücken, „dass es nicht so schlimm wird“.

Gefährliche Legionellen

Umweltkeime
Legionellen sind weit verbreitete Umweltkeime, die in geringer Zahl als natürlicher Bestandteil von Oberflächen- und Grundwasser vorkommen. Das teilt das Landratsamt mit. „Wenn Legionellen eingeatmet werden, können sie Infektionen wie das Pontiac-Fieber – von den Symptomen vergleichbar mit einer Grippe – oder die Legionärskrankheit, eine besondere Form der Lungenentzündung, auslösen.“

Duschfilter
Neben dem gesundheitlichen Zustand der Bewohner hänge die Gefahr einer Infektion zu einem großen Teil von der Konzentration der Legionellen im Trinkwasser ab. Spätestens ab 10 000 koloniebildenden Einheiten (KBE) pro 100 Milliliter werde ein Duschverbot ausgesprochen. „Da Legionellen nur dann kritisch werden, wenn sie eingeatmet werden – beziehungsweise feinste Tröpfchen des Trinkwassers – geht die Gefahr meistens vom Duschen aus.“ Duschfilter fangen die Legionellen ab. Sie sind laut dem Gesundheitsamt ein guter Schutz. Das Wasser zu trinken sei hingegen für gewöhnlich unbedenklich.